Ev. Jugend feiert queeren Gottesdienst

von Katharina Roß

Sonntag, 11.05.2025

Regenbogenfahne weht vor eier Kirche
Beitrag anhören

Gott liebt die Vielfalt, und für diese Vielfalt steht auch die Regenbogenfahne. (Foto: Ev. Kirchenkreis Wuppertal)

„Guten Abend, meine Damen und Herren und alle dazwischen und außerhalb!“ – so begrüßt ZDF-Entertainer Jan Böhmermann sein Publikum. Auch die evangelische Kirche erkennt mehr und mehr an, dass es unter ihren Mitgliedern mehr als nur zwei Geschlechter gibt.

Genau genommen muss in diesem Zusammenhang allerdings von „geschlechtlichen Identitäten“ gesprochen werden, denn rein biologisch betrachtet gibt es nach wie vor nur zwei Geschlechter, nämlich „männlich“ und „weiblich“ – sonst nichts. Die Webseite von SWR Wissen erklärt die biologische Definition sehr anschaulich: „Sie macht das Geschlecht an der Rolle in der Fortpflanzung fest. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung treffen immer kleine Samenzellen auf wesentlich größere Eizellen. Diejenigen Lebewesen, die die kleinen Samenzellen produzieren, heißen männlich. Und die, die die großen Eizellen produzieren, heißen weiblich. Dabei ist es völlig egal, ob sie den Nachwuchs im Bauch tragen, im Ei ausbrüten oder, wie bei Pflanzen, aus einer Blüte eine Frucht entsteht. Das ist die biologische Definition – nach der gibt es diese zwei Geschlechter und sonst keins.“

Die biologische Definition des Geschlechts hängt also ausschließlich von der Keimzellenproduktion ab – produziert eine Person Eizellen, gilt sie biologisch als weiblich, produziert sie dagegen Samenzellen, ist sie männlich. „Das ist oft, aber eben nicht zwingend identisch mit dem, was wir als »Mann« oder »Frau« bezeichnen“, heißt es auf der SWR-Seite weiter: „Wenn wir im Alltag […] von Männern oder Frauen reden, meinen wir viel mehr damit. Es fängt an bei: Welche Chromosomen hat die Person? Welche Genitalien sind bei ihr ausgeprägt? Hat sie einen Penis oder eine Klitoris?“

Das Geschlecht anhand solcher körperlichen Merkmale zu kategorisieren, greift jedoch zu kurz, denn diese Einteilung ist nicht immer eindeutig: Intergeschlechtliche Menschen („Hermaphrodit“ oder „Zwitter“) etwa werden mit körperlichen Merkmalen geboren, die sich nicht klar einem dieser beiden Geschlechter zuordnen lassen. Das zeigt bereits, dass die Realität komplexer ist als ein einfaches Entweder-oder.

Das sieht auch die SWR-Seite so: „Wenn wir dann noch fragen: Wie verhält sich die Person? Oder eben: Als was fühlt sie sich selbst? – dann reden wir nicht mehr über das biologische Geschlecht – englisch: Sex – sondern über Geschlechter im sozial-kulturellen Kontext, kurz: Gender. Wie viele Geschlechter es im Sinne von »Gender« gibt – darüber zu diskutieren ist ziemlich müßig, weil es sich kaum an eindeutigen objektiven Merkmalen festmachen lässt.“

Im diesem sozial-kulturellen Kontext – also dem, wie wir Geschlecht erleben, ausdrücken und in der Gesellschaft verstehen – ist die Vielfalt sehr groß. Hier spricht man von „geschlechtlichen Identitäten“, also der inneren Selbstwahrnehmung eines Menschen in Bezug auf sein Geschlecht. Diese muss nicht zwingend mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmen. In der LGBTQ+-Bewegung werden viele dieser Identitäten sichtbar gemacht und benannt.

  • Cisgeschlechtlich (cisgender) 

Menschen, deren Geschlechtsidentität mit dem Geschlecht übereinstimmt, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Beispiel: Eine Person, der bei der Geburt „weiblich“ zugewiesen wurde und sich auch als Frau identifiziert.

  • Transgeschlechtlich (transgender) 

Trans Menschen identifizieren sich nicht oder nicht vollständig mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. Beispiel: Eine Person, die bei der Geburt als „männlich“ eingeordnet wurde, sich aber als Frau oder nicht-binär identifiziert.

