Seelsorge in der Amok-Nacht von München

von Manfred Rütten

Sonntag, 24.07.2016

Das Foto zeigt Bernhard Götz, evangelischer Pfarrer in München
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Bernhard Götz, evangelischer Pfarrer an der Olympiakirche in München, war in der Amok-Nacht vom 22. auf den 23. Juli 2016 als Seelsorger im Einsatz.

In der Nacht von Freitag auf Samstag fielen rund um das Olympia-Einkaufszentrum in München tödliche Schüsse. Zehn Menschen starben, darunter auch der mutmaßliche Täter. Seelsorger wie Bernhard Götz kümmerten sich um geschockte und verzweifelte Menschen.

Götz ist Pfarrer an der Olympiakirche, die nur etwa 1,5 Kilometer vom Ort des Geschehens entfernt ist. Er sei am Freitag gegen 18 Uhr gerade vom Einkaufen nach Hause gekommen und unterwegs bereits den anrückenden Polizeikräften begegnet, erzählt der Pfarrer im Interview mit der Redaktion PEP. Von Nachbarn habe er erfahren, dass es "eine Schießerei" im Olympia-Einkaufszentrum gab. "Dann bin ich gleich los und hab mich beim Kriseninterventionsteam gemeldet."

Zusammen mit anderen Seelsorgern sowie mit Mitarbeitern des Roten Kreuzes, der Johanniter und anderer Kräfte habe er sich an einer Tankstelle in der Nähe des Einkaufzentrums um etwa 150 Menschen gekümmert. "Wir betreuten vor allem Menschen, die Angehörige vermisst haben. Das waren zum Teil ganz dramatische Szenen, wo Eltern ihre Kinder gesucht haben (…) Es gab dann zum Teil auch Handy-Kontakte ins OEZ hinein, wo Leute raustelefoniert haben: Wir sind eingeschlossen und wir hören den Täter und ähnliche Geschichten."

Weil es die Sicherheitslage erforderte, seien die Menschen von der Tankstelle zwischenzeitlich notevakuiert worden, berichtet Pfarrer Bernhard Götz weiter. Man habe sich dann unter einer Eisenbahnbrücke versammelt, ehe die Betroffenen gegen Mitternacht in die Werner von Linde-Halle nahe dem alten Olympiastadion gebracht worden seien. "Dort wurden dann alle Angehörigen hingebracht und die aus dem OEZ Geretteten. Und da war dann eben ein ganz bunte Mischung an unterschiedlich traumatisierten Menschen. Menschen, die in Sorge waren um ihre Angehörigen, um ihre Kinder, Touristen, die irgendwie in diese Lage geraten sind, es gab ständig neue Gerüchte und (…) es war ne schwierige Lage."

Der Einsatz der Kriseninterventionskräfte dauerte bis weit in den frühen Samstagmorgen, berichtet Götz. Über seine Arbeit mit den verzweifelten und verängstigten Menschen in der Halle sagt er: "Man muss erstmal beruhigen, beruhigen und nochmal beruhigen. Und dann diese Menschen erst einmal ihre Gefühle äußern lassen, erzählen lassen, zuhören. Oder auch mal in Ruhe lassen. Auch das ist ganz wichtig, dass sie das Gefühl haben: Sie haben jemanden, der ihnen zuhört, aber sie werden jetzt nicht bedrängt, sie müssen jetzt auch nichts erzählen."

Für Montag (25.7.) ist laut Götz ein Gedenkgottesdienst in der Münchner Olympiakirche geplant, an dem neben den Stadtdekanen und der Regionalbischöfin auch katholische Geistliche teilnehmen werden. Auch im Münchner Dom sei ein Gedenkgottesdienst geplant, der Termin stehe aber derzeit noch nicht genau fest, so Pfarrer Götz.

Am Samstagvormittag (23.7.) äußerte sich der bayerische Landesbischof und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zur Gewalttat in München: "Hinter uns liegen Stunden des Erschreckens und der Verunsicherung. Jetzt bewegt mich zuallererst Trauer über den Tod von zehn Menschen. Ich bin in Gedanken und im Gebet bei ihren Angehörigen, die nicht fassen können, dass sie einen ihrer liebsten Menschen verloren haben. Ich bete dafür, dass die Verletzten wieder gesund werden. Und ich bete dafür, dass sich unter uns nicht Angst ausbreitet, sondern die Zuversicht wieder Fuß fassen kann. Ich bin dankbar für die Erfahrung, dass gerade in einer solchen Situation der Trauer und des Erschreckens alle zusammenstehen. Ich habe gestern Abend, als ich in meinem Büro in der Münchner Innenstadt festsaß, viele Zeichen der Anteilnahme aus aller Welt bekommen. Die Menschen in München haben während der Stunden der Unsicherheit ihre Häuser geöffnet um Passanten Schutz zu geben. Grund zur Dankbarkeit besteht aber auch angesichts des großen Einsatzes der Polizei. Sie hat nicht nur alles getan, um weiteren Schaden an Leib und Leben zu verhindern, sondern sie hat über die sozialen Medien die Bevölkerung auch optimal informiert. Was immer der Hintergrund der Gewalttat ist: wir werden niemandem den Triumph gönnen, dass sich Angst, Hysterie oder Rachegefühle ausbreiten. Der Apostel Paulus sagt: Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern den Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit. Dass wir darauf hören, das wünsche ich unserem Land."

Sonntag, 24.07.2016