Wie geht Trauerbegleitung in Zeiten von Corona?

von Jil Blume-Amosu

Freitag, 02.04.2021

Stein-Engel mit Inschrift 'geliebt u. unvergessen'
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Viele Rituale, die für den Trauerprozess wichtig sind, müssen wegen der Corona-Auflagen entfallen oder aufgeschoben werden. (Foto: Pixabay)

Plötzlich ist es still geworden. Der Tod eines Menschen reißt fast immer eine Lücke in das gewohnte Leben, und nichts scheint mehr, wie es war. In solchen Zeiten ist es wichtig, Menschen zur Seite zu haben, die trösten, halten, helfen.

In „normalen“ Zeiten übernehmen Freunde, Verwandte und vor allem die Familie diese Aufgabe. Sie fangen den trauernden Menschen auf, hören im besten Falle zu, ohne vermeintlich kluge Ratschläge zu geben und sind auch bereit, Tränen und andere Gefühlsausbrüche zu (er)tragen. Für Hinterbliebene, deren Angehörige weit weg wohnen, kann es hilfreich sein, sich einer Trauergruppe anzuschließen oder regelmäßig ein (oft kirchlich betriebenes) „Trauercafé“ zu besuchen. Hier kann man sich austauschen, neue Kontakte knüpfen, mit anderen Betroffenen lachen und weinen.

Die Beispiele zeigen: Der Weg durch die Trauer hindurch zurück ins Leben braucht unbedingt menschliche Nähe und Gemeinschaft. Das beginnt mit der Anteilnahme der Nachbarschaft und dem Trauergespräch mit dem Pfarrer / der Pfarrerin, um die Beerdigung vorzubereiten und ist mit der gemeinsamen Kaffeetafel nach der Beisetzung noch lange nicht zu Ende. Trauernde Angehörige zu begleiten, ist für Pfarrer Ivo Masanek aus Köln Alltag. Dabei sind Rituale ganz wichtig - aber die sind in Zeiten von Corona nicht alle erlaubt: „Was fehlt, ist z.B. das Kaffeetrinken nach der Beerdigung. Denn es ist mehr als der Streuselkuchen und die belegten Brötchen, sondern es ist die Gemeinschaft, die wir feiern, das Zeigen: Wir ertragen das alle zusammen, und wenn das nicht gegeben ist, dann fehlt da wirklich was.“

Und dieses Miteinander fehlt schon lange. Seit März 2020 hält das Corona-Virus Deutschland und die Welt in Atem – und erschwert die Trauerbegleitung sehr: Gedenkfeiern im Familienkreis müssen immer wieder verschoben werden. Und selbst beim traditionellen Gedenken am Totensonntag Ende des vergangenen November konnten nicht alle Trauernden dabei sein, erinnert sich Ivo Masanek: „Vor allen Dingen habe ich schmerzlich vermisst unser Gemeindemittagessen hinterher. Weil wenn dann 50 Leute zusammensitzen und davon viele Angehörige von Menschen, die frisch verstorben sind, dann ist das ne Gelegenheit, das Leben zu teilen, ins Gespräch zu kommen, mit dem Pfarrer einfach mal drei Sätze zu sprechen (…) Das wirkt wie ne Kleinigkeit, aber ist ein Baustein auf dem großen Trauerweg, den man zu bewältigen hat.“

Experten unterteilen diesen Trauerprozess in vier Schritte: Der Tod eines Menschen ist zunächst immer ein "seelischer Tiefschlag": Die Welt scheint still zu stehen, und viele Hinterbliebene sind gerade in den ersten Stunden wie gelähmt, manche können nicht einmal weinen. Diese erste Phase des nicht-wahrhaben-wollen kann einige Tagen dauern, ehe sie durch eine "kontrollierte Phase" abgelöst wird. Hier dominiert dann die Geschäftigkeit: die Beisetzung muss organisiert, Familie und Freunde müssen benachrichtigt werden. Der Schmerz über den Verlust wird verdrängt, doch spätestens nach der Beerdigung versagen diese Kontrollmechanismen. Der Schmerz kehrt zurück und ein Gefühlschaos macht sich breit: Die Trauernden erleben Angst, Verzweiflung, Apathie, Wut aber auch Schuldgefühle, und sie brauchen jetzt Menschen, die diese Emotionen zulassen und ertragen, ohne billige Ratschläge zu geben.

Das gilt auch für die dritte Trauerphase, in der sich die Betroffenen oft zurückziehen. Sie reden wenig, sind teilnahmslos und fühlen sich innerlich leer. Es ist eine Zeit der "Suche" nach dem Verstorbenen, der gefühlsmäßig immer noch "da" ist: sein Lieblingssessel, der Spazierweg, den man immer gemeinsam gegangen ist … erst nach dieser Suche wird es dem Trauernden möglich, sich wirklich von dem Toten zu trennen. Der Tod wird als endgültig akzeptiert, Schmerz und Erinnerung verwandeln sich in einen kostbaren Schatz, der das Fundament für das "Experiment Zukunft" wird. Die vierte und letzte Phase der Trauerarbeit beginnt: der Weg zurück ins Leben.

Dieser Weg führt also nicht am Leid vorbei, sondern durch das Leid und Leiden hindurch. Und als Christen dürfen wir wissen, dass wir auf diesem Weg nie allein sind. Denn Jesus verspricht: "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid – ich will euch erquicken".

Wie der Evangelische Pressedienst am 24.3.2021 meldete, hat die katholische Hilfsorganisation „Die Malteser“ ein neues Internetangebot rund um das Thema Trauer eingerichtet: „Unter https://www.via-app.org/ finden sich Informationen für Trauernde sowie eine Online-Trauerberatung. Ratsuchende erhielten innerhalb von 48 Stunden Hilfe und Unterstützung von professionellen Beratern.“ Sämtliche Daten und Fragen würden vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben.

Im Internet bietet die Evangelische Kirche im Rheinland schon seit 2002 in Kooperation mit weiteren Landeskirchen einen virtuellen, ortsunabhängigen Raum für Trauernde: www.trauernetz.de lädt mit Gedichten, Musik und Bildern zur Meditation ein, im Online-Trauerbuch können Trauernde ihr Gedenken ausdrücken und im Forum miteinander ins Gespräch kommen. Auch wer persönlichen Kontakt vor Ort sucht, ist bei Trauernetz gut aufgehoben. Über eine bundesweite Adressdatenbank lassen sich Trauergruppen in der Region finden.

Für Trauernde ist Trauernetz.de das zentrale Webangebot in der evangelischen Kirche und wird gemeinsam verantwortet von der Evangelischen Kirche im Rheinland, der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern und der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Hannovers sowie auch von der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD).

Freitag, 02.04.2021