Papst: Dialog - Bildung - Arbeit

von Christof M. Beckmann

Samstag, 01.01.2022

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„Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit: Werkzeuge, um einen dauerhaften Frieden aufzubauen“ – unter diesem Titel steht die aktuelle Botschaft von Papst Franziskus zum 55. Welttag des Friedens.

„Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit: Werkzeuge, um einen dauerhaften Frieden aufzubauen“ – unter diesem Titel steht die von Papst Franziskus zum 55. Welttag des Friedens am 1. Januar 2022 verfassten Botschaft zum 55. Welttag des Friedens. Hier der Text in der von Vatican News veröffentlichten amtlichen Fassung.
 

1. Januar 2022

BOTSCHAFT SEINER HEILIGKEIT PAPST FRANZISKUS ZUM 55. WELTFRIEDENSTAG

Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit: Werkzeuge, um einen dauerhaften Frieden aufzubauen

 

1. »Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt« (Jes 52,7)

Die Worte des Propheten Jesaja bringen den Trost zum Ausdruck, das Aufatmen eines verbannten Volkes, das durch Gewalt und Übergriffe am Ende seiner Kräfte und der Würdelosigkeit und dem Tod ausgeliefert war. Über dieses Volk fragte sich der Prophet Baruch: »Warum, Israel, warum lebst du im Gebiet der Feinde, wirst alt in einem fremden Land, bist unrein geworden, den Toten gleich, wurdest gezählt zu denen, die in die Unterwelt hinabsteigen« (3,10-11). Für dieses Volk bedeutete die Ankunft des Friedensboten die Hoffnung auf eine Neugeburt aus den Trümmern der Geschichte, der Beginn einer strahlenden Zukunft.

Auch heute noch bleibt der Weg des Friedens, den der heilige Paul VI. mit dem neuen Namen einer umfassenden Entwicklung bezeichnet hat, leider weit entfernt vom wirklichen Leben vieler Männer und Frauen und folglich von der Menschheitsfamilie, die mittlerweile weltweit vernetzt ist. Trotz der vielfachen Anstrengungen, die auf einen konstruktiven Dialog zwischen den Nationen hinzielen, verstärkt sich der ohrenbetäubende Lärm der Kriege und Konflikte, während sich Krankheiten im Ausmaß von Pandemien verbreiten, sich die Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltschäden verschlimmern, sich das Drama des Hungers und des Durstes verschärft. Zugleich herrscht weiterhin ein Wirtschaftssystem vor, das mehr auf dem Individualismus als auf einer solidarischen Teilhabe beruht. Wie zu den Zeiten der antiken Propheten, hört auch heute die Klage der Armen wie die der Erde nicht auf, sich zu erheben, um Gerechtigkeit und Frieden zu erflehen.

In jedem Zeitalter war der Frieden zugleich Gabe aus der Höhe und Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung. Es gibt in der Tat eine „Architektur“ des Friedens, in der verschiedene gesellschaftliche Einrichtungen einen Beitrag leisten, und es gibt ein „Handwerk“ des Friedens, das jeden von uns in erster Person miteinbezieht. Alle können zusammenarbeiten, um eine friedvollere Welt aufzubauen: angefangen vom eigenen Herzen und von den Beziehungen in der Familie, in der Gesellschaft und mit der Umwelt, bis zu den Beziehungen unter den Völkern und zwischen den Staaten.

Ich möchte hier drei Wege für den Aufbau eines dauerhaften Friedens vorschlagen. Zunächst einmal den Dialog zwischen den Generationen als Grundlage für die Verwirklichung gemeinsamer Pläne. In zweiter Linie die Bildung, als Basis für Freiheit, Verantwortung und Entwicklung. Schließlich die Arbeit für eine vollständige Verwirklichung der Menschenwürde. Es handelt sich um drei unabdingbare Elemente, um »einen Sozialpakt entstehen« zu lassen, ohne den sich jedes Friedensprojekt als ungenügend erweist.

