Pilgern auf den Spuren des Corveyer Weins

von Dr. Christof Beckmann

Sonntag, 25.09.2022

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Michael Rindermann mit Refraktometer im Weinberg auf dem Rauschenberg in Corvey, Foto: Christian Turrey (KIP)

Wenn der Bundespräsident heute kommt steht schon eine gute Flasche Wein bereit. Sie kommt daher, wo man gar keinen Weinberg vermutet – bei Höxter. Kloster Corvey, das jetzt sein großes 1200-Jähriges feiert, hat einen schönen Weinlehrpfad eingerichtet. …

INFO: Auf dem historischen Corveyer Weinberg können Gäste und Wanderer seit neun Jahren auf den Spuren der Weingeschichte Corveys wandeln. Hier verbindet an 7 Buch-Stationen der ökumenisch-biblische Weinpfad die Themen Wein und Bibel. Der rund drei Kilometer lange Rundwanderweg beginnt bei einem barocken Schatz, nämlich der Weinbergkapelle St. Josef, dem letzten steinernen Denkmal der fürstabtlichen Weingeschichte aus dem 17. Jahrhundert. Der Weg verläuft mit einem schönen Rundblick auf die hochragenden Türme des Corveyer Westwerkes durch dichte Wälder, Wiesen, Obstplantagen und die Weinlage des Räuschenbergs. Michael Rindermann von der Corveyer Domäne, ehemaliger Weinhändler mit Studium in Geisenheim/Rhg., gehört mit engagierten Bürgern aus Höxter zu den Initiatoren. Er hofft bei den Phönix- und Regenttrauben auf einen Oechsle-Grad von rund 80 und ist besonders begeistert von der Entwicklung der Orleans-Reben, die schon zur Zeit Karls des Großen aus Frankreich kamen und fast vergessen waren. Angelegt wurde die Lage nach den Zerstörungen des Dreißigjährigen Kriegs 1681 von Fürstabt Christoph von Bellinghausen, der nach dem Vorbild europäischer Klöster den Weinbau reaktivierte und dafür ein großes Vermögen investierte. Gleichwohl galt der dort gelesene Wein nach einer Zeit als unbekömmlich: Klimawandel und falsche Reben auf dem Kalkboden machten das Getränk sauer und berauschend.

1200 Jahre Benediktinerabtei Corvey: Die in Ostwestfalen im Tal der Weser bei Höxter gelegene frühere Benediktinerabtei Corvey entstand auf Initiative von Karl dem Großen, wurde von seinem Nachfolger Ludwig dem Frommen gegründet und galt im frühen Mittelalter als eines der bedeutendsten Klöster in Europa. Die ersten Mönche, die am 25. September 822 den Grundstein legten, stammten aus der westfränkischen, nordfranzösischen Benediktinerabtei Corbie. Unter dem ersten Abt Adalhard, einem Vetter Kaiser Karls, ging der Mönch Ansgar als „Apostel des Nordens“ auf Mission nach Skandinavien, die Reliquien des heiligen Märtyrers Vitus gelangten nach Corvey. 885 wurde die Klosteranlage mit der Errichtung des Westwerks abgeschlossen und galt als „Wunder Sachsens und des Erdkreises“. Die 873-885 entstandene und an antike Vorbilder angelehnte karolingische Kirchenfassade gilt heute als einziges weitgehend erhaltenes Bauwerk aus der Karolingerzeit. Das Wissen der Zeit trugen die Mönche in einer riesigen Bibliothek zusammen und vervielfältigten es in der Schreibstube, dem Skriptorium. 200 Jahre später verfügte Corvey über Besitzungen von Holland bis an die Elbe. Der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) hinterließ die Abtei in Trümmern. Doch schon gut 50 Jahre später, 1706, stand die neue barocke Abtresidenz. 1792 wurde Corvey Fürstbistum, doch schon 1803 säkularisiert, die Reihe der 65 Äbte ging mit Johann Karl Theodor von Brabeck zu Ende und das Kloster wurde in ein Schloss umgewandelt. Über den geflohenen niederländischen Statthalter Wilhelm V. von Oranien-Nassau und Landgraf Viktor Amadeus von Hessen-Rotenburg kam das rund 80.000 Quadratmeter große Anwesen in den Besitz von Viktor Prinz zu Hohenlohe-Schillingsfürst, der ab 1840 den Titel „Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey“ führte. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, von 1860 bis 1874 als Bibliothekar in Corvey tätig, vergrößerte den Bestand auf 74.000 Bände. Der Dichter der deutschen Nationalhymne liegt im Schatten seiner Wirkungsstätte begraben. Bis heute ist die Bibliothek deutschlandweit eine der größten Buchsammlungen in Privatbesitz. Die Verantwortung für das Anwesen teilt sich Herzog Viktor V., Herzog von Ratibor und Fürst von Corvey, mit der gemeinnützigen Gesellschaft „Kulturkreis Höxter-Corvey“ und der örtlichen Kirchengemeinde Sankt Stephanus und Vitus. Letztere ist Eigentümerin des Westwerks. 2014 wurden „Das Karolingische Westwerk und die Civitas Corvey“ in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen.

Programm zum Jubiläumsjahr: Das Jubiläum wird am 25. September mit einem Gottesdienst in der ehemaligen Abteikirche sowie einem anschließenden Festakt im Kaisersaal eröffnet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird am Festakt teilnehmen. Zu den Höhepunkten der darauffolgenden Monate zählt ab Mai 2023 die rundum erneuerte Dauerausstellung „Das Jahrtausend der Mönche - Von der Gründung Corveys bis ins Goldene Zeitalter“. Dann sollen Besucher auch mit einer vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung entwickelten App das Kloster in seinem ursprünglichen Zustand entdecken können. Rekonstruiert wurden nicht nur die Räumlichkeiten, sondern auch Wandmalereien oder Stuckfiguren. Geladene Gäste der Jubiläumsfeier am 25. September erhalten bereits Einblick in eine Vorab-Version der App.

Gedenkmünze „1200 Jahre Kloster Corvey“: Pünktlich zum Jubiläum gab das Bundesfinanzministerium am 14. September 2022 zudem eine 20-Euro-Sammlermünze heraus. Die Gedenkmünze ist in der Sammlerqualität „Stempelglanz“ zum Nennwert von 20 Euro über die Filialen der Deutschen Bundesbank erhältlich. Die Münze in der höherwertigen Sammlerqualität „Spiegelglanz“ kann bei der Münze Deutschland (www.muenze-deutschland.de) online bestellt werden. Erstausgabetag ist der 22. September 2022.

Mehr: Schloss Corvey, Kulturkreis Höxter-Corvey gGmbH, Schloss Corvey, 37671 Höxter, Tel. 05271 / 69 40 10, E-Mail: veranstaltungen@corvey.de,Internet: https://corvey.de/; Pastoralverbund Höxter (Abteikirche St. Stephanus und Vitus), Pfarramt St. Nikolai, Marktstr. 21, 37671 Höxter, Tel. 05271 / 75 14, Internet: www.pv-hx.de

Sonntag, 25.09.2022