Xanten: Stadt der Heiligen

von Dr. Christof Beckmann

Montag, 01.11.2021

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Zu Allerheiligen ein Blick auf eine Stadt in NRW, die die Heiligen im Namen trägt: Xanten - mit seinem LVR-Römermuseum, dem Viktorsdom mit dem Gedenkort für die Opfer des Nationalsozialismus. Unter ihnen Karl Leisner, vor 25 Jahren seliggesprochen ...

INFO: 2.003 Tage saß er im Gefängnis: Karl Leisner aus Rees am Niederrhein. Die Nazis steckten ihn ins KZ Dachau, wo es zu einem außergewöhnlichen Ereignis kam: Dort wurde er am 17. Dezember 1944 in aller Heimlichkeit im Konzentrationslager Dachau geweiht. Es sollte seine einzige Messe bleiben. Noch heute besuchen viele Menschen sein Grab in der Krypta des St.Viktor-Doms von Xanten und seinen Nachlass in der Ausstellung des benachbarten Stifts-Museums.

Am 28. Februar 1915 in Rees am Niederrhein geboren und aufgewachsen in Kle­ve, trat Karl Leisner als Gymnasiast der katholischen Jugendbe­we­gung bei. Der begeisterte Jugendleiter machte 1934 Abitur und studierte zunächst in Münster, um Prie­ster zu werden. Als ihn der Bischof von Münster mit dem Amt des Diözesanjung­scharführers betraute, geriet Leisner in das Visier der Gestapo. Seine Außensemester absolvierte er 1936/37 in Freiburg, anschließend den Pflicht­arbeitsdienst. 1939 wurde er zum Diakon ge­weiht. Kurz vor seiner Priesterweihe zwang ihn eine schwere Lungentuberkulose zur Ausheilung in ein Sanatorium in St. Blasien/Schwarzwald. Eine Äu­ßerung zum Attentat von Georg Elser auf Adolf Hitler am 8. November 1939 führte dort am 9. November 1939 zur Ver­haftung. Über Gefängnisse in Freiburg und Mannheim sowie das KZ Sachsenhausen kam er im Dezember 1940 ins KZ Dachau, wo er ab 1942 im Krankenrevier mit bis zu 150 Lungen­kranken zusammengepfercht war. Im dortigen „Pfarrerblock“ waren mehr als 2.700 überwiegend katholische Geistliche aus vielen Nationen inhaftiert, von denen über 1000 starben.

Als im September 1944 der französische Bischof Gabriel Piguet von Clermont ins KZ Dachau eingewiesen wurde, gab es zahlreiche heimliche Vorbereitungen für Leisners bislang nicht mögliche Priesterweihe. Unter Gefahr für alle Beteiligten weihte Bischof Piguet am 17. Dezember 1944 den schwer­kranken Dia­kon im Block 26 zum Priester, seine erste und einzige heilige Messe feierte der Neu­priester am Stepha­nustag, dem 26. Dezember 1944. Am 4. Mai 1945 wurde er aus dem KZ befreit und verbrachte die letzten Wochen seines Lebens im Lungensanatorium Planegg bei München. „Segne auch, Höchster, meine Feinde!“ – das ist Karl Leisners letzter Tagebucheintrag. Nur kurz darauf, am 12. August, ist er völlig entkräftet gestorben. Sein Grab befindet sich in der Krypta des Xantener Domes. Am 15. März 1980 genehmigte Papst Johannes Paul II. die Eröffnung des Selig­spre­chungsprozesses, am 23. Juni 1996 sprach er Karl Leisner in Berlin selig. 2007 wurde in der Diözese Münster für Karl Leisner der Heiligsprechungs­prozess eingeleitet, der jedoch vorerst nicht zu Ende geführt wurde. Weitere Infos zu Karl Leisner: http://www.karl-leisner.de/

Karl Leisner-Film: Ein 60-minütiger Dokumentarfilm beleuchtet neben der KZ Haft auch Leisners Zeit als Jugendführer und Student und begibt sich an seinen Lebensorten auf Spurensuche in Rees, Kleve, Münster, Rom, Freiburg, Sachsenhausen, Dachau und Planegg. Darüber hinaus kommentieren jene Bischöfe Leisners Werdegang, deren Vorgänger die geheime Priesterweihe ermöglicht haben: Der Münchener Kardinal Reinhard Marx, der Münsteraner Bischof Felix Genn und der französische Bischof Hippolyte Simon. Beteiligt an der Produktion von Max Kronawitter (Ikarus-Filmproduktion) waren u.a. Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel vom Internationalen Karl Leisner-Kreis (IKLK). Internet: http://www.ikarus-film.de/

BUCHHINWEIS: Hans-Karl Seeger und Gabriele Latzel (Hg.), im Auftrag des Internationalen Karl-Leisner-Kreises (IKLK) unter besonderer Mitarbeit von Christa Bockholt, Hans Harro Bühler und Hermann Gebert: Karl Leisner – Tagebücher und Briefe, Eine Lebens-Chronik, 5 Bde., 4.368 Seiten, 5 Bänder im Schuber, Kevelaer 2014, ISBN 978-3-7666-1881-8, 139,00 €. Vorbestellung: www.chrisbuch.de