2. Dialog führen unter den Generationen, um den Frieden aufzubauen

In einer Welt, die immer noch von der allzu problemreichen Pandemie in die Zange genommen wird, »versuchen [einige], der Realität zu entfliehen, indem sie sich in die Privatsphäre zurückziehen, andere begegnen ihr mit zerstörerischer Gewalt. Aber zwischen der egoistischen Gleichgültigkeit und dem gewaltsamen Protest gibt es eine Option, die immer möglich ist: den Dialog. Der Dialog zwischen den Generationen«.

Jeder ehrliche Dialog erfordert, auch wenn er von einer angemessenen und positiven Dialektik nicht frei ist, immer ein Grundvertrauen zwischen den Gesprächspartnern. Zu diesem gegenseitigen Vertrauen müssen wir zurückfinden, um es uns wieder anzueignen! Die gegenwärtige Gesundheitskrise hat bei allen das Bewusstsein für die Einsamkeit und für das In-sich-Kehren verstärkt. Zur Einsamkeit der älteren Menschen gesellt sich bei den Jugendlichen das Bewusstsein der Ohnmacht und des Fehlens einer gemeinsamen Zukunftsperspektive. Eine solche Krise ist gewiss schmerzlich. In ihr kann sich aber auch das Beste im Menschen zeigen. In der Tat haben wir während der Pandemie überall auf der Welt großartige Zeugnisse des Mitgefühls, des Teilens und der Solidarität festgestellt.

Dialog führen bedeutet anhören, sich auseinandersetzen, übereinkommen und miteinander vorangehen. Dies alles unter den Generationen zu fördern heißt, das harte und unfruchtbare Erdreich des Konflikts aufzulockern, um die Samen eines dauerhaften und gemeinsam vertretenen Friedens zu kultivieren.

Während der technische und wirtschaftliche Fortschritt die Generationen oft einander entfremdet hat, zeigen die gegenwärtigen Krisen die Notwendigkeit ihres Zusammenspiels. Einerseits brauchen die jungen Menschen die Lebens-, die Weisheits- und die geistliche Erfahrung der Älteren; andererseits haben die Älteren die Unterstützung, die Zuneigung, die Kreativität und die Dynamik der Jungen nötig.

Die großen gesellschaftlichen Herausforderungen und die Prozesse der Befriedung kommen nicht ohne den Dialog zwischen den Hütern des Gedächtnisses – den älteren Menschen – und denjenigen, die die Geschichte voranbringen, – der Jugend – aus. Ebenso braucht es die Bereitschaft eines jeden, dem anderen Raum zu geben. Keiner darf sich anmaßen, die gesamte Szenerie abzudecken, indem man die eigenen unmittelbaren Interessen verfolgt, als ob es weder Vergangenheit noch Zukunft gäbe. Die globale Krise, die wir erleben, zeigt uns in der Begegnung und im Dialog zwischen den Generationen die treibende Kraft einer gesunden Politik, die sich nicht damit zufrieden gibt, das Vorhandene »durch Zusammenflicken oder bloße schnelle Gelegenheitslösungen« zu meistern, sondern sich bei der Erarbeitung von gemeinsamen und nachhaltigen Projekten als eine wertvolle Form der Nächstenliebe äußert.

Wenn wir es schaffen, bei den anstehenden Problemen diesen generationsübergreifenden Dialog auszuführen, »werden wir gut in der Gegenwart verwurzelt sein können. Aus dieser Position heraus werden wir in der Lage sein, mit der Vergangenheit und der Zukunft im Austausch zu stehen: mit der Vergangenheit, um von der Geschichte zu lernen und die Wunden zu heilen, die uns zuweilen beeinträchtigen; mit der Zukunft, um den Enthusiasmus zu nähren, die Träume aufsprießen zu lassen, prophetische Visionen zu erwecken, Hoffnungen blühen zu lassen. Auf diese Weise werden wir vereint voneinander lernen«. Wie könnten sonst die Bäume ohne die Wurzeln wachsen und Früchte tragen?

