Pfingsten: Der Geist weht, wo er will

von Christof Beckmann

Sonntag, 20.05.2018

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Rund 90.000 waren dabei: Der 101. Katholikentag wurde zum größten seit der Wiedervereinigung – für Dr. Thomas Sternberg, Präsident des ZdK, eine gelungene Mischung von Politik, Religion, Kultur und Feier. Und in diesem Geist kann man gut Pfingsten feiern.

INFO: Das Pfingstfest (von Griechisch: „pentecoste”, der Fünfzigste) bezeichnet den 50. Tag nach Ostern. An ihm empfingen die Jünger im Abendmahlssaal von Jerusalem den Heiligen Geist - so berichtet es die Apostelgeschichte. Die mutlos und ängstlich zurückgezogenen Jünger Jesu wurden durch das Kommen des Heiligen Geistes in „Sturm und Feuer” neu „in Fahrt gebracht”, sie gingen mit neuer Begeisterung auf die Menschen zu, um die „Frohe Botschaft” zu verkündigen. Pfingsten, das Fest der Geistsendung, gilt als „Geburtstag” der Kirche. In der Kunst erscheint der Geist im Zeichen der Taube, in Sturm und Feuer. Mit dem Pfingstfest endet in der katholischen Kirche die Osterzeit und ist in Deutschland wie Weihnachten und Ostern besonders hervorgehoben durch einen zweiten Feiertag, den arbeitsfreien Pfingstmontag.
Die Bibel versteht den Heiligen Geist als schöpferische Macht allen Lebens. Er ist nach kirchlicher Lehre in die Welt gesandt, um Person, Wort und Werk Jesu Christi lebendig zu erhalten. Der Heilige Geist, die „Dritte Person” Gottes (die hebräische Bezeichnung für Gottes Geist ist weiblich) umschreibt gleichsam die „Innenseite” Gottes (Atem, Hauch) und gleichzeitig auch seine „kommunikative Seite”: den Atem haucht er aus und dem Menschen ein. Damit bringt er den Menschen zum Leben – wie bei der Erschaffung des Menschen. Heiliger Geist ist die Weise, in der Gott „im Menschen” wohnen kann, ihn beseelt, entflammt, vitalisiert, dynamisiert, begeistert. Er ist nicht nur Gabe, sondern Spender des Lebens ist und dass ihm mit dem Vater und dem Sohn göttliche Anbetung und Verherrlichung gebührt. Dieser Glaube kommt im „Großen Glaubensbekenntnis” zum Ausdruck: „Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird.”
Die Apostelgeschichte berichtet, wie die Jünger Jesu durch das Pfingstwunder „mit Heiligem Geist erfüllt wurden und begannen, mit anderen Zungen zu reden”. Das so genannte Sprachenwunder will darauf hinweisen, dass die Verkündigung der Botschaft von Jesus Christus sprachübergreifende Bedeutung für die ganze Welt hat. Lukas beschreibt das Pfingst-Ereignis in der Apostelgeschichte im zweiten Kapitel: „Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daher fährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie (die Jünger) waren. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Alle wurden mit dem Heiligen Geist erfüllt und begannen in fremden Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.” In Jerusalem lockt dieses seltsame Ereignis eine neugierige Menschenmenge an, Juden aus allen möglichen Landesteilen, viele aus der Diaspora, darunter Ägypter, Römer, Kreter oder Araber, geraten „außer sich vor Staunen”, denn jeder hörte die Jünger plötzlich in seiner Muttersprache reden - und verstand. Pfingsten: Das Wunder Grenzen überschreitenden Verstehens.

