Kürzung humanitärer Hilfe bedeutet den Tod
Sonntag, 17.08.2025

Zur humanitären Hilfe gehört u.a. die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln. Das Bild zeigt Menschen im kriegsgeschüttelten Sudan, die auf eine warme Mahlzeit warten. (Foto: Diakonie Katastrophenhilfe)
Mit dem Internationalen Tag der humanitären Hilfe am 19. August erinnern die Vereinten Nationen seit 2009 an die mutigen Männer und Frauen, die auf der ganzen Welt als humanitäre Helfer in Kriegs- und Katastrophengebieten im Einsatz sind.
Das Datum geht zurück auf einen Anschlag am 19.08.2003 in Bagdad, bei dem im dortigen UN-Hauptquartier 22 Menschen ums Leben kamen. Ein Blick auf aktuelle Zahlen zeigt: Humanitäre Helfer leben gefährlich. Wie die Wochenzeitung DIE ZEIT berichtet, wurden zwischen Januar und November 2024 weltweit 281 humanitäre Helfer*innen getötet. Das sei die höchste Zahl seit Beginn der Erhebung in den 1990er-Jahren. Die meisten Helfer - mindestens 178 – starben Berichten zufolge im Gaza-Streifen, gefolgt von 25 Todesfällen im Sudan und 11 in der Ukraine.
Ebenfalls rekordverdächtig ist die Zahl der Menschen, die auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Dazu heißt es in einer Pressemitteilung der damaligen Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe vom 19. August 2024: „363 Millionen Menschen sind weltweit auf humanitäre Hilfe angewiesen – jährlich steigt die Anzahl der Menschen, die ohne humanitäre Hilfe nicht mehr überleben können.“ Als humanitäre Helfer gelten nicht nur Ärzte und Krankenschwestern, sondern auch Lehrer, Fahrer, Ingenieure, Logistiker und viele andere Spezialisten aus unterschiedlichsten Bereichen. Mehr Infos zum Welttag der humanitären Hilfe hier.
Aktuell ist vor allem die humanitäre Lage im Gaza-Streifen im Fokus der Öffentlichkeit und zugleich auch besonders herausfordernd. So gut wie alle zwei Millionen der hier lebenden Palästinenser sind auf Hilfslieferungen mit Nahrung, Wasser, Medikamenten, Hygieneartikeln und Unterkünften angewiesen. Durch die israelische Politik, die internationale Hilfe wochenlang verhindert hat, sind Hunderttausende Menschen vom Hungertod bedroht.
Das International Rescue Committee veröffentlichte im Dezember 2024 eine Liste mit zehn Krisenregionen, die die Welt 2025 nicht ignorieren darf und in denen dringend humanitäre Hilfe benötigt wird. Diese sind Somalia, Mali, Haiti, Burkina Faso, Libanon, Südsudan, Syrien, Myanmar, Sudan und natürlich der Gaza-Streifen. In diesen zehn Ländern seien 82% der Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Obwohl der weltweite Bedarf groß ist, haben sich wichtige Geberländer aus der Finanzierung der humanitären Hilfe zurückgezogen bzw. ihre Etats gekürzt.
Vor allem die Kürzungen der Trump-Regierung dürften katastrophale Folgen haben. Die USA - das weltweit bisher stärkste Geberland – streicht die Gelder für humanitäre Hilfen um 40 Milliarden Dollar zusammen, das US-Außenministerium hat mehr als 10.000 Programme und Verträge für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit gekündigt, und die US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID), die eine wichtige Rolle bei der Entwicklungszusammenarbeit spielte, wurde ebenfalls stark reduziert und steht vor seiner Auflösung. Über 13.000 Mitarbeiter wurden entlassen. Einer Studie zufolge könnten die drastischen Kürzungen in der US-Entwicklungshilfe in den nächsten fünf Jahren zu mehr als 14 Millionen zusätzlichen Todesfällen führen. 4,5 Millionen davon könnten Kinder unter fünf Jahren sein
Die Wochenzeitung DIE ZEIT schreibt am 16. Juni 2025, dass die Nothilfeorganisation der Vereinten Nationen im laufenden Jahr 2025 bisher nur rund 4,8 Milliarden Euro an Hilfsgeldern von der internationalen Gemeinschaft erhalten habe. Geplant habe man mit rund 38 Milliarden Euro. Die UN seien deshalb „gezwungen, ihre humanitäre Hilfe zu reduzieren. »Brutale Kürzungen stellen uns vor brutale Entscheidungen«, sagte UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher. In einem »extrem dringenden« Aufruf bat er um 25 Milliarden Euro an Mitteln.“
Laut Kabinettsbeschluss und dem Haushaltsentwurf für 2025 will auch die Bundesrepublik als weltweit zweitgrößter Geber ihre Ausgaben für humanitäre Hilfen zurückfahren. Betrugen die Gesamtausgaben für humanitäre Hilfe im Jahr 2023 noch 2,2 Milliarden Euro, sollen sie für 2025 auf gut eine Milliarde sinken (-53%). Der Generalsekretär der Hilfsorganisation HELP e.V., Dr. Thorsten Klose-Zuber, schildert die Folgen dieser Politik: „Im Südsudan mussten wir jetzt ein Projekt einstellen. Das hatte zum Ziel, 70.000 unterernährte Kinder zu erreichen. Das können wir jetzt nicht mehr tun. Und das bedeutet, dass wahrscheinlich ein Großteil dieser Kinder im schlimmsten Fall verhungern wird.“
Die geplanten Kürzungen betreffen zum einen das Auswärtige Amt (AA) und dessen Etat. Seit 1968 koordiniert das AA die humanitären Hilfe für das Ausland. Dagegen werden die Gelder für Entwicklungszusammenarbeit vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) verwaltet. Doch auch dieser Etat soll um rund eine Milliarde Euro zusammengestrichen werden. Das traurige Fazit von Dr. Thorsten Klose-Zuber lautet: „Die finanziellen Ausfälle in der humanitären Hilfe lassen sich nicht komplett kompensieren. Diese Kürzungen werden Millionen von Menschen das Leben kosten.“
Auf der Jahres-Pressekonferenz der Diakonie Katastrophenhilfe am 7. August 2025 in Berlin zog auch deren Präsidentin Dagmar Pruin eine alarmierende Bilanz: „Bomben auf Kranken- und Wohnhäuser, Angriffe gegen Hilfsorganisationen und gleichzeitig radikale Kürzungen bei der Hilfe für Notleidende: (…) Die Weltgemeinschaft versagt. Menschlichkeit, Hilfe und die Achtung des Humanitären Völkerrechts haben aktuell nicht den nötigen Stellenwert, um Leid, Hunger und Tod zu verhindern.“ Die Angriffe auf zivile Ziele in der Ukraine, der vermeidbare Hunger in Gaza und die Belagerung von Geflüchtetencamps im sudanesischen Darfur seien alarmierende Beispiele für die Normalisierung von Völkerrechtsverstößen, so Pruin weiter: „Das Humanitäre Völkerrecht entstand als zivilisatorische Lehre aus den Gräueln des Zweiten Weltkriegs. Das Recht des Stärkeren darf sich nicht durchsetzen, die Weltgemeinschaft muss die Stärke des Rechts wahren.“