Es genügt, an das Thema der Sorge um unser gemeinsames Haus zu denken. In der Tat ist die Umwelt selbst »eine Leihgabe, die jede Generation empfängt und an die nächste Generation weitergeben muss«. Deshalb müssen die vielen jungen Menschen gewürdigt und ermutigt werden, die sich für eine gerechtere Welt einsetzen; eine Welt, die auf die Bewahrung der Schöpfung, die unserer Obhut anvertraut ist, achtet. Sie tun dies mit Unruhe und Begeisterung sowie vor allem mit einem Sinn für Verantwortung im Hinblick auf einen dringenden Kurswechsel, den die Schwierigkeiten verlangen, die aus der heutigen ethischen und sozio-ökologischen Krise entstanden sind.

Im Übrigen kann die Möglichkeit, gemeinsam Wege des Friedens aufzubauen, nicht von der Erziehung und der Arbeit absehen. Diese sind bevorzugte Orte und Begegnungsstätten des generationenübergreifenden Dialogs. Die Erziehung liefert die Grammatik des Dialogs zwischen den Generationen, und die Arbeitswelt führt Männer und Frauen verschiedener Generationen zusammen, wo sie zusammenarbeiten und ihr Wissen, ihre Erfahrungen wie auch ihre Befähigungen für das Gemeinwohl weitergeben.

3. Bildung und Erziehung als Motor des Friedens

In den letzten Jahren sind die Haushaltsmittel für Bildung und Erziehung, die eher als Ausgaben denn als Investitionen betrachtet werden, weltweit erheblich zurückgegangen. Sie sind jedoch die Hauptträger der ganzheitlichen menschlichen Entwicklung: Sie machen den Menschen freier und verantwortungsbewusster und sind für die Verteidigung und Förderung des Friedens unverzichtbar. Mit anderen Worten: Bildung und Erziehung sind die Grundlagen einer eng zusammenstehenden, zivilisierten Gesellschaft, die in der Lage ist, Hoffnung, Wohlstand und Fortschritt zu schaffen.

Die Militärausgaben hingegen sind über das Niveau zum Ende des „Kalten Krieges“ gestiegen und werden voraussichtlich weiter exorbitant zunehmen.

Es ist daher dringend notwendig, dass die Verantwortlichen in der Regierung eine Wirtschaftspolitik entwickeln, die das Verhältnis zwischen öffentlichen Investitionen in die Bildung und den für die Rüstung bereitgestellten Mitteln umkehrt. Darüber hinaus kann die Fortsetzung eines echten internationalen Abrüstungsprozesses für die Entwicklung der Völker und Nationen nur von großem Nutzen sein, da dadurch finanzielle Ressourcen frei werden, die in geeigneterer Weise für das Gesundheitswesen, die Schulen, die Infrastruktur, den Umweltschutz usw. eingesetzt werden können.

Ich hoffe, dass die Investitionen in die Bildung mit einem stärkeren Engagement für die Förderung der Kultur der Achtsamkeit einhergehen werden. Sie kann angesichts der Brüche in der Gesellschaft und der Untätigkeit der Institutionen zu einer gemeinsamen Sprache werden, die Barrieren niederreißt und Brücken baut. »Ein Land wächst, wenn seine verschiedenen kulturellen Reichtümer konstruktiv in Dialog miteinander stehen: die Volkskultur, die Universitätskultur, die Jugendkultur, die Kultur der Kunst und die Kultur der Technik, die Wirtschaftskultur und die Familienkultur sowie die Medienkultur«. Es ist daher notwendig, ein neues kulturelles Paradigma zu schmieden, und zwar durch »einen globalen Bildungspakt für und mit den jüngeren Generationen […], der Familien, Gemeinschaften, Schulen und Universitäten, Institutionen, Religionen, Regierende, ja, die gesamte Menschheit dazu verpflichtet, reife Menschen heranzubilden«. Ein Pakt, der die Erziehung zur ganzheitlichen Ökologie nach einem kulturellen Modell des Friedens, der Entwicklung und der Nachhaltigkeit fördern soll, in dessen Mittelpunkt die Geschwisterlichkeit und das Miteinander zwischen Mensch und Umwelt stehen.

Die Investition in die Bildung und Erziehung der jüngeren Generationen ist der Hauptweg, um sie durch eine gezielte Ausbildung dazu zu befähigen, einen angemessenen Platz in der Arbeitswelt einzunehmen.

