"Woche für das Leben": Sterben in Würde

von Manfred Rütten

Sonntag, 19.04.2015

die über dem Bauch verschränkten Hände einer alten Frau
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Selbstbestimmung bis zum Schluss: wohl jeder Mensch wünscht sich, in Würde sterben zu dürfen.

Vom 18. bis zum 25. April veranstalten evangelische und katholische Kirche auch in diesem Jahr wieder gemeinsam eine "Woche für das Leben". Und weil zum Leben auch der Tod gehört, hat die Woche diesmal das Thema "Sterben in Würde".

Schnell dürfte deshalb bei der diesjährigen "Woche für das Leben" unter anderem auch die aktive Sterbehilfe wieder in den Fokus rücken: Soll ärztliche Beihilfe zum Suizid bei schwerstkranken Patienten künftig straffrei sein? Über diese Frage diskutiert u.a. der Bundestag schon seit dem Herbst 2014. Krankenhausseelsorger kennen die Nöte beider Seiten: die der Patienten, aber auch die der Ärzteschaft.

Offiziell verweisen die Mediziner in der Diskussion immer wieder auf ihren hippokratischen Eid, der sie zum Helfen und Heilen verpflichte und deshalb unvereinbar sei mit aktiver Sterbehilfe, etwa in Form eines "assistierten Suizids". Ob und inwieweit diese Linie innerhalb der gesamten Ärzteschaft tatsächlich Konsens ist und auch eingehalten wird, ist unklar. So gibt es durchaus Mediziner, die eine "Tötung auf Verlangen" oder den "assistierten Suizid" nicht grundsätzlich ablehnen (siehe z.B. www.aerzteblatt.de)

Im Zusammenhang mit den entsprechenden Beratungen des Deutschen Bundestages haben fünf Hochschulprofessoren am 26.8.2014 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Straffreiheit für ärztliche Beihilfe zum Suizid bei schwerstkranken Patienten gesetzlich verankern will. Demnach solle zwar die Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe stehen, meldet die Internetseite www.altenheim.net. Weiter heißt es dort: "Ärzte sollten aber schwerstkranken Menschen ohne Heilungschance unter strengen Voraussetzungen die nötigen Medikamente verschreiben dürfen. Gesunde alte Menschen sollten Beihilfe zum Suizid ausdrücklich nicht erhalten, da meist psychische Probleme wie Altersdepression im Vordergrund stünden."

Der Entwurf löste ein kontroverses Echo aus. So kommentierte z.B. Gian Domenico Borasio vom Lehrstuhl für Palliativmedizin an der Universität Lausanne: "Wir wissen um die großen Möglichkeiten der Palliativmedizin. Aber wir wissen aus der täglichen Arbeit auch um ihre Begrenzung." Harsche Kritik kam dagegen von Eugen Brysch vom Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz: "Wenn der Gesetzentwurf Realität würde, dann wird die Suizidbeihilfe zum Regelangebot des Arztes. Damit hätten wir den zertifizierten Mediziner für Selbsttötung. Das kann nicht die Vision der Ärzte in Deutschland sein. Schließlich ist der Suizid nicht die Fortführung der ärztlichen Sterbebegleitung. Der Gesetzentwurf beschränkt die Suizidbeihilfe zwar auf unheilbar kranke Menschen mit begrenzter Lebenserwartung. Aber schon hier wird deutlich, wie unbestimmt solche Kriterien sind. So gehen die Autoren davon aus, dass eine Lebenserwartung von zwei bis drei Jahren die Suizidhilfe rechtfertigt. Das zeigt, dass es keine allgemeingültigen Kriterien für das Leiden gibt. Entscheidungen über Leben und Tod dürfen aber nicht beliebig sein."

Aus Sicht der beiden großen Kirchen in Deutschland widersprechen sowohl der Selbstmord wie auch aktive Sterbehilfe (assistierter Suizid oder Tötung auf Verlangen) grundsätzlich dem 5. Gebot "Du sollst nicht töten". Beide Konfessionen verstehen Gott als Herrn und Schöpfer, der das Leben schenkt. Die Entscheidung, ein Leben zu beenden, stehe dem Menschen nicht zu. Auf evangelischer Seite hat diese Linie allerdings Risse bekommen. So gestand der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, Mitte Juli 2014 in einem Interview mit der Wochenzeitung "DIE ZEIT", er würde seine krebskranke Frau – wenn sie es wünsche - zur Sterbehilfe in die Schweiz begleiten: "Das wäre zwar völlig gegen meine Überzeugung, und ich würde es sicher noch mit Anne diskutieren. Aber am Ende würde ich sie wohl gegen meine Überzeugung aus Liebe begleiten."

Schneider stellt sich damit zumindest tendenziell gegen die 2012 offiziell vom Rat der EKD verabschiedete Linie, "nicht nur die gewerbsmäßige, also gewinnorientierte Suizidbeihilfe unter Strafe zu stellen, sondern jede Form organisierter Beihilfe zur Selbsttötung." An dieser ablehnenden Haltung gegenüber der Sterbehilfe hält auch die Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) prinzipiell fest. Gleichwohl verabschiedete das Kirchenparlament im Januar 2014 die Handreichung "Niemand nimmt sich gern das Leben", in der Pfarrerinnen und Pfarrer ermutigt werden, sich seelsorgerlich auch um Menschen zu bemühen, die einen Selbstmord erwägen. In einer Pressemitteilung der EKiR heißt es dazu, "dies bedeute nicht, den Suizid gut zu heißen. Seelsorge diene dem Leben, halte die Ambivalenz des Betroffenen mit aus und sei bestrebt, einem Todesverlangen entgegen zu wirken, heißt es in der Handreichung. Doch «trotz eines grundsätzlichen Neins zum Suizid gilt es den Menschen, die keinen Ausweg für sich sehen, mit Respekt und Empathie zu begegnen». Die Not des Menschen solle im Mittelpunkt stehen und nicht das Urteil über ihn."

Wie aus einer Meldung des Evangelischen Pressedienstes (epd) hervorgeht, steigt die Zahl von Menschen, die eigens in die Schweiz reisen, um eines der dortigen Angebote zur Sterbehilfe wahrzunehmen. Laut einer Studie des »Journal of Medical Ethics« seien dies zwischen 2008 bis 2012 insgesamt 611 Personen aus 31 Ländern gewesen. Mit 268 Menschen kamen dabei die meisten der sogenannten Suizidtouristen aus Deutschland.

Sonntag, 19.04.2015