  • Nicht-binär (non-binary) 

Nicht-binäre Menschen empfinden sich weder ausschließlich als männlich noch als weiblich – oder als etwas dazwischen oder ganz außerhalb dieser Kategorien. Manche benutzen auch Begriffe wie „genderqueer“, „genderfluid“ oder „agender“.

  • Genderfluid 

Diese Identität beschreibt Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht fest ist, sondern sich im Laufe der Zeit verändern kann – etwa zwischen „männlich“, „weiblich“ oder anderen Identitäten hin und her wechselt.

  • Agender 

Agender-Personen empfinden sich als geschlechtslos oder haben keine innere Verbindung zu einem Geschlecht. Sie lehnen oft sowohl männliche als auch weibliche Zuordnungen ab.

  • Bigender 

Menschen, die sich mit zwei Geschlechtern identifizieren – entweder gleichzeitig oder abwechselnd. Diese Identitäten können „männlich“ und „weiblich“ sein, oder auch andere.

  • Intergeschlechtlich

Intergeschlechtlichkeit bezieht sich auf biologische Besonderheiten (z. B. bei Chromosomen, Hormonen oder Genitalien), durch die eine Person nicht klar in das medizinische Schema „männlich/weiblich“ passt. Manche intergeschlechtliche Menschen identifizieren sich auch außerhalb der binären Geschlechterordnung.

  • Two-Spirit (in indigenen Kulturen Nordamerikas) 

Dies ist ein Begriff aus verschiedenen indigenen Kulturen, der Menschen beschreibt, die sowohl männliche als auch weibliche Anteile in sich tragen – spirituell, sozial oder in ihrer Rolle in der Gemeinschaft. Es ist eine kulturell spezifische Identität mit tiefem historischen Hintergrund.

Geschlechtsidentität ist ein vielschichtiges Zusammenspiel aus biologischen, psychologischen, sozialen und kulturellen Faktoren. Die Vielfalt menschlicher Identitäten sprengt das einfache Schwarz-Weiß-Denken von „männlich“ und „weiblich“. Begriffe wie „trans“, „nicht-binär“ oder „agender“ helfen dabei, diese Vielfalt sichtbar zu machen – und tragen zu einer Gesellschaft bei, in der Menschen sich frei und authentisch entfalten können.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat sich in den letzten Jahren zunehmend für eine offene und inklusive Haltung gegenüber der LGBTQ+-Community ausgesprochen, wenngleich es in verschiedenen Landeskirchen unterschiedliche Ausprägungen und Herangehensweisen gibt. Die grundlegende Tendenz geht jedoch in Richtung Akzeptanz und Unterstützung.

  1. Die Haltung der EKD gegenüber LGBTQ+-Menschen

Die EKD hat in ihren offiziellen Stellungnahmen immer wieder betont, dass Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gleichermaßen in der Kirche willkommen sind. Dies gilt sowohl für schwule, lesbische, bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen als auch für nicht-binäre Personen. Ein zentrales Dokument, das die Haltung der EKD beschreibt, ist die „Kirche und Sexualität“-Erklärung aus dem Jahr 2013. Diese stellt fest, dass die evangelische Kirche gleichgeschlechtliche Partnerschaften grundsätzlich nicht verurteilen möchte, auch wenn sie von einer „klassischen“ Eheauffassung ausgeht. Die Diskussion über die kirchliche Segnung gleichgeschlechtlicher Paare wurde in vielen Landeskirchen weitergeführt und führte zu einer differenzierten Haltung.

  1. Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren

In den letzten Jahren hat sich die Praxis der Evangelischen Kirche hinsichtlich der Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren stark verändert. Viele evangelische Landeskirchen – wie die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau, die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz und andere – bieten inzwischen eine kirchliche Segnung für gleichgeschlechtliche Paare an. Diese Segnung ist dabei nicht dasselbe wie eine „Ehe“, sondern wird als religiöse Form der Unterstützung und des Segens verstanden. Einzelne Kirchenkreise und Gemeinden handhaben dies unterschiedlich, je nach den jeweiligen lokalen Überzeugungen und der theologischen Ausrichtung der Gemeinde. Manche Kirchen unterstützen die Ehe für alle in einem vollen, rechtlichen und religiösen Kontext, während andere weiterhin an traditionellen Ehevorstellungen festhalten.