4. Schaffung und Sicherung von Arbeit ist friedensstiftend

Arbeit ist ein unverzichtbarer Faktor für den Aufbau und die Erhaltung des Friedens. Sie ist Ausdruck der eigenen Person und der eigenen Fähigkeiten, aber auch Einsatz, Mühe, Zusammenarbeit mit anderen, denn man arbeitet immer mit oder für jemand anderen. In dieser eindeutig sozialen Perspektive ist die Arbeit der Ort, an dem wir lernen, unseren Beitrag zu einer lebenswerteren und schöneren Welt zu leisten.

Die Covid-19-Pandemie hat die Situation in der Arbeitswelt noch erschwert, die bereits mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert war. Millionen von wirtschaftlichen und produktiven Unternehmen sind in Konkurs gegangen; die Zeitarbeiter sind zunehmend gefährdet; viele derjenigen, die wesentliche Dienstleistungen erbringen, sind noch mehr aus dem öffentlichen und politischen Bewusstsein verschwunden; Fernunterricht hat in vielen Fällen zu einem Rückschritt beim Lernen und in der Schullaufbahn geführt. Darüber hinaus sind heute die Aussichten für junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, und für Erwachsene, die in die Arbeitslosigkeit geraten sind, dramatisch.

Die Auswirkungen der Krise auf die informelle Wirtschaft, die oftmals Migranten als Arbeiter beschäftigt, waren besonders verheerend. Viele von ihnen werden von den nationalen Gesetzen nicht anerkannt, so als ob es sie nicht gäbe; sie leben unter sehr prekären Bedingungen für sich und ihre Familien, sind verschiedenen Formen der Sklaverei ausgesetzt und haben kein Sozialsystem, das sie schützt. Hinzu kommt, dass derzeit nur ein Drittel der Weltbevölkerung im erwerbsfähigen Alter über ein Sozialschutzsystem verfügt oder nur in begrenztem Umfang davon Gebrauch machen kann. In vielen Ländern sind Gewalt und organisierte Kriminalität auf dem Vormarsch und schränken die Freiheit und Würde der Menschen ein, vergiften die Wirtschaft und verhindern die Entwicklung des Gemeinwohls. Die Antwort auf diese Situation kann nur in einer Ausweitung der Möglichkeiten für menschenwürdige Arbeit liegen.

Arbeit ist in der Tat die Grundlage, auf der Gerechtigkeit und Solidarität in jeder Gemeinschaft aufgebaut werden können. Aus diesem Grund darf man »nicht danach trachten, dass der technologische Fortschritt immer mehr die menschliche Arbeit verdränge, womit die Menschheit sich selbst schädigen würde. Die Arbeit ist eine Notwendigkeit, sie ist Teil des Sinns des Lebens auf dieser Erde, Weg der Reifung, der menschlichen Entwicklung und der persönlichen Verwirklichung«. Wir müssen unsere Ideen und Bemühungen bündeln, um die Bedingungen zu schaffen und Lösungen zu finden, damit jeder Mensch im erwerbsfähigen Alter die Möglichkeit hat, durch seine Arbeit zum Leben der Familie und der Gesellschaft beizutragen.

Es ist dringender denn je, weltweit annehmbare und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu fördern, die sich am Gemeinwohl und an der Bewahrung der Schöpfung orientieren. Es ist notwendig, die Freiheit der unternehmerischen Initiativen zu gewährleisten und zu unterstützen und gleichzeitig einen erneuerten sozialen Verantwortungssinn zu fördern, damit der Gewinn nicht das einzige Leitkriterium sei.

In dieser Hinsicht sollten Initiativen angeregt, begrüßt und unterstützt werden, die auf allen Ebenen die Unternehmen zur Achtung der grundlegenden Menschenrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer drängen und dafür nicht nur die Institutionen, sondern auch die Verbraucher, die Zivilgesellschaft und die Betriebswelt sensibilisieren. Je bewusster diese Unternehmen sich ihrer sozialen Rolle sind, desto mehr werden sie zu Orten, an denen die Menschenwürde gelebt wird, und tragen so ihrerseits zum Aufbau des Friedens bei. Diesbezüglich ist die Politik gefordert, eine aktive Rolle zu spielen und ein ausgewogenes Verhältnis zwischen wirtschaftlicher Freiheit und sozialer Gerechtigkeit zu fördern. Und alle, die sich in diesem Bereich engagieren, angefangen bei den katholischen Arbeitnehmern und Unternehmern, können in der Soziallehre der Kirche sichere Orientierungspunkte finden.

