„Wahrer Mensch und wahrer Gott“
Donnerstag, 29.05.2025

Mindestens 200 Bischöfe versammelten sich 325 n.Chr. auf Einladung von Kaiser Konstantin zum Konzil von Nizäa. Es galt, die Frage zu klären: "Wer war Jesus? Gott oder Mensch?" (Foto: gemeinfrei | Wikimedia)
Vom Priestertum der Frauen bis zur Segnung homosexueller Paare - in vielen theologischen Fragen sind katholische, evangelische und orthodoxe Kirchen verschiedener Meinung. Doch ein Konzil vor 1.700 Jahren legte auch Gemeinsamkeiten, die bis heute gelten.
Im Jahr 312 n.Chr. kämpften Kaiser Konstantin und sein Rivale Maxentius um die Alleinherrschaft im Westen des Römischen Reiches. Laut dem Kirchenhistoriker Eusebius von Caesarea soll Konstantin in der Nacht vor der Entscheidungsschlacht an der Milvischen Brücke eine Vision gehabt haben: Er soll ein Zeichen am Himmel gesehen haben – ein Kreuz oder das Monogramm Chi-Rho (☧) mit dem Spruch: „In diesem Zeichen wirst du siegen“ (lateinisch: In hoc signo vinces). Bei Chi-Rho handelt es sich um die ersten beiden Buchstaben des griechischen Wortes Χριστός Christós („Christus“). Daraufhin ließ er das Symbol auf die Schilde seiner Soldaten malen – und gewann die Schlacht. Konstantin interpretierte das als göttliche Hilfe des christlichen Gottes und betrachtete sich seitdem als Christ.
Er beendete die Christenverfolgung in seinem Reich und erließ 313 n.Chr. zusammen mit Licinius, dem Kaiser im Osten, das sogenannte Toleranzedikt von Mailand. Dieses erlaubte es Christen (und auch anderen Religionen), ihren Glauben frei auszuüben. Beschlagnahmter Kirchenbesitz wurde zurückgegeben, und das Christentum wurde staatlich anerkannt und gefördert. Im Jahr 324 besiegte Konstantin den oströmischen Kaiser Licinius und wurde dadurch zum Kaiser des gesamten Römischen Reiches. In der Folge verstand sich Konstantin der Große als eine Art „Bischof von außen“, der für die Einheit der Kirche mitverantwortlich sei. Doch zunehmende innerkirchlichen Streitigkeiten - insbesondere der sogenannte „Arianische Streit“ - gefährdeten diese Einheit und damit zugleich auch den inneren Frieden und die politische Stabilität des Reiches.
Um die Streitigkeiten zu klären, rief Konstantin im Jahr 325 n.Chr. die Bischöfe aus Ost und West zu einem ökumenischen (weltweiten) Konzil zusammen. Es war die allererste Versammlung dieser Art und fand in Nizäa statt. Heute trägt der Ort den Namen Iznik und ist eine verschlafene türkische Kleinstadt im gleichnamigen Landkreis der türkischen Provinz Bursa. Dass hier vor 1.700 Jahren Kirchengeschichte geschrieben wurde, merkt man dem Städtchen heute nicht mehr an. Doch damals kamen hier fast alle bedeutenden christlichen Kirchen des Römischen Reiches zusammen. Etwa 300 Bischöfe, überwiegend aus dem Osten des Reiches (griechischsprachiger Raum), nahmen teil. Aus dem Westen kamen deutlich weniger, darunter aber z.B. auch ein Vertreter des Bischofs von Rom – später „Papst“ genannt.
Der Hauptstreitpunkt unter den damaligen Bischöfen bzw. Kirchen war die Arianische Lehre, benannt nach dem Priester Arius aus Alexandria. Er lehrte: Jesus Christus sei nicht wesensgleich mit Gott dem Vater, sondern ein geschaffenes Wesen, „ähnlich dem Vater“, aber eben nicht ewig und allmächtig wie Gott selbst. Diese Lehre stellte die Göttlichkeit Jesu infrage und führte zu schweren theologischen Konflikten, denn sie warf eine christliche Grundfrage auf: Wie ist das Verhältnis von Jesus Christus, dem Sohn Gottes, zu Gott-Vater.
Beim Konzil von Nicäa gelang den Bischöfen letztlich eine Einigung: Die Arianische Lehre wurde als häretisch (ketzerisch) abgelehnt. Die Bischöfe waren überzeugt, dass es keine Hierarchie oder Kausalität mit Gott an der Spitze und einem nachgeordneten Jesus gibt. Vielmehr seien Gott, Jesus und der Heilige Geist eine umfassende Einheit – eine Trinität. Jesus sei „wahrer Mensch und wahrer Gott“ und „eines Wesens mit dem Vater“. Auf dieser Basis entwickelte das Konzil ein erstes gemeinsames Glaubensbekenntnis, das als nizäanisches Glaubensbekenntnis in die Geschichte einging:
Dieses grundlegende Glaubensbekenntnis hat bis heute Bestand und ist ein zentraler Bestandteil der Liturgie in vielen christlichen Kirchen, darunter der römisch-katholischen Kirche sowie den orthodoxen und vielen protestantischen Kirchen. Eine Weiterentwicklung ist das Apostolische Glaubensbekenntnis. Der von dem Konzil in Nizäa entwickelten Trinitätslehre – also der Dreieinigkeit oder auch Dreifaltigkeit von Gott, seinem Sohn Jesus Christus und dem Heiligen Geist – ist im Kirchenjahr ein eigener Tag gewidmet. Am ersten Sonntag nach Pfingsten wird in den Westkirchen der Sonntag Trinitatis gefeiert.
Um das Phänomen der Dreifaltigkeit anschaulich zu erklären, wird gerne auf die verschiedenen Aggregatzustände von Wasser verwiesen. Im Normalzustand ist es flüssig, es kann aber auch gasförmig (als Wasserdampf) oder fest vorkommen (als gefrorenes Eis). Doch unabhängig von seiner Erscheinungsform ist es eben immer Wasser. Gleiches gilt für die Anrede oder Anrufung Gottes, meint der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Gladbach-Neus, Pfarrer Dietrich Denker: „Wenn wir heute beten in unseren liturgischen Formulierungen, haben wir diese drei Gebetsanreden in der gleichen Wertigkeit, weil wir sagen, die sind wesensgleich mit Gott. Also ob ich Gott als Vater bekenne oder als Heiliger Geist bekenne oder als Sohn: Immer wenn ich mich an ihn wende, ist es ein und derselbe Gott.“
Ein weiteres wichtiges Ergebnis des Konzils von Nizäa ist die seitdem einheitliche Berechnung des Termins für das Osterfest. Es sollte unabhängig vom jüdischen Pessach gefeiert werden, an einem festgelegten Sonntag. Das Konzil legte fest, das Ostern immer am ersten Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond gefeiert wird. Diese Regelung gilt ebenfalls bis heute. Das der Ostertermin in den orthodoxen Kirchen oft nicht mit dem in den westlichen Kirchen übereinstimmt, liegt am Kalender. Während katholische und evangelische Kirche für die Berechnung den seit 1582 gültigen Gregorianischen Kalender nutzen, ist bei den orthodoxen Kirchen noch der alte Julianische Kalender in Gebrauch, der um mehrere Tage abweicht.