Xanten und sein Dom: Xanten ist Standort eines um 13/12 vor Christus errichteten Militärlagers „Vetera“, das nach 69/70 n. Chr. zum größten Legionslager nördlich der Alpen ausgebaut wurde und um 98 den Status einer Colonia erhielt. Nach der Blütezeit im 2. Jahrhundert und Aufgabe der „Colonia Ulpia Traiana“ entwickelte sich über frühchristlichen Märtyrergräbern eine Siedlung mit einer geweihten Kapelle. Aus ihr wurde das Stift „ad sanctos“, das man dem Hl. Viktor weihte. Der Patron von Stadt und Dom soll als christlicher Legionär mit 330 weiteren Angehörigen der Thebäischen Legion im 4. Jahrhundert im Amphitheater Veteras hingerichtet worden sein. Weitere Heilige, die im Rheinland mit der Legion in Verbindung gebracht werden, sind der Hl. Gereon von Köln, Mallosus in Xanten, Gerebernus in Sonsbeck, Cassius und Florentius in Bonn und Mauritius in der Schweiz.
Die am Stift entstehende Siedlung fränkischer und friesischer Händler erhielt den Namen „Sanctos“, der über „Santen“ zu „Xanten“ wurde. Trotz der Einfälle der Wikinger konnte sich das unter kurkölnischer Herrschaft stehende Stift zur Stadt entwickeln: 1228 erhielt der Ort vom Kölner Erzbischof die Stadtrechte, 1263 wurde der Grundstein für den heutigen gotischen St. Viktor-Dom gelegt, das Grab des Patrons wurde Ziel von Wallfahrten. Öffentliche Umtragungen seiner Gebeine gehen auf das 12. Jahrhundert zurück: Die „Großen Viktortrachten“ mit dem rund 100 Kilo schweren Viktorschrein aus dem 12. Jahrhundert führten im zeitlichen Turnus von etwa 25 Jahren zu einer Zisterzienserinnenkloster an der legendenhaften Stätte des Martyriums am Fürstenberg. Zum jährlichen Patronatsfest werden die Reliquien des Hl. Viktor in einem kleinen Reliquiengefäß bei der „Kleinen Viktortracht“ durch die Stadt getragen. Die 1614 preußisch gewordene Stadt blieb über Jahrhunderte geistliches und wirtschaftliches Zentrum der Region.
Der 1936 durch Papst Pius XI. zur „Basilica Minor“ erhobene Dom wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut. In Krypta des Domes entstand mit der Erweiterung 1966 eine Mahn- und Sühnestätte für die Opfer des nationalsozialistischen Terror-Regimes. Hier ruhen neben Urnen mit Asche aus den Konzentrationslagern Auschwitz, Bergen-Belsen und Dachau die sterblichen Überreste des seligen Karl Leisner, von Heinz Bello und Gerhard Storm – alle drei Märtyrer, die für ihren Glauben gestorben sind. Darüber hinaus befindet sich seit 2006 auch eine Reliquie des seligen Kardinals Clemens August Graf von Galen in der Krypta unter der Altarinsel.

Adresse: Dom St. Viktor, Kapitel, 46509 Xanten, April bis Oktober, Samstag 11.00 Uhr, Dauer 60 Minuten, Kosten: 4,00 € pro Person ab 15 Jahre, Treffpunkt: Tourist Information. Internet: http://www.sankt-viktor-xanten.de/wallfahrer-gaeste/st-viktor-dom/, http://www.xantener-dom.de, Seite des Dombauvereins: www.xantener-dombauverein.de. Mehr: www.xanten.de.

Video: Dom St. Viktor aus der Vogelperspektive

Stifts-Museum Xanten: Das StiftsMuseum Xanten (Kapitel 21, 46509 Xanten) zeigt Zeugnisse der Geschichte von Dom, Viktorstift sowie der Geschichte der gesamten Region. International bedeutsame Reliquiengefäße, Altargeräte, Skulpturen, Gemälde und über 450 kunstvollen Textilien gehören zu den kostbaren Xantener Kirchenschätzen, die bis ins 5. Jahrhundert zurückgehen. Das Museum bewahrt auch den Nachlass Karl Leisners, die Tagebücher, seinen Kelch und das priesterliche Gewand, das er beim Weihe-Gottesdienst im KZ trug, dazu viele persönlichen Dinge, die von Leisners Familie dem Stiftsmuseum überlassen wurden. Historische Fotos und große Schautafeln berichten aus Leisners Leben und über den zeitlichen Kontext. Alle Infos zu aktuellen Öffnungszeiten: Tel. 02801 - 987 78 20 (Museumskasse). Mehr: https://www.stiftsmuseum-xanten.de/

Archäologisches Freilichtmuseum APX: Der LVR-Archäologische Park auf dem Gelände der antiken Provinzstadt Colonia Ulpia Traiana ist das größte archäologische Freilichtmuseums Deutschlands. Zu den Rekonstruktionen römischer Bauwerke zählen das Amphitheater, der Hafentempel, eine Herberge und die Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen. Das LVR-RömerMuseum auf dem Gelände bietet mit über 2.500 Ausstellungsstücken und modernen Medien ein lebendiges Bild des römischen Alltags in Germanien: Der 1999 eröffnete Bau aus Stahl und Glas über dem Originalstandort der Eingangshalle der 275 nach Christus zerstörten und seit 1880 ausgegrabenen Großen Thermen zeigt Größe und Gestalt des antiken Vorbilds. An einigen Punkten der Ausstellung gibt es besondere Hinguck- und Mitmach-Angebote für Kinder. Park und LVR-RömerMuseum: Am Amphitheater, 46509 Xanten, Eingang LVR-RömerMuseum: Siegfriedstraße 39, 46509 Xanten, Internet: http://www.apx.lvr.de, www.apx.de.

Unser Gesprächspartner: Propst Stefan Notz, Kapitel 9, 46509 Xanten, Tel. 02801 / 7131-0, E-Mail: notz@bistum-muenster.de, Internet: https://www.sankt-viktor-xanten.de

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