Liebe Brüder und Schwestern! Während wir bestrebt sind, unsere Anstrengungen zur Überwindung der Pandemie zu bündeln, möchte ich meinen Dank an all diejenigen erneuern, die sich mit Großzügigkeit und Verantwortungsbewusstsein für Bildung, Sicherheit und den Schutz der Rechte eingesetzt haben und weiterhin einsetzen, um die medizinische Versorgung zu gewährleisten, die Zusammenführung von Familienmitgliedern und Kranken zu erleichtern und die wirtschaftliche Unterstützung der Bedürftigen oder derjenigen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, sicherzustellen. Und ich versichere mein Gebetsgedenken für alle Opfer und ihre Familien.

Ich appelliere an die Regierenden und die Verantwortungsträger in Politik und Gesellschaft, an die Hirten und die Mitarbeiter der kirchlichen Gemeinschaften sowie an alle Männer und Frauen guten Willens, gemeinsam diese drei Wege zu beschreiten: Dialog zwischen den Generationen, Bildung und Arbeit. Mit Mut und Kreativität. Und möge es immer mehr Menschen geben, die in aller Stille, Demut und Beharrlichkeit Tag für Tag zu Handwerkern des Friedens werden. Und möge der Segen des Gottes des Friedens ihnen stets vorangehen und sie begleiten!

Aus dem Vatikan, am 8. Dezember 2021, Hochfest der ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau Maria -

Franziskus

Sämtliche Wortmeldungen des Heiligen Vaters werden auf der offiziellen Internetseite des Vatikan aufgeführt.

 

„Dialog zwischen den Generationen“

Bischof Meier zur Botschaft von Papst Franziskus zum Welttag des Friedens am 1. Januar 2022

Der 55. Weltfriedenstag am 1. Januar 2022 wurde von Papst Franziskus unter das Motto „Dialog zwischen den Generationen, Erziehung und Arbeit: Werkzeuge, um einen dauerhaften Frieden aufzubauen“ gestellt. Dazu erklärte Bischof Dr. Bertram Meier (Augsburg), Vorsitzender der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz:

„Die täglichen Nachrichten zeigen überdeutlich, dass der Friede, erst recht ein gesicherter und dauerhafter Friede, in weiter Ferne ist. Das gilt für viele Orte der Welt, auch für Europa: Die Ukraine-Krise lässt uns befürchten, dass es in der Nachbarschaft zu einem Krieg kommen könnte. Aber auch in den scheinbar saturierten Gesellschaften des Westens wachsen Unruhe und Polarisierung. Mancherorts macht sich Feindseligkeit breit. Der Zusammenhalt bröckelt, scharfe Auseinandersetzungen zeichnen sich ab.

In seiner Botschaft zum Weltfriedenstag 2022 bedenkt Papst Franziskus die Konfliktsituationen unserer Zeit, verharrt aber nicht an der Oberfläche, sondern spürt ihren Tiefendimensionen nach. Er weitet die Perspektive und zeigt Wege auf, wie Gewaltverhältnisse ausgetrocknet und krisenhafte Zuspitzungen vermieden werden, wie Staaten und Gesellschaften Frieden finden können. Er erinnert daran, dass ‚Frieden zugleich Gabe aus der Höhe und Ergebnis einer gemeinsamen Anstrengung‘ ist.

In der Begegnung der Generationen zeigt sich in besonderer Weise die Fähigkeit der Menschen, zusammenzuarbeiten und gemeinsam Lösungen zu finden. ‚Dialog führen bedeutet anhören, sich auseinandersetzen, übereinkommen und miteinander vorangehen‘, schreibt der Heilige Vater. Wir sind aufgefordert, in einen die Generationen übergreifenden Austausch zu treten, ‚um von der Geschichte zu lernen und die Wunden zu heilen, die uns zuweilen beeinträchtigen‘. Solidarität darf nicht nur denjenigen gelten, die durch gleiche Interessen und Herausforderungen verbunden sind. Sie übersteigt die eigene Gruppe und wird wahrhaft universal, indem sie zeitliche Grenzen überwindet. Wie ein Einsatz für das Gemeinwohl auch die künftigen Generationen einbeziehen muss, so ist Frieden nur auf Dauer möglich, wenn er die Lebenschancen der kommenden Generationen mitbedenkt.

Der Papst lenkt sodann den Blick auf die Bedeutung von Bildung, Erziehung und Arbeit als ‚bevorzugte Orte und Begegnungsstätten des generationenübergreifenden Dialogs‘. Bildung und Erziehung sind unverzichtbar, um im komplexen Alltag unserer Gegenwart zu bestehen. Investitionen in eine gute Bildung sind aber auch Voraussetzung, um ein tieferes Verständnis für Prozesse des Friedens zu entwickeln.

Dennoch sind die staatlichen Ausgaben für Bildung und Erziehung in den vergangenen Jahren zurückgegangen, wie Papst Franziskus beklagt. Stattdessen wird an der Rüstungsspirale gedreht, die Ausgaben für Militärgüter schnellen in die Höhe. Eine Friedensdividende, die sich nicht wenige vom Ende der Blockkonfrontation im ‚Kalten Krieg‘ erhofft hatten, ist schon lange nicht mehr auszumachen. Der Papst plädiert deshalb mit großer Entschiedenheit dafür, Abrüstungsverhandlungen erneut auf die internationale Agenda zu setzen, um Rüstungsausgaben zu senken und größere Investitionen in eine gute Zukunft, in Bildung, Erziehung, aber auch in klimagerechte Politik und weltweite Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Wenn Franziskus die Bildung anspricht, dann meint er weit mehr als den Erwerb von Wissen und technischen Fertigkeiten. Er setzt auf eine Bildung der Persönlichkeit und auf ‚die Entwicklung solidarischer Haltungen, die Fähigkeit, das menschliche Leben ganzheitlicher zu begreifen‘. Diese Herzensbildung ist notwendig, ‚um den menschlichen Beziehungen Qualität zu verleihen, damit die Gesellschaft selbst auf ihre Ungerechtigkeiten, Verirrungen sowie Machtmissbräuche in wirtschaftlichen, technologischen, politischen und medialen Bereichen reagieren kann‘, wie Franziskus bereits in seiner viel beachteten Enzyklika Fratelli tutti herausgestellt hat (vgl. ebd., 161).

Papst Franziskus erinnert auch an die verheerenden Auswirkungen der Pandemie für die Menschen, die in der informellen Wirtschaft arbeiten. Arme und Tagelöhner weltweit haben durch die Pandemie Einkommen und Lebensgrundlagen verloren. Es ist ‚dringender denn je, weltweit annehmbare und menschenwürdige Arbeitsbedingungen zu fördern, die sich am Gemeinwohl und an der Bewahrung der Schöpfung orientieren‘.

In seiner Botschaft entfaltet der Heilige Vater die Grundüberzeugung, dass auch angesichts von Leid, Ängsten und Ungerechtigkeiten im Licht des Evangeliums immer ein Friedenshorizont aufscheint. Gelebte Solidarität und ein weites Herz sollen unsere Antwort auf den Frieden als Gabe des Himmels sein. Papst Franziskus nimmt zugleich die Regierenden in die Verantwortung, gegen Ungleichheit und Ungerechtigkeit anzugehen und geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, die die menschliche Entwicklung fördern. Bildung, Erziehung und gute Arbeit sind Bausteine einer ‚Architektur des Friedens‘, die von uns nur in gemeinsamer Anstrengung und durch die Gnade Gottes errichtet werden kann.“

Die Botschaft von Papst Franziskus ist auf www.dbk.de unter Papstbotschaften verfügbar. Weitere Informationen zum Weltfriedenstag auf der Themenseite unter www.dbk.de/themen/welttag-des-friedens.

Samstag, 01.01.2022