Woche für das Leben 2021: „Leben im Sterben“

von Manfred Rütten

Sonntag, 18.04.2021

Aktionsplakat der 'Woche für das Leben 2021'
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Die "Woche für das Leben" setzt sich 2021 für eine menschenwürdige Gestaltung des Lebensendes ein. (Foto: Woche für das Leben)

Mit einem Gottesdienst im Augsburger Dom haben die Kirchen gestern (17. April) die 26. „Woche für das Leben“ eröffnet. Das Motto „Leben im Sterben“ will auf die besonderen Bedürfnisse von schwerkranken und sterbenden Menschen aufmerksam machen.

Wie Zahlen aus dem Jahr 2015 zeigen, gibt es derzeit neben den etwa 1.500 ambulanten Hospizdiensten in Deutschland noch rund 220 stationäre Hospize (darunter auch etwa 20 Kinder- und Jugendhospize) und weitere knapp 290 Palliativstationen. Hier versucht man, Menschen in ihrer letzten Lebensphase optimal zu begleiten und zu betreuen – mit entsprechend hohem Engagement und Aufwand: Von Seelsorge über Klangtherapie bis hin zur individuellen Zubereitung der Mahlzeiten. Doch die Zahl und Ausstattung der Einrichtungen reicht bei weitem nicht aus.

Allein 2020 starben in Deutschland knapp eine Million Menschen. Legt man eine Studie des Max-Planck-Instituts von 2018 und Angaben des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes zugrunde, dann ereigneten sich 46% aller Todesfälle im Krankenhaus und weitere 31% im Pflegeheim. Die dort jeweils herrschenden Routinen und der notorische Personalmangel machen eine individuelle Sterbebegleitung so gut wie unmöglich.

Dabei ist diese Begleitung unglaublich wichtig, schreibt die Direktorin der Uniklinik München, Professorin Dr. Claudia Bausewein in ihrem Beitrag auf der Internetseite der Aktion „Woche für das Leben“: „Etwa 40 % der Deutschen sterben an fortgeschrittenen Herzkreislauf- oder an Lungenerkrankungen, jeder vierte Mensch an einer Krebserkrankung. Meist wird versucht, mit den Möglichkeiten der modernen Medizin alles zu tun, die Erkrankung zu behandeln, das Leben zu verlängern und das Sterben hinauszuzögern. (…) Durch den Fokus auf die Erkrankung und das medizinisch Machbare wird der betroffene Mensch oft aus dem Blick verloren. Der Mensch ist aber weit mehr als seine Erkrankung und die körperliche Dimension des Lebens, zu ihm gehören genauso Psyche und Seele. Mit dem nahenden Lebensende drängen sich zudem spirituelle und existentielle Fragen nach dem Sinn des Lebens und Sterbens, der Beziehung zu Gott und den Menschen auf. Mit dem Kranken sind die Umstehenden mitbetroffen, Familie, Freunde und Bekannte. Sie alle bedürfen der Begleitung und Unterstützung.“

Der Chef der evangelischen Diakonie in Deutschland, Pfarrer Ulrich Lilie, weiß, „dass Sterben eine höchst individuelle Angelegenheit ist.“ In seinem langen Berufsleben hat er 25 Jahre lang Menschen in ihrer letzten Lebensphase begleitet, darunter auch als Leiter eines Hospiz in Düsseldorf: „Da war es immer ganz wichtig, mit den Menschen sehr offen zu reden, aber auch deutlich zu machen, dass wir sozusagen mit ihnen gerne das »Geländer« schmieden, das ihnen hilft, diesen Weg für sich zu gehen“, erinnert sich Lilie im Interview mit Dr. Titus Reinmuth vom Evangelischen Rundfunkreferat NRW.

„Das waren auch Verabredungen, dass wir gesagt haben: Wir können dir weitestgehend versprechen, dass du keine Schmerzen leiden musst. Wir können dir versprechen, dass du einen geschützten Raum hast, indem du deinen Tagesablauf so gestalten willst wie zu Hause: Du kannst solange schlafen, wie du willst. Du kannst essen, wann du willst. Wir fragen dich sogar, ob du was Besonderes möchtest. Du kannst Besuch empfangen, wie du möchtest. Es gibt keine Norm! Du gestaltest das so, wie es für dich richtig ist. Und wir gehen einfach mit, mit dem, was wir an Unterstützung dafür bieten können. Und das ging von der Klang- und Körper-Therapeutin und der Seelsorge bis zu einer »Küchenfee«, die wirklich auch noch die Lieblingsgerichte gekocht hat. Und dann roch es eben einfach wie Zuhause und nicht nach Desinfektionsmitteln.“

Sonntag, 18.04.2021