Christuskirche Bochum: Krieg und Terror ächten!

von Caroline Peter

Sonntag, 22.09.2019

Kirchturm und Vorplatz in blaues Licht getaucht
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Der "Platz des europäischen Versprechens" vor dem Turm der Bochumer Christuskirche: Auf 21 Basaltsteinplatten sind hier 14.726 Namen von Menschen aus ganz Europa verewigt. (Foto: Patrick-Skrypczak / Christuskirche Bochum)

Die Glocken der Bochumer Christuskirche läuten nur ein einziges Mal im Jahr – nämlich immer am 11. September. Das Gedenken an die Terroranschläge in den USA ist nur ein Aspekt der vielfältigen Friedens- und Versöhnungsarbeit in der Gemeinde.

Die beginnt quasi schon an der eigenen Haustür. So findet man im Turm der gut 140 Jahre alten Kirche ein goldfarbenes Mosaik aus dem Jahr 1931. Darauf sind die Namen von fast 1.400 Gemeindegliedern zu lesen, die im 1. Weltkrieg gefallen sind, weiß Pfarrer Thomas Wessel: "Für sich genommen finde ich das völlig gut. Man sieht kein Armeekreuz, sondern das christliche Kreuz. Aber irritierend daran ist, dass daneben eine zweite Liste steht, eine Liste mit den Namen von Staaten, und das sind die Feindstaaten Deutschlands. Ist das eine versöhnende Geste? Oder ist das mehr so ein revanchistischer Ton?"

Die Symbolik im Kirchturm ist schwer zu deuten. Fakt ist: Das Mosaik war in den 90er Jahren mit ein Grund dafür, dass sich die Bochumer Gemeinde intensiv mit der Geschichte ihrer Kirche auseinandergesetzt hat, wie Pfarrer Wessel erzählt: "Eine der ersten Sachen, die wir gemacht hatten, war eine Konzertreihe mit Musik aus diesen sogenannten Feindstaaten. Das ist ein Beispiel dafür, wie man mit so einer Feindstaatenerinnerung umgehen kann. Wenn man so en Konzert gehört hat, dass man aus der Kirche rausgehen kann und sagen kann: »So schöne Musik - da führen wir nie wieder Krieg gegen«.“

Aus diesen Anfängen in den 90er Jahren ist inzwischen eine Stadtkirchenarbeit entstanden, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, jede Form von Krieg, Gewalt und Terror zu ächten. Dazu gehört zum Beispiel auch die Erinnerung an die Befreiung des KZ Auschwitz am 27. Januar 1945. Dazu waren in der Vergangenheit schon prominente Zeitzeugen in der Bochumer Christuskirche zu Gast. Etwa der jüdische Jazzgitarrist Coco Schumann und die aus einer verfolgten Sinti-Familie stammende Sängerin Marianne Rosenberg.

Zu den jüngsten Aktionen gehört die "Bochumer Erklärung gegen Terror". Ihre Entstehung geht zurück auf die Terroranschläge von Paris im November 2015. Darin heißt es unter anderem: "Terrorist ist, wer glaubt, er sei Herrscher über Leben und Tod. Terrorist ist, wer denkt, er sei Herr über Wahrheit und Irrtum. Wer sich an Gottes Stelle setzt, ist Terrorist. Wir verweigern jede Rechtfertigung, jede Solidarität, jede Unterstützung des Terrors. Diejenigen, die an Gott glauben, sind sich mit denen, die nicht an Gott glauben, darin einig: Terror kann nicht gottgewollt sein. Eine Idee, die Menschenopfer verlangt, ist barbarisch. Eine Kultur, die den Tod will und nicht das Leben, ist eine Kultur des Todes. Terror und Demokratie schließen sich gegenseitig aus."

Mehr als 3.000 Menschen – vom Arzt bis zur einfachen Rentnerin – haben diese Bochumer Erklärung bisher unterzeichnet. Unter http://terror-aechten.de/ kann man sich immer noch mit seiner Unterschrift anschließen. Noch weitaus mehr Menschen haben ein weiteres Projekt der Christuskirche unterstützt: Der Platz rund um das Kirchengebäude wurde als "Platz des Europäischen Versprechens" gestaltet, und 14.726 Menschen aus ganz Europa sind dem Aufruf gefolgt, sich mit einem persönlichen Versprechen an Europa an der Aktion zu beteiligen. Ihre Namen sind stellvertretend für viele andere in 21 Basaltsteinplatten eingraviert, die rund um den Platz verlegt wurden.

Am 1. September 2019 fand in der Christuskirche eine Feierstunde zum Gedenken an den Ausbruch des II.Weltkriegs vor 80 Jahren statt. Unter den Festrednern war auch die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus. Sie sagte in ihrem Vortrag u.a.: "Heute, am 1. September 2019, erinnern wir uns hier in der Christuskirche am Platz des Europäischen Versprechens an den deutschen Überfall auf Polen im Jahre 1939, mit dem der Zweite Weltkrieg begann. In nur sechs Jahren verlieren 60 Millionen Menschen ihr Leben, in Kellern verbrannt, in Schützengräben gefallen, in Konzentrationslagern ermordet. Dieses Grauen, das von unserem Land ausging und unsägliches Leid über Europa und die Weltgemeinschaft brachte, ist kaum ein Menschenleben her. Wir halten die Erinnerung wach, weil wir sie den Millionen Toten schuldig sind. Wir halten sie wach und denen entgegen, die das Unfassbare heute zu einem „Fliegenschiss der Geschichte“ weglügen. Wir halten die Erinnerung lebendig, weil wir nur so dem Europäischen Versprechen gerecht werden, denen hier Zehntausende ihr Wort und ihren Namen gegeben haben: Nie wieder Krieg. Nie wieder Auschwitz. Nie wieder."

Sonntag, 22.09.2019