Wie Nazi-Christen den Glauben säubern wollten

von Friederike Ursprung

Sonntag, 19.05.2019

Hakenkreuzfahnen in Nazi-Deutschland
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Während der NS-Zeit (1933 - 1945) dominierten und kontrollierten die Nationalsozialisten das gesamte öffentliche Leben. (Foto: pixabay.com/wikimediaimages)

Mai 1939. Auf der Wartburg feiern evangelische Theologen, Pfarrer und Kirchgänger die Eröffnung eines neuen Instituts. Dessen Ziel: die Bibel, die kirchliche Lehre, den Gottesdienst und auch alles andere an die Rassenideologie der Nazis anzupassen.

Dass das Christentum vom Judentum abstammt, dass Jesus selber Jude war und der größte Teil der Bibel jüdisch geprägt ist, hielt die nazitreuen "Deutschen Christen" nicht davon ab, die Glaubensgeschichte im Sinne der Nazis umzuschreiben. Auf angeblich wissenschaftlicher Grundlage sollte das "Institut zur Erforschung und Beseitigung des jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben" alle jüdischen Wurzeln des christlichen Glaubens beseitigen.

Seinen Sitz hatte das Institut im thüringischen Eisenach, und die Eröffnungsfeier fand unweit davon auf der Wartburg statt - dort, wo Luther die Bibel ins Deutsche übersetzt hatte. Die Orte waren bewusst gewählt, denn das sogenannte "Entjudungsinstitut" sollte eine "neue Reformation" einleiten: Die evangelischen Christen sollten "das Judentum überwinden, so wie Luther den Katholizismus überwand" - so die Forderung. Das Institut beschäftigte mehr als 200 Mitarbeiter, darunter Professoren, Kirchenräte, Superintendenten, Pfarrer, Lehrer, Schriftsteller und sogar Landesbischöfe. Getragen wurde es von elf evangelischen Landeskirchen.

1941 gab der Arbeitskreis Volkstestament ein "entjudetes" Neues Testament mit dem Titel "Die Botschaft Gottes" heraus. Jesus erschienen darin als arischer Kämpfer gegen die Juden. Katechismus und Lehrbücher erklärten das Christentum zur germanischen Religion, passend zur Rasse-Ideologie der Nazis und zur systematischen Judenvernichtung im Holocaust. Auch aus Liturgie und Kirchenliedern strichen die Nazi-Christen alles, was ihnen jüdisch erschien – darunter hebräische Worte wie "Halleluja" und jede Erwähnung von Israel als Volk Gottes.

Nach Kriegsende war zwar Schluss mit dem Institut, aber antisemitische Züge hielten sich noch jahrzehntelang in der evangelischen Theologie. So hat der Institutsleiter Walter Grundmann nur wenige Jahre nach 1945 die Ausbildung des theologischen Nachwuchses in Thüringen übernommen. Und der Kirchenmusiker Erhard Mauersberger, der während der Nazi-Zeit an einem "entjudeten" Gesangbuch arbeite, wurde 1961 Kantor an der bekannten Leipziger Thomaskirche und damit Leiter des Thomanerchores.

In der Nähe des früheren Institutsstandortes in Eisenach wurde nun am 6. Mai 2019 ein Mahnmal enthüllt, das an die unsägliche Aufgabe und Arbeit des "Entjudungsinstituts" erinnern soll. Die Installation nach einem Entwurf des Leipziger Künstlers Marc Pethran trägt u.a. den Satz "Wir sind in die Irre gegangen". Nach Worten der Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, nehme man damit Bezug auf das "Darmstädter Wort" der Kirchen von 1947. Damals schon hätten sich evangelische Christen zu ihrer historischen Mitverantwortung für die Ursachen und Folgen des Nationalsozialismus bekannt.

Ab dem 19. September 2019 wird in Eisenach außerdem eine Sonderausstellung über das "Entjudungsinstitut" zu sehen sein. Die Schau läuft mindestens bis 2021 und wird unter anderem auch von der EKM unterstützt.

Sonntag, 19.05.2019