Jobcenter lassen HartzIV-Empfänger oft allein

von Manfred Rütten

Sonntag, 21.01.2018

Eingang eines Arbeitsamtes
Beitrag anhören

Die Arbeitsagenturen und Jobcenter kümmern sich aktuell um bundesweit rund sechs Millionen Hartz IV-Bezieher.

Wenn man sich als Antragssteller durch sämtliche Hartz IV-Formulare durchgearbeitet hat, kann es sein, dass man am Ende trotzdem nicht das bekommt, was einem zusteht. Denn die Hälfte aller Hartz IV-Bescheide ist fehlerhaft.

Zu den Gründen sagt Christoph Eikenbusch vom Caritasverband für das Erzbistum Paderborn: "Der Antrag ist heute so komplex, das viele damit überfordert sind." Dabei sei der Urgedanke bei der Einführung von Hartz IV genau ein anderer gewesen: Das Verfahren sollte einfacher werden, die "Klienten" sollten Hilfe aus einer Hand bekommen. Im Laufe der Jahre seien dann aber Gesetzeslücken geschlossen worden und neue Leistungen hinzugekommen. Dadurch sei das Verfahren mittlerweile so komplex, "dass selbst erfahrene Sozialarbeiter Schwierigkeiten haben, das auszufüllen", sagt Eikenbusch.

Allein der Hauptantrag für Hartz IV hat sechs Seiten. Hinzu kommen noch die Formulare für die Angaben zu den Kindern, zur Wohnung und zum eigenen Einkommen – das sind insgesamt weitere acht Seiten. Genauso umfangreich ist auch eine Anleitung, die beim Ausfüllen des Hauptantrags helfen soll. Doch die ist im Behördendeutsch gehalten und deshalb für viele Antragsteller keine echte Unterstützung.

Die gibt es oft genug auch nicht durch die Mitarbeiter im Jobcenter, sagt Christoph Eikenbusch von der Caritas: "Es gibt einige Bereiche, wo wir mit großer Sorge festgestellt haben, dass Jobcenter nur noch Adressen von Beratungsstellen rausgeben, wo sie also sich überfordert fühlen, selber Beratung anzubieten und das an die Wohlfahrtspflege abgeben." Das aber sei unzulässig und mindere die Leistungsansprüche der Ratsuchenden durch Zeitversäumnisse.

Die komplizierten Formulare und die mangelhafte Beratung durch die Jobcenter führen dazu, dass Anträge unvollständig abgegeben werden oder ungenaue Angaben enthalten. Weil es zwischen den Sachbearbeitern und den Ratsuchenden "kaum noch Kontakte untereinander" gebe, werde "nicht mehr so individuell auf die Lebensverhältnisse der Menschen" eingegangen, so Eikenbusch: "Wenn Dinge unklar sind, gibt´s keine Rückfrage, sondern es erfolgt eine Entscheidung" nach Aktenlage. Und die sei oft genug falsch.

Beratung bräuchten die Antragsteller auch bei der Frage, ob ihnen neben den Hartz IV-Zahlungen noch weitere Leistungen zustehen. Diese müssen oft separat beantragt werden, sagt Christoph Eikenbusch. Erschwerend komme hinzu, dass die Gesetzeslage nicht immer eindeutig sei: "Gerade beim Bildungs- und Teilhabegesetz ist immer die Frage, welche Leistung gehört in den Bereich SGB II - also Hartz 4 - und was gehört zum Bildungs- und Teilhabegesetz. Da haben wir konkrete Beispiele von Eltern, die sagen: »Da blicken wir nicht mehr durch«.

Leidtragende sind hier am Ende diejenigen, für die die Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabegesetz eigentlich gedacht sind. Es soll Kindern aus finanzschwachen Familien u.a. die Teilnahme an Schulausflügen und mehrtägigen Klassenfahrten oder an einem Nachhilfeunterricht ermöglichen. Doch das Personal in den Offenen Ganztagsschulen sei schon rein zeitlich nicht in der Lage, den Eltern bei der Antragsstellung zu helfen, so Eikenbusch. "Und so bleiben dann Anträge liegen, die an und für sich gute Aussichten auf Erfolg hätten."

Sonntag, 21.01.2018