Mindestlohn: Zum Leben zu wenig – auch im Alter

von Johanna Hofmann

Sonntag, 07.04.2019

leeres Portemonnaie
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Wer Vollzeit zum Mindestlohn arbeitet, hat am Monatende weniger als 1.500 Euro im Portemonnaie. Das allein reicht nicht zum Leben.

Zum 1.1.2015 wurde in Deutschland der Mindestlohn eingeführt. Seit der jüngsten Erhöhung zum Januar 2019 liegt er aktuell bei 9,19 Euro pro Stunde. Davon allein kann man allerdings nicht leben, sagt Helmut Flötotto von der Caritas in Münster.

"Das ist beim Mindestlohn nur begrenzt gewährleistet, deswegen sind ja viele Personen auch weiter in der Grundsicherung, beziehen Hartz 4, und das kann nicht unser Anliegen als Kirche und Caritas sein, dass ein Mindestlohn nicht zum auskömmlichen Leben ausreicht." Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurde im April 2017 in knapp 1,4 Millionen Jobs der gesetzliche Mindestlohn von (damals noch) 8,84 Euro brutto je Arbeitsstunde bezahlt.

Darüber hinaus bekamen aber weitere 1,8 Millionen Arbeitnehmer weniger als den Mindestlohn, obwohl sie Anspruch darauf gehabt hätten. Das ergaben Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) laut einem Artikel des Berliner Tagesspiegel. Dort heißt es weiter: "Werden unbezahlte Überstunden beim Stundenlohn berücksichtigt, erhielten demnach sogar 2,6 Millionen Beschäftigte weniger als den Mindestlohn."

Die Zahlen zeigen eindrucksvoll, wie groß der Niedriglohnsektor tatsächlich ist. Nach einem Bericht des "Handelsblatt" vom September 2018 verdienten im Jahr 2014 laut Statistischem Bundesamt 21,4 Prozent der Beschäftigten weniger als 10 Euro in der Stunde und damit auch weniger als zwei Drittel des mittleren Stundenlohns. Für viele Betroffene war die Einführung des Mindestlohns ab Januar 2015 zwar extrem wichtig, konnte aber bei weitem die Probleme nicht lösen.

Wie die "Wirtschaftswoche" berichtet, arbeiten derzeit 4,2 Millionen Menschen in Deutschland in Vollzeit zu einem Niedriglohn – verdienen also weniger als zwei Drittel des mittleren Lohns. Auch deshalb sind immer noch viele Bezieher von Mindestlohn zusätzlich auf Hartz IV-Leistungen angewiesen – die sogenannten "Aufstocker". Bundesweit betrug ihre Zahl zwischen Dezember 2017 und November 2018 rund 1,1 Millionen. Das berichtete die "Rheinische Post" Mitte April 2019. Demnach gehören zu den "Aufstockern" 194.319 Vollzeit- und 379.592 Teilzeitbeschäftigte. Weitere rund 450.000 Betroffene hatten nur einen Minijob und 83.000 seien selbstständig gewesen.

In NRW ist die Zahl der "Aufstocker" zuletzt zwar leicht gesunken, aber allein hier sind immer noch über 290.000 Menschen betroffen. Fast die Hälfte davon sind Alleinerziehende und Paare mit Kindern. Große Sprünge sind für sie nicht drin. Und auch später - im Alter - drohen Probleme, sagt Caritas-Experte Helmut Flötotto: "Mindestlohn bedeutet immer leben am unteren Rande, am Existenzminimum – mehr ist Mindestlohn nicht – und damit provozieren wir natürlich zukünftige Altersarmut. Wenn ich Mindestlohn erhalte, kann ich nicht großartig was für die Alterssicherung aufbauen. Weder gesetzlich, und freiwillig schon gar nicht."

Armutsforscher sagen: Damit man von seinem Lohn wirklich leben kann, muss er mindestens 60% eines mittleren Einkommens betragen. Um dieses 60%-Ziel zu erreichen, müsste der Mindestlohn in Deutschland bei rund 12 Euro liegen. Drei Euro mehr als jetzt. Helmut Flötotto von der Caritas in Münster meint dazu: "Mindestlohn oder Einkommen heißt immer, dass ich von meiner Hände Arbeit auch leben muss. Und das nicht dazu führen soll, dass Menschen langfristig in Armut leben, auch nicht in einer Altersarmut. (…) Das kann auf jeden Fall gesamtgesellschaftlich nicht gewollt sein – insbesondere nicht für die nachwachsende Generation. Weil die entsprechend ja die Lasten dann auch zu tragen hat. (…) Und von daher bedarf es natürlich noch einer weiteren Erhöhung des Mindestlohns."

Sonntag, 07.04.2019