Jan Hus: der tschechische Luther, der im Feuer starb

von Anna Gieche

Sonntag, 26.07.2015

Jan-Hus-Denkmal in Prag
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Bis heute als tschechischer Nationalheld verehrt: Jan-Hus-Denkmal in Prag

Martin Luther gilt als Gründervater der evangelischen Kirche. Doch er war nicht der erste, der gegen die römisch-katholische Kirche aufbegehrte. Das tat 100 Jahre vor ihm auch schon der böhmische Theologe Jan Hus – und bezahlte dafür mit seinem Leben.

Jan Hus (* um 1369, † 6.7.1415) war Rektor der Universität Prag, ein Gelehrter und Priester, dessen Gedankenwelt stark geprägt war durch den britischen Theologen und Philosophen John Wyclif. Der hatte bis zu seinem Tod am 31.12.1384 unter anderem vom Klerus ein Leben in urchristlicher Bescheidenheit gefordert. Auch missbilligte Wyclif die in der Kirche übliche Bilder-, Heiligen- und  Reliquienverehrung sowie den Priesterzölibat.

Hus ging in seinem Aufbegehren gegen die katholische Kirche seiner Zeit noch ein Stück weiter, indem er die Unfehlbarkeit des Papstes anzweifelte und stattdessen die Bibel zur einzigen Autorität in Glaubensfragen erklärte. Seine Messen hielt er ab 1402 nicht in lateinischer Sprache, sondern predigte in seiner tschechischen Muttersprache. Immer wieder kritisierte Hus den Reichtum der Kirche und kämpfte leidenschaftlich für eine Reform der in seinen Augen verweltlichten Kirche.

Der Erzbischof von Prag verbot Jan Hus 1408, weiterhin Gottesdienste zu feiern und zu predigen, was dieser aber ignorierte. Daraufhin erwirkte der Erzbischof von Papst Alexander V. eine "Bulle", in der Hus aufgefordert wurde, seine Lehren zu widerrufen. Kurze Zeit später wurde er zudem mit einem Kirchenbann belegt und exkommuniziert.

Am 3. November 1414 folgte Jan Hus der Aufforderung, vor dem Konzil von Konstanz zu erscheinen, nachdem ihm der deutsche König Sigismund freies Geleit zugesichert hatte. Doch das Versprechen wurde nicht eingehalten und Hus stattdessen gefangen genommen. Um ihn zu brechen und zum Widerruf seiner Lehren zu zwingen, wurde der tschechische Theologe an verschiedenen Orten unter übelsten Bedingungen eingesperrt und nur notdürftig versorgt. Vom 5. bis 8. Juni 1415 wurde Hus im Refektorium des Konstanzer Franziskanerklosters verhört und erhielt schließlich auf Druck böhmischer Adeliger die Gelegenheit, sich zumindest ansatzweise vor dem Konzil öffentlich zu verteidigen.

Die Forderung des Konzils, seine Lehren zu widerrufen, wies Jan Hus jedoch weiterhin zurück. Am 6. Juli 1415 wurde er schließlich bei einer Vollversammlung des Konzils im späteren Konstanzer Münster als Häretiker* zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt und noch am Nachmittag des gleichen Tages zusammen mit seinen Schriften verbrannt. (*Häresie = beharrliche Leugnung oder das beharrliche Zweifeln an einer zu glaubenden Wahrheit)

Knapp 100 Jahre später, am 31.Oktober 1517, schlug der Legende zufolge Martin Luther seine 95 Thesen "wider den Ablasshandel" an die Tür der Wittenberger Schlosskirche und löste damit ein erneutes Beben in der katholischen Kirche aus. Wie vor ihm Jan Hus wurde Luther mit einem Bann belegt und vor den Reichstag nach Worms zitiert, wo er seine Ansichten widerrufen sollte. Doch auch Luther blieb standhaft, konnte seinen Verfolgern entfliehen und immer mehr Unterstützer um sich scharen. Am Ende schaffte Luther das, was Hus angestrebt hatte: Eine Reformation des Glaubens – allerdings um den Preis der Kirchenspaltung in evangelisch und katholisch.
Sonntag, 26.07.2015