Pöbeln, drohen, schlagen: Gewalt auf dem Vormarsch

von Marc Peratona

Sonntag, 05.05.2019

Mann zieht Pistole aus dem Hosenbund
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Trotz strenger Gesetze kommt es auch in Deutschland immer wieder zur Anwendung von Waffengewalt.

Hassreden im Internet, der "Stinkefinger" auf der Autobahn, Schlägereien und andere Körperverletzungen aus nichtigem Anlass: Die Gesellschaft, so scheint es, wird immer aggressiver und gewalttätiger. Und die Hemmschwelle sinkt.

So ergab eine 2018 veröffentlichte Umfrage unter Rettungskräften in NRW: 92% der befragten 800 Notärzte und Sanitäter waren in den vergangenen zwölf Monaten bedroht oder beleidigt worden, ein Viertel wurde sogar körperlich angegangen. Auch Feuerwehrleute und Polizisten klagen über zunehmende Angriffe während ihres Dienstes. Aggressionen und Gewaltbereitschaft machen demnach nicht einmal mehr vor Amtspersonen Halt.

Ein Grund für diese Entwicklung ist nach Ansicht des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, mangelnder Respekt für den Mitmenschen: "Wohl auch durch die Social Media, durch die Möglichkeiten des Internets, ist die Sprache immer rauer geworden. Menschen, die öffentliche Verantwortung tragen, insbesondere in der Politik, werden nicht nur mit Argumenten attackiert, sondern werden persönlich beleidigt und attackiert."

Ein etwas anderes Bild zeichnet die amtliche Kriminalstatistik: Vergleicht man die Zahlen der  polizeilich erfassten Fälle von Gewaltkriminalität in Deutschland, so lag sie 1999 bei rund 197.500, erreichte 2007 mit knapp 218.000 Fällen einen Höhepunkt, um danach bis 2018 wieder auf rund 185.400 zu sinken.

Diesen nackten Zahlen stehen Taten und eine Realität gegenüber, die statistisch nicht erfasst werden: Von persönlich verletzenden Kommentaren und sogar Morddrohungen im Internet bis hin zu Schulhof-Schlägereien, bei denen selbst dann keine Rücksicht genommen wird, wenn das Opfer am Boden liegt. Fälle wie der des Mannes, der im Sommer 2018 in Berlin zwei Obdachlose mit Benzin übergossen und angezündet hat, verschärfen das Gefühl von einer zunehmenden Verrohung und Gewalt in der Gesellschaft.

Auf die Frage, wie man dem begegnen könne, antwortet der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm mit einer einfachen Regel - der "goldenen Regel" aus der Bibel: "Alles was ihr wollt, das euch die Leute tun sollen, das tut ihnen auch. Jesus sagt darüber: »Das ist das Gesetz und die Propheten«, also die Zusammenfassung von allem. Und ich glaube, so eine Regel sollten wir im Hinterkopf behalten und immer mal wieder ganz bewusst darüber nachdenken, bei dem was wir tun. Handele ich jetzt eigentlich so, dass ich diese goldene Regel beherzige? Versetze ich mich wirklich in die Situation des anderen und rede so mit ihm, wie ich selber auch angeredet werden möchte?"

Sonntag, 05.05.2019