101. Deutscher Katholikentag in Münster: Vom 9.-13. Mai kamen rund 90.000 Teilnehmer aus dem gesamten Bundesgebiet zum 101. Deutschen Katholikentag nach Münster. Veranstalter des Großtreffens, das diesmal unter dem Leitwort „Suche Frieden“ stand, ist das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Das Bistum Münster war Gastgeber. Thomas Sternberg, Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), zog eine positive Bilanz zum größten Katholikentag seit der Wiedervereinigung. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, warb beim Abschlussgottesdienst für eine deutlichere Einheit der Christen aller Konfessionen.
Zu den Höhepunkten zählen drei Dutzend „Große Podien“ zu politischen, gesellschaftlichen und kirchlichen Themen rund um das Katholikentagsmotto. Hinzu kamen etwa 300 Kulturveranstaltungen und 160 Foren. Zu den prominenten Gästen zählten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Kanzlerin Angela Merkel, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), sein Amtskollege aus Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), und die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz Malu Dreyer (SPD).
Das Treffen findet in der Regel alle zwei Jahre an wechselnden Orten statt: Der 100. Deutsche Katholikentag fand 2016 in Leipzig statt, 2014 trafen sich die katholischen Laien in Regensburg, 2012 in Mannheim. Wo der nächste Katholikentag im Jahr 2022 stattfindet, ist noch nicht entschieden. Derzeit bewirbt sich die Stadt Erfurt darum. 2019 steht zunächst ein Evangelischer Kirchentag in Dortmund an, 2021 dann ein Ökumenischer Kirchentag in Frankfurt, der von Protestanten und Katholiken gemeinsam organisiert wird. Alle Infos: www.zdk.de, www.katholikentag.de.

Zu Beginn des Treffens in Münster sprach sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) deutlich gegen jede Form von Ausgrenzung, Rassismus sowie Ausländer- und Behindertenfeindlichkeit aus. Dazu legten die Delegierten der Vollversammlung ein „Münsteraner Manifest“ vor, das wir im Folgenden dokumentieren:

Münsteraner Manifest des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

Wir haben uns hier in Münster, der Stadt des Westfälischen Friedens, zum Katholikentag versammelt, um nach neuen Wegen zum Frieden zu suchen. Den Frieden zu suchen, heißt für uns, den Zusammenhalt in unserem Land und weltweit zu stärken und zu festigen. Als Christinnen und Christen wollen wir eigene konfessionelle Vorurteile und Trennungen überwinden, verbindliche Schritte aufeinander zugehen und insbesondere mit den Angehörigen anderer Religionen und Weltanschauungen friedlich zusammenleben. Der Friede erscheint oft unerreichbar, wo Vorurteile, Konflikte, Angst, Hass und Gewalt unsere Gesellschaft und die Staatengemeinschaft beherrschen. Lasst uns dennoch Frieden wagen!
Der 101. Deutsche Katholikentag soll ein Zeichen für den Frieden sein. Wir wollen zeigen, wie der Frieden Gestalt annehmen kann, und deutlich machen, wo weitere Schritte zum Frieden nötig sind.

1. Demokratie braucht Respekt und Vertrauen

Auch in unserem Land haben bei vielen Unzufriedenheit, Misstrauen und Feindseligkeit einen breiten Raum eingenommen. Für die großen Herausforderungen unserer Gegenwart versprechen manche gesellschaftlichen und politischen Kräfte vermeintlich einfache Lösungen. Sie glauben, dass Nationalismus und Egoismus uns einen Vorteil verschaffen könnten. Manche von ihnen setzen auf Ausgrenzung, Verleumdung und Hetze.
Wir sind überzeugt: Ein konstruktives und friedliches Miteinander kann nur erreicht werden, wenn Respekt, Vertrauen und die gegenseitige Anerkennung der jeweils Anderen in ihrer Lebensweise, ihrem religiösen Bekenntnis und ihrer Herkunft selbstverständlich sind und von allen praktiziert werden. Wir stehen für ein vielfältiges, gewaltfreies und demokratisches Miteinander. Wir haben unsere bitteren Lektionen aus der Geschichte gelernt. Wir stehen auf für ein friedvolles Zusammenleben.

2. Kein Frieden ohne soziale Gerechtigkeit

Die soziale Spaltung in unserem Land ist sehr groß. Während eine kleine Gruppe viel besitzt, ist eine große Zahl von Menschen abgehängt: Materiell, weil ihr Haushaltseinkommen nