Sterbehilfe: "Leben ist ein hohes Gut"

von Carsten Griese

Sonntag, 16.10.2016

Kleines blaues Fläschchen mit Totenkopf-Etikett
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Im November 2015 hat der Deutsche Bundestag ein neues Gesetz zur Sterbehilfe verabschiedet.

Ein Fall aus Belgien hat im September für Aufsehen gesorgt: Zum ersten Mal hat dort ein todkrankes Kind um Sterbehilfe gebeten und sie auch erhalten. In Deutschland wär das nicht möglich - hier ist aktive Sterbehilfe grundsätzlich verboten.

Für rechtliche Klarstellung sorgte der Deutsche Bundestag, der im November 2015 ein entsprechendes Gesetz beschloss. Demnach drohen Personen, Vereinen und Organisationen, die gewerbsmäßig Beihilfe zum Suizid anbieten, Geld- oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren. Eine gute Entscheidung, findet Rene Röspel. Der Bundestagsabgeordnete war drei Jahre lang Vorsitzender der Enquete-Kommission »Recht und Ethik in der modernen Medizin«: "Ich finde, dass das Thema Sterben und auch Beihilfe zum Sterben keine Frage des Geldverdienen sein darf, damit darf man kein Geschäft machen. (…) Das ist jetzt die Gesetzeslage über den neuen Paragraphen 217 des Strafgesetzbuches, der Beihilfe zum Suizid dann nicht zulässt, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist (...) oder es zu seiner Aufgabe macht, eben Menschen zur Selbsttötung zu bewegen oder zu beraten oder zu begleiten."

Ärzten oder nahen Angehörigen verbietet das neue Gesetz dagegen nicht explizit, einem todkranken Menschen Hilfe zum Sterben zu leisten. Michael Brand (CDU/CSU), der den schließlich verabschiedeten, fraktionsübergreifenden Gesetzentwurf mit entwickelt hatte, sprach von einer präzisen Trennung zwischen Ärzten, "die in schweren Situationen nach ihrem Gewissen handeln und anderen, die es darauf anlegen, geschäftsmäßig, mit Absicht und auf Wiederholung angelegt, die Suizidbeihilfe zu fördern". Nach seinen Angaben hätten sowohl die Bundesärztekammer als auch Palliativmediziner deutlich gemacht, dass dieser Entwurf zu keiner Kriminalisierung führe. Mehr Infos zum Gesetzgebungsverfahren gibt es unter www.bundestag.de

Die beiden großen Kirchen in Deutschland lehnen eine Tötung auf Verlangen grundsätzlich ab und verweisen stattdessen auf die Möglichkeiten der modernen Palliativmedizin. Der Begriff leitet sich ab vom lateinischen Wort "pallium", das mit "Mantel" übersetzt werden kann. Gemeint ist damit eine Patientenversorgung, bei der nicht (mehr) Heilung das therapeutische Ziel aller Maßnahmen ist, sondern eine möglichst umfassende Pflege und Begleitung des Sterbenskranken – einschließlich Schmerztherapie, physischer, psychologischer und falls gewünscht auch seelsorgerlicher Betreuung. Alle ärztlichen und pflegerischen Bemühungen sind darauf gerichtet, dem Patienten ein möglichst hohes Maß an Wohlbefinden zu garantieren, ihn "einzuhüllen" wie in einen wärmenden Mantel.

In NRW gibt es gibt es nach Angaben des Evangelischen Pressedienstes "insgesamt mehr als 60 stationäre Hospize, von denen sich 14 in Trägerschaft von Diakonie und Kirche befinden. Es gibt 54 ambulante Hospizdienste und 25 ambulante Palliativdienste unter dem Dach der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe. Rund 180 Palliativdienste sind insgesamt in NRW zugelassen." Die Adressen und Telefonnummern von Hospizeinrichtungen und Palliativstationen in ganz Deutschland finden Sie unter http://www.wegweiser-hospiz-und-palliativmedizin.de/ . Mehr Infos zum Thema gibt es auch unter http://www.dhpv.de/index.html

Wer für den Fall einer tödlichen Erkrankung oder eines Unfalls vorsorgen will, dem raten Experten, eine sogenannte Patientenverfügung zu verfassen. Der Bundesgerichtshof hat dazu im August 2016 ein Urteil gefällt und gefordert: Eine Patientenverfügung muss möglichst konkret formuliert sein. Allgemein gehaltene Aussagen – etwa dass man "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" wünsche – seien nicht ausreichend. Nach einem Bericht des SPIEGEL seien die Festlegungen einer Patientenverfügung nach Ansicht der Richter nur dann bindend, "wenn einzelne ärztliche Maßnahmen genannt oder Krankheiten und Behandlungssituationen klar genug beschrieben würden".

Weil aber nicht alle denkbaren Konstellationen im Vorhinein absehbar sind, sollte eine Patientenverfügung stets ergänzt werden durch eine Vorsorgevollmacht. Durch sie – so die Bundesärztekammer – "wird eine Vertrauensperson für den Fall der Geschäfts- und/oder Einwilligungsunfähigkeit des Vollmachtgebers für bestimmte Bereiche, z. B. für die gesundheitlichen Angelegenheiten, bevollmächtigt. Der Bevollmächtigte wird zum Vertreter des Willens. Er verschafft dem Willen des aktuell nicht mehr einwilligungsfähigen Vollmachtgebers Ausdruck und Geltung."

Sonntag, 16.10.2016