  1. Seelsorge und Unterstützung

Die Evangelische Kirche bietet auch Seelsorge für Menschen aus der LGBTQ+-Community an. Viele Pfarrerinnen und Pfarrer sowie kirchliche Einrichtungen bieten Beratung und Unterstützung an, um Menschen zu helfen, sich mit ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität in einem spirituellen und religiösen Kontext auseinanderzusetzen. In manchen Landeskirchen gibt es spezielle Seelsorgeangebote, die besonders auf die Bedürfnisse von LGBTQ+-Personen zugeschnitten sind.

Beispielsweise gibt es in einigen Regionen Initiativen wie die „Lesben- und Schwulen-Seelsorge“, in denen geschulte Seelsorger*innen speziell auf die Lebensrealitäten von LGBTQ+-Menschen eingehen und ein offenes Ohr bieten.

  1. Kirchen und queere Gemeinschaften: Queere Kirchenangebote

Einige Gemeinden und Kirchen bieten spezifische Angebote und Gottesdienste für LGBTQ+-Menschen. Diese „queeren“ Gottesdienste sind häufig besonders offen und inklusiv und bieten einen Raum, in dem sich Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität angenommen und respektiert fühlen können. Es gibt auch kirchliche Netzwerke, die sich direkt mit den Bedürfnissen von LGBTQ+-Menschen auseinandersetzen, wie z.B. „Queer Church“ oder „Evangelische Kirche und Homosexualität“, die sich mit Themen wie Akzeptanz, Diskriminierung und Identität beschäftigen. Diese Netzwerke setzen sich oft auch aktiv gegen homophobe und diskriminierende Haltungen innerhalb der Kirche ein.

  1. Einbeziehung von Trans-Personen

Die EKD und die evangelische Kirche insgesamt haben auch zunehmend die Bedürfnisse von transgeschlechtlichen Menschen in den Blick genommen. Trans-Personen erhalten in vielen evangelischen Gemeinden Unterstützung, sei es durch Seelsorge oder durch praktische Hilfe, etwa bei der Anpassung von Namen und Pronomen in kirchlichen Prozessen. In vielen Kirchen wird auch eine Sensibilisierung für Trans-Themen gefördert, sodass Gemeinden offener und inklusiver werden.

In einigen Landeskirchen gibt es mittlerweile auch spezielle Programme und Veranstaltungen, die sich gezielt mit den Erfahrungen von transgeschlechtlichen Menschen befassen, z. B. die „Trans*Seelsorge“ in verschiedenen Kirchenkreisen.

  1. Kritik und Herausforderungen

Trotz dieser Fortschritte gibt es immer noch eine gewisse Spannung innerhalb der Evangelischen Kirche bezüglich der vollständigen Akzeptanz von LGBTQ+-Menschen. Einige konservativere Kirchenkreise lehnen die Segnung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften weiterhin ab und betonen eine biblische Ehevorstellung. Hier gibt es also noch Differenzen, die zu Spannungen innerhalb der Kirche führen. Zudem gibt es auch kritische Stimmen, die fordern, dass die evangelische Kirche sich noch stärker für die Rechte von LGBTQ+-Personen einsetzen und nicht nur mit Worten, sondern auch durch konkrete Maßnahmen und umfassende Unterstützung für die Community aktiv werden sollte.

Das Katholische LSBT+ Komitee hat am 25. April 2025 eine Pressemitteilung zum Thema veröffentlicht. Es beruft sich dabei auf einen Beschluss von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholik:innen vom 4. April 2025 und schreibt dazu u.a.: „Die Gemeinsame Konferenz von Bischofskonferenz und Zentralkomitee der deutschen Katholik:innen hat eine Handreichung für Seelsorger:innen veröffentlicht, die praktische Eckpunkte für Segensfeiern gleichgeschlechtlicher Paare definiert. Das Katholische LSBT+ Komitee begrüßt diesen Schritt, mit dem ein langes, hartes innerkirchliches Ringen einen vorläufigen Abschluss findet. Noch im März 2021 hatte der Vatikan Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare kategorisch verboten. Das ist vom Tisch. Rom hat sich bewegt; aus der Ablehnung ist eine Ermöglichung geworden. Was bislang im Verborgenen stattfand, ist nun offiziell erlaubt.

(Text mit KI-Unterstützung erstellt)

Sonntag, 11.05.2025