KI-Gottesdienst beim DEKT: So lief er ab

von Achim Stadelmaier

Sonntag, 25.06.2023

Kirchentagsbesucher schauen auf eine Videoleinwand
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Mehr als 400 Besucher verfolgten beim Kirchentag einen Gottesdienst, der von der künstlichen Intelligenz ChatGPT gestaltet worden war – einschließlich Musik, Predigt und Schlusssegen. (Foto: kirchentag.de/Screenshot)

"Alexa, starte den Gottesdienst" – unter diesem Motto stand am 9.6.2023 beim Deutschen Evangelischen Kirchentag (DEKT) eine Veranstaltung in der Fürther St. Paul-Kirche: Ein Gottesdienst, der zu 98% von einer künstlichen Intelligenz (KI) gestaltet wurde.

Mit gut 400 Besuchern war die Kirche bis auf den letzten Platz gefüllt, als der Wiener Theologe und KI-Künstler Jonas Simmerlein an Mikro trat und eine kurze Einführung in den bevorstehenden Gottesdienst gab: „Künstliche Intelligenz wird in unserem Leben eine immer größere Rolle spielen und tut es auch jetzt schon. Und ich habe mich gefragt: Was macht es denn mit UNS, wenn wir künstliche Intelligenz in so einen ganz typisch menschlichen Vollzug hineinlassen? Ist es möglich, da Resonanz zu erfahren? Ist es möglich, spirituelle Erfahrungen mit künstlicher Intelligenz zu machen, oder sagen wir: Das ist mir vollkommen gleichgültig, was da passiert.“

Simmerlein hatte den Gottesdienst, der als vorproduziertes Video auf einer Großleinwand zu sehen war, von der künstlichen Intelligenz ChatGPT gestalten lassen. Den Besuchern erklärte er vorab: „Etwa 98% dessen, was Sie dort sehen werden, kommt von der Maschine. Ich habe ganz wenig eingegriffen. Ich habe [ChatGPT] gesagt: Wir sind beim Kirchentag 2023 in Nürnberg und Fürth, und Du bist eine Predigerin, und das Motto ist »Jetzt ist die Zeit«. Viel mehr hab ich gar nicht eingegeben, und daraus folgte alles Weitere. (…) Dort vorne werden Sie Menschen sehen, die sind aber per Algorithmus – man könnte sagen: so programmiert – dass sie das, was ich ihnen über ChatGPT habe zukommen lassen, jetzt artikulieren und auch personifizieren.“

Vor dem Start lud Simmerlein das Publikum ein, den Gottesdienst möglichst aktiv mitzufeiern, also zum Beispiel das Vaterunser laut mitzubeten oder den Psalm im Wechsel mitzusprechen. Abschließend verwies der Theologe, der zu „KI und Kirche“ forscht, darauf hin, dass alle Besucher nach dem Gottesdienst die Gelegenheit zu einer schriftlichen Rückmeldung hätten: „Wie ist es, wenn ich jetzt mit der Maschine bete, Psalmen spreche, mich auch von ihr segnen lasse?“ Zu diesen und anderen Fragen hatte Simmerlein einen Fragebogen vorbereitet und versprach den Zuhörern, die Ergebnisse in einem ersten Paper zu veröffentlichen: „Es wird wahrscheinlich selten so viele Leute geben, die sich dazu äußern werden – das heißt, Sie werden vermutlich maßgeblich dazu beitragen, wie die Wissenschafts-Community über KI-Gottesdienste denkt.“

Der komplette KI-Gottesdienst ist unter https://www.kirchentag.de/programm/pgd/programmsuche#session/380352101/V.DIG-003 abrufbar, er startet ab Minute 17:45. Impressionen aus dem KI-Gottesdienst liefert außerdem ein knapp 70sekündiges Video, das der Kirchentag auf seiner Internetseite bereitgestellt hat. Dort ist auch eine Pressemitteilung hinterlegt, die den Verlauf des Gottesdienstes kurz zusammenfasst: „Gab es an einzelnen Passagen der KI-Texte auch Gelächter oder Raunen aus dem vollbesetzten Publikum, so war die Gottesdienst-Erfahrung doch spürbar. Ganz ohne Aufforderung standen die Teilnehmenden zum Glaubensbekenntnis und zum Segen auf und sprachen auch Gebete und Psalmen mit, soweit sie der Sprechgeschwindigkeit der KI folgen konnten. Zum Segen gab es murrendes Gemurmel angesichts der KI-Avatare, die etwa bis zur Taille auf der Leinwand abgebildet waren und die Arme stets nach unten hielten.“ »Ich hätte schon erwartet, dass sie zum Segen die Hände hebt«, wird ein Teilnehmer dort zitiert.

Bereits am 6. März 2023 hat der Bayrische Rundfunk einen Beitrag zum Thema „KI in der Kirche“ ausgestrahlt, in der der Frage nachgegangen wurde: „Kann ChatGPT eine gute Predigt schreiben und den Menschen ersetzen?“. Pfarrer Stefan Seidelmann hat sich auf dieses Experiment eingelassen und das Ergebnis anschließend sogar in seinem Gottesdienst eingesetzt. Der gut vierminütige Beitrag ist bei YouTube abrufbar.  Wie KI die Arbeitswelt der Kreativbranche verändert, zeigt eine andere Sendung mit dem Titel „Kollegin KI übernimmt“, die in der 3sat-Mediathek abrufbar ist. Ebenfalls in der 3sat-Mediathek ist ein NANO-Spezial mit dem Titel „Die KI erwacht“ abrufbar. Hier wird gefragt: „Was bedeutet es für uns, wenn die Künstliche Intelligenz erwacht? Wie mächtig, wie gefährlich können solche Systeme werden? Und darf man überhaupt etwas erschaffen, das leidensfähig ist?“. Mehr unter https://www.3sat.de/wissen/nano/230609-sendung-spezial-die-ki-erwacht-nano-100.html 

Was ChatGPT als künstliche Intelligenz zu leisten imstande ist, zeigt ein Beitrag vom 2. Mai 2023 aus der Nachrichtensendung „Heute-Journal“: Moderator Christian Sievers spricht in einem Interview mit »Jenny«, einem Avatar, dessen Antworten ChatGPT generiert hat.

Sonntag, 25.06.2023