Christliche Horrorserie auf Netflix: „Midnight Mass“

von Aaron Kniese

Sonntag, 03.04.2022

verängstigter Mann mit Popcorn schaut Gruselfilm im Fernsehen
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Wer blutigen Schock-Horror sucht, ist bei "Midnight Mass" an der falschen Adresse. Hier ist der Grusel subtiler. (Foto: Pixabay)

Viele Horrorfilme wie „Rosemary´s Baby“, „Das siebte Zeichen“ oder „Der Exorzist“ entwickeln ihren Grusel vor dem Hintergrund religiöser Geschichten und Rituale. Kein Wunder, denn wo es um Gott und das Gute geht, da ist der Teufel oft nicht weit.

Dass diese Mischung auch heute noch ganz gut funktioniert, zeigt eine Mini-Serie, die seit September 2021 auf Netflix abrufbar ist. Sie heißt „Midnight Mass“ („Mitternachtsmesse“) und spielt auf der kleinen (fiktiven) Insel Crockett Island in den Wochen vor Ostern. Die unheimlichen Ereignisse beginnen, als der neue Pfarrer Paul Hill die Kirchengemeinde auf der Insel übernimmt – als Vertretung für den betagten Monsignore John Pruitt.

Zwischen diesen beiden Personen besteht – das wird im Laufe der insgesamt sieben Teile immer deutlicher - eine besondere „Verbindung“. Dabei spielt eine mysteriöse Kreatur eine Rolle, der Pruitt auf einer seiner früheren Reise in einer Jerusalemer Höhle begegnet ist. Weitere Gruselelemente sind wiederkehrende nächtliche Erscheinungen, Blut im Abendmahlswein und Tote, die wieder zum Leben erwachen. Letzteres erinnert wohl nicht zufällig an die Passions- und Ostergeschichte der Bibel. Auch die einzelnen Episoden der Mini-Serie tragen Überschriften wie „Genesis“ (Teil 1), „Psalmen“ (Teil 2), „Evangelien“ (Teil 5) oder „Offenbarung“ (Teil 7).

Regisseur Mike Flanagan („Spuk in Hill House“, „Steven Kings´ Doctor Sleeps“) ist dafür bekannt, in seinen Horrorfilmen mit einem eher schleichenden Grauen zu spielen. Deshalb bekommt auch jeder Inselbewohner seine eigene Hintergrundgeschichte. Riley Flinn zum Beispiel kehrt nach vier Jahren Gefängnis zurück auf die Insel. Er hat bei einer Alkoholfahrt eine junge Frau getötet. Diese Frau sieht er jetzt jede Nacht vor dem Einschlafen vor sich. Das klingt nach typischem Horror, ist aber eigentlich eine Szene, in der es um Reue und Buße geht: Flinn ist nicht geschockt, sondern traurig und den Tränen nahe.

Überhaupt werden in der Serie viele philosophische und religiöse Fragen gestellt, was einige Zuschauer durchaus negativ anmerken: „Unnötiges langes Gebrabbel und rezitieren von Bibelversen, um irgendwie mutwillig zu beweisen, welchen Tiefsinn das Drehbuch hatte“, moniert Netflix-User »MB«. Peter Winter schreibt in seiner Rezension: „Für mich nimmt ab dem 4. Teil die Religion und das damit verbundenen Prozedere derart zu, was sich in Teil 5 weiter steigert. Gott wird heftig zitiert und der Glaube zelebriert. Too much: Im Hinblick auf weitere Bibelverse habe ich mir den 6 + 7 Teil und damit den Showdown erspart.“

Viele andere Zuschauer sehen dagegen immer wieder große Parallelen zu den Gruselgeschichten von Großmeister Steven King: „Allein der Ort, an dem er [Regisseur Mike Flanagan] seine Geschichte spielen lässt - eine kleine der US-Ostküste vorgelagerte Insel, eine kleine Gemeinde von Menschen, wo jeder jeden kennt und es vieles gibt, was im Verborgenen gärt - sagt mit ganz großen Lettern: »STEPHEN KING«.“ Und der Kino-Tipp meint: „In diesen Horror-Drama verarbeitet er [Regisseur Mike Flanagan] auch höchstpersönliche Elemente und knöpft sich religiösen Fanatismus vor, ohne den Glauben als Ganzes zu verurteilen. Die Story ist dermaßen intelligent, dass einige Logikpatzer erlaubt sein müssen. (…) »MIDNIGHT MASS« ist großes Erzähldrama mit einer erfrischenden Story aus dem Reich der Dunkelheit.“

Sonntag, 03.04.2022