Reqiem für Altbundeskanzler Helmut Kohl

von Dr. Christof M. Beckmann

Sonntag, 02.07.2017

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Dr. Helmut Kohl / Portal am Dom zu Speyer mit der Inschrift „Ut unum sint / Auf dass sie eins seien“, Collage KIP

Es war ein historischer Staatsakt gestern in Straßburg: Altkanzler Helmut Kohl wurde am Abend nach einem Requiem im Speyerer Dom am Rande des dortigen Domherrenfriedhofs bestattet. An einem symbolträchtigen Ort neben der Friedenskirche Sankt Bernhard ...

INFO: Bundestagspräsident Norbert Lammert hat den verstorbenen Altkanzler Helmut Kohl (CDU, 1982-1998) am Donnerstag, 22. Juni, in einer fraktionsübergreifenden Gedenkstunde im Bundestag gewürdigt. Er sei ein Glücksfall für Deutschland und Europa gewesen, so Lammert. Kohl, eine „personifizierte vertrauensbildende Maßnahme der Weltpolitik“, habe 1989 die Initiative ergriffen und der friedlichen Revolution ihre politische Richtung gegeben - eine „Sternstunde unserer Parlamentsgeschichte“. Seine nie aufgegebene Hoffnung auf eine friedliche Einheit in einem freien, friedlichen Europa sei schließlich Realität geworden. Am Dienstag, 27. Juni, versammelten sich Parlamentarier in der Berliner St. Hedwig-Kathedrale fraktionsübergreifend zu einer Trauerfeier. Den Gedenkgottesdienst hielt der Leiter des Katholischen Büros in der Hauptstadt, Prälat Karl Jüsten.

Am Samstag, 1. Juli, wurde Helmut Kohl mit dem ersten europäischen Staatsakt im Europaparlament in Straßburg geehrt. Vor dem mit einer Europaflagge bedeckten Sarg sprachen unter anderen Bundeskanzlerin Angela Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der frühere US-Präsident Bill Clinton. Der anschließend per Hubschrauber über Ruchheim nach Ludwigshafen gebrachte Sarg wurde in einem Trauerkonvoi durch Kohls Heimatstadt gefahren und von der Schiffsanlegestelle Reffenthal auf der von mehreren Schiffen begleiteten MS „Mainz“ nach Speyer überführt. Dem im Speyerer Dom um 18 Uhr beginnenden und vom Südwestrundfunk (SWR) für das ARD-Fernsehen live übertragenen Requiem stand Ortsbischof Karl-Heinz Wiesemann vor. Er feierte den Gottesdienst mit seinem Vorgängern Kardinal Friedrich Wetter und Bischof Anton Schlembach, Weihbischof Otto Georgens, dem päpstlichen Nuntius in Deutschland Nikola Eterovic und Kardinal Reinhard Marx, dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz und Präsidenten der EU-Bischofskommission COMECE (seine Würdigung des Altkanzlers auf der Homepage des Erzbistums München und Freising). In den Kaiserdom hatten rund 1.500 geladene Gäste Zutritt, die Messe wurde in den 3.500 Personen fassenden angrenzenden Domgarten auf eine Großleinwand übertragen.

Wiederholt hatte Bischof Wiesemann das Engagement von Altkanzler Helmut Kohl für den Dom der Stadt gewürdigt. Ihn habe Kohl als Sinnbild für die christlichen Wurzeln eines geeinten Europas verstanden: „Heimatliebe und universale Weite europäischen Geistes, Geschichtsverbundenheit und Atem der Ewigkeit - in diesem großen Spannungsbogen sah er den Speyerer Dom, und so verstand er auch sein Leben und seinen Auftrag“, erklärte Wiesemann im Spiegel“-Biografie-Heft (24. Juni) zum Tode Kohls. Auch die 1999 gegründete „Europäische Stiftung Kaiserdom zu Speyer“, deren Kuratorium Dr. Helmut Kohl vorstand, veröffentlichte einen Nachruf. Wiesemann leitete im Anschluss an das militärische Abschiedszeremoniell mit Ehrenformation vor dem Dom auch Kohls Beisetzung im engsten Familien- und Freundeskreis. Das Grab am Rande des Domherrenfriedhofs entspricht dem eigenen Wunsch des Verstorbenen.

Die dem Friedhof benachbarte Friedenskirche Sankt Bernhard nahe der Altstadt gilt als besonderes Symbol der für Kohls Kanzlerschaft zentralen Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wurde von Deutschen und Franzosen gemeinsam errichtet. Zur von fast 40.000 Menschen besuchten Grundsteinlegung durch den Apostolischen Nuntius Aloysius Joseph Kardinal Muench am 23. August 1953 kamen Bundeskanzler Konrad Adenauer, André François-Poncet, der damalige Hohe Kommissar und spätere französische Botschafter sowie der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Peter Altmeier. Die Festansprache hielt der frühere französische Ministerpräsident und Außenminister Robert Schuman. Er griff den 800. Todestag des Namenspatrons der Kirche, des Zisterzienserabtes Bernhard von Clairvaux auf und führte in seiner Festrede aus: „Ein starkes, freies Europa ist die beste Garantie für seine eigene Sicherheit und für den Frieden in der ganzen Welt.“ Mit Blick auf den Jahrestag der ersten Direktwahl zum Europäischen Parlament bekräftigte der Erste Präsident des Parlaments: „Der Friede ist nicht nur das Unterlassen des Krieges, nicht nur Versöhnung und Verständnis für andere, sondern ist und muss stets mehr werden: Zusammenarbeit und Vertrauen zwischen den Völkern, zwischen allen Völkern.“

Zuvor hatte Bischof Heintz von Metz die Messe im Dom zelebriert, im Domgarten feierte zeitgleich Abt Albert Ohlmeyer von Stift Neuburg die Messe für die vielen Tausende, die keinen Platz im Dom gefunden hatten. Die zahlreichen Ehrengäste aus Kirche und Politik unterzeichneten im Bischofshaus die Urkunde für den Grundstein, in dem die christlichen Völker des Abendlandes zur Einigung aufgerufen wurden. Die neue Kirche, so die darin geäußerte Hoffnung, solle ein „ragendes Denkmal der Versöhnung ... zwischen Deutschland und Frankreich und allen Völkern des europäischen Kontinents“ sein. André François-Poncet erinnerte an die Verantwortung des Christentums für Frieden und Freiheit in Europa und erklärte, man müsse „die nationalen Streitigkeiten überwinden, dass wir uns unserer Solidarität, unserer tiefgehenden Verwandtschaft, inneren Brüderlichkeit bewusst werden in unserer Liebe zu den gleichen moralischen Werten und dem Willen, sie zu verteidigen.“

Am 26. September 1954 weihte der Münchner Erzbischof und frühere Bischof von Speyer, Kardinal Joseph Wendel die Kirche. Sie birgt in der Pax-Christi-Kapelle Erde von Gedenkstätten aus allen fünf Erdteilen: In den Wandnischen sind unter anderem Erde aus Nagasaki, vom Grab der heiligen Rosa in Lima, ein Stein aus der Erscheinungsgrotte von Lourdes, Erde von französischen Kriegsfriedhöfen aus dem russischen Kursk und aus dem Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau aufbewahrt. Heute wird die Friedenskirche St. Bernhard vor allem von der Speyerer Dompfarrei Pax Christi genutzt.

UNESCO-Weltkulturerbe Dom zu Speyer im Internet: www.dom-zu-speyer.de, www.dombauverein-speyer.de/, www.kaiserdom-virtuell.de/

Sonntag, 02.07.2017