„Schattenstunde“: Jochen Kleppers Schicksal im Kino

von Matthias Huttner

Sonntag, 06.02.2022

Filmszene NS-Offizier mit einem Zivilisten
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Szene aus dem Kinofilm „Schattenstunde“ mit Christoph Kaiser (links) als Jochen Klepper und Dirk Waanders als Adolf Eichmann. (Foto Herbsthundfilme | Gérard Fass)

Im Evangelischen Kirchengesangbuch finden sich 13 Lieder, die der evangelische Schriftsteller, Journalist und Theologe Jochen Klepper gedichtet hat. Weil seine Frau Johanna und deren Töchter Jüdinnen waren, wurde die Familie in der NS-Zeit verfolgt.

Klepper wurde am 22. März 1903 in Beuthen an der Oder geboren. Im Alter von 19 Jahren begann er im Mai 1922 ein Theologiestudium – zunächst in Erlangen, später dann in Breslau. Schon damals interessierte sich der junge Mann auch fürs Schauspiel und verfasste eigene Lyrik und Texte. Das brachte ihn in einen Zweispalt: Sollte er nun eine theologische oder lieber eine künstlerische Laufbahn anstreben? Die Entscheidung fiel im November 1926: Jochen Klepper brach sein Theologiestudium ab und verließ die Uni mit einem Abschlusszeugnis, aber ohne Examen. Ein einziges Mal sollte er aber trotzdem auf der Kanzel stehen und predigen: Am 30. Januar 1927 vertrat er seinen erkrankten Vater, der evangelischer Pfarrer war.

Zwischen 1927 und 1933 arbeitete Klepper als freier Schriftsteller, außerdem war er bis 1931 beim Evangelischen Presseverband für Schlesien angestellt. In dieser Zeit (1929) lernte Klepper auch seine zukünftige Frau, Johanna Stein-Gerstel (1890-1942), kennen. „Hanni“, wie Jochen Klepper sie in seinen Tagebuchaufzeichnungen zärtlich nannte, war 13 Jahre älter als er und nach einer 14jährigen Ehe mit einem Akademiker seit 1925 verwitwet. Außerdem war sie Jüdin, ebenso ihre beiden Töchter Brigitte und Renate.

Am 28. März 1931 gaben sich Jochen Klepper und Johanna Stein-Gerstel im Standesamt von Breslau das Ja-Wort. Keine zwei Jahre später – die Familie war inzwischen nach Berlin umgezogen - hatten die Nationalsozialisten die Macht in Deutschland an sich gerissen und mit den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 den Antisemitismus zur Staatsdoktrin erhoben und juristisch abgesichert. Im Wikipedia-Artikel zu dem Thema heißt es u.a.: „Das am 15. September 1935 erlassene Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre [1] verbot die Eheschließung sowie den außerehelichen Geschlechtsverkehr zwischen Juden und Nichtjuden. Es sollte der sogenannten »Reinhaltung des deutschen Blutes« dienen, einem zentralen Bestandteil der nationalsozialistischen Rassenideologie. Verstöße gegen das Gesetz wurden als »Rassenschande« bezeichnet und mit Gefängnis und Zuchthaus (ausschließlich für männliche Beteiligte) bedroht – egal, welcher Beteiligte Jude war.“

In den Jahren bis zum Beginn des 2. Weltkrieg 1939 erhöhten die Nazis kontinuierlich den Druck auf jüdische, aber auch auf christlich-jüdische Familien. Vorläufiger Höhepunkt war die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, in deren Verlauf 1.400 jüdische Betstuben und Synagogen in Brand gesteckt wurden. Auch jüdische Geschäfte wurden verwüstet, mehrere hundert Juden ermordet, mindestens 300 nahmen sich das Leben. Aufgrund der zunehmenden Drangsalierung und Stigmatisierung sowie der antisemitischen Maßnahmen der Nationalsozialisten entschlossen sich Juden, Deutschland zu verlassen. Jochen Klepper lehnte diese Lösung für sich und seine Familie ab. Zur Begründung sagte er: „Mein Beruf bietet uns im Ausland keine Lebensmöglichkeit.“

Der Wikipedia-Artikel über Jochen Klepper beschreibt die letzten Jahre der Familie so: „Am 18. Dezember 1938 ließ sich Johanna Klepper in der Martin-Luther-Gedächtniskirche, Berlin-Mariendorf, von Pfarrer Kurzreiter taufen. Anschließend wurde das Ehepaar Klepper kirchlich getraut. (…) Stieftochter Brigitte hatte kurz vor Kriegsausbruch über Schweden nach England ausreisen können. Am 25. November 1940 erhielt Klepper die Einberufung zur Wehrmacht und war vom 5. Dezember 1940 bis 8. Oktober 1941 Soldat. (…) Wegen seiner »nichtarischen Ehe« wurde er im Oktober 1941 als »wehrunwürdig« aus der Wehrmacht entlassen. Ende 1942 scheiterte die Ausreise der jüngsten Tochter ins rettende Ausland, ihre Deportation stand unmittelbar bevor. Überdies musste Klepper nach einer persönlich erteilten Auskunft des Reichsinnenministers Wilhelm Frick davon ausgehen, dass Mischehen zwangsweise geschieden werden sollten und damit auch seiner Frau die Deportation drohte. Die Familie nahm sich in der Nacht vom 10. auf den 11. Dezember 1942 durch Schlaftabletten und Gas gemeinsam das Leben. Die letzte Eintragung im Tagebuch Kleppers lautet:

»Nachmittags die Verhandlung auf dem Sicherheitsdienst. Wir sterben nun – ach, auch das steht bei Gott – Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des Segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben.«

Alle Infos zum Kinofilm „Schattenstunde“ über das Schicksal der Familie Klepper gibt es unter Infos: https://www.herbsthundfilme.de/schattenstunde und https://www.missingfilms.de/index.php/filme/10-filme-neu/336-schattenstunde

Sonntag, 06.02.2022