Ein zweites Leben für aufgegebene Kirchen
Sonntag, 03.08.2025

Wenn es für eine entwidmete Kirche keine Nachnutzung gibt, bleibt am Ende nur der Abriss. (Foto: Freepik (KI-generiert))
Allein in NRW gibt es aktuell noch etwa 6.000 Kirchen. Doch auf lange Sicht werden 2.000 bis 3.000 davon nicht mehr gebraucht, denn die Kirchenmitglieder und auch das Geld werden immer weniger. Wie lassen sich aufgegebene Kirchen noch weiternutzen?
Antworten auf diese Frage versucht eine Wanderausstellung zu geben, die noch bis zum 16. August 2025 in der Kirche am Kolk der evangelischen Gemeinde Elberfeld-Nord in Wuppertal zu sehen ist. Die Schau trägt den Titel „Kirchen als Vierte Orte – Perspektiven des Wandels“ und wurde vom Verein „Baukultur Nordrheinwestfalen“ zusammengestellt.
Texte und Fotos aus 27 verschiedenen Gemeinden zeigen, wie man leerstehenden Kirchengebäuden neues Leben einhauchen und sie für neue Zwecke nutzbar machen kann. Ergänzt werden diese Beispiele durch Video-Interviews, in denen Menschen ihre Erfahrungen schildern, die sie mit dem Prozess der Umnutzung in ihrer Gemeinde gemacht haben. Die Ausstellung in Wuppertal ist mittwochs von 15 bis 20 Uhr und samstags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei. In den kommenden Monaten wird die Schau u.a. auch noch in Düsseldorf, Münster und Soest zu sehen sein.
Der Verein Baukultur NRW schreibt über die Wanderausstellung: „Dem Leerstand und Abriss von Kirchen steht ein gesellschaftlicher Bedarf nach Orten für sozialen Austausch, Gemeinschaft und gesellschaftliche Identifikation gegenüber. Kirchengebäude bieten sich dafür besonders an – stiften sie doch durch ihre Architektur Identität im Stadtraum, ermöglichen Menschen Raum für Austausch, Spiritualität sowie Einkehr und besitzen einzigartige Atmosphären sowie emotionale Qualität. Damit erzeugen Kirchen etwas Neues, einen »Vierten Ort«, der über die Funktion als Treffpunkt für die Gemeinschaft (die sogenannten Dritten Orte) hinausgeht.“
Mit der Frage, was aus den bis zu 3.000 Kirchengebäuden werden soll, die in den kommenden Jahren allein in NRW entwidmet und verkauft werden müssen, beschäftigt sich ein Kooperationsprojekt des gemeinnützigen Vereins „Baukultur NRW“ zusammen mit der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen und der Ingenieurkammer-Bau Nordrhein-Westfalen unter Mitwirkung der (Erz-)Bistümer und Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen und der RWTH Aachen. Unter dem Titel „Zukunft – Kirchen – Räume. Kirchengebäude erhalten, anpassen und umnutzen“ suchen und fördern sie gemeinsam Pilotprojekte zum Erhalt von Kirchengebäuden in Nordrhein-Westfalen.
Kirchengebäude, die nicht mehr weiter erhalten oder genutzt werden können, werden in einem feierlichen letzten Gottesdienst entwidmet und anschließend entweder abgerissen oder aber einer neuen, meist weltlichen Nutzung zugeführt. So wurde beispielsweise die katholische Kirche St. Peter in Mönchengladbach 2010 in eine „Kletterkirche“ mit 600 Quadratmetern Kletterfläche und Wandhöhen von bis zu 13 Metern umfunktioniert. Ebenfalls in Mönchengladbach wurden die katholische Herz-Jesu Kirche und die evangelische Friedenskirche in Wohngebäude umgewandelt.
Weitere Beispiele sind die Gustav-Adolf-Kirche in Hannover, die seit 2009 eine Synagoge ist oder auch die Bielefelder Martini-Kirche, in der seit 2005 ein Restaurant untergebracht ist. Aus einer Klosterkirche in Mecklenburg-Vorpommern ist ein Orgelmuseum geworden. Die Möglichkeiten sind also sehr vielfältig. Es gibt allerdings auch Einschränkungen wie zum Beispiel Denkmalschutzauflagen oder die sogenannte „Kirchenfeindlichkeitsklausel“. Sie regelt die No-Gos für die Nachnutzung einer Kirche, zum Beispiel als Diskothek, Bordell oder Spielhalle. Für Aufsehen sorgte die Umnutzung der ehemals evangelischen Kapernaum-Kirche in Hamburg. Der typische Kirchbau aus den 1960er Jahren wurde 2002 entwidmet und 2005 an einen Unternehmer veräußert, der sie sieben Jahre später für eine hohe sechsstellige Summe an die Al-Nour-Gemeinde weiterverkaufte. Seit 2018 ist dort nun eine Moschee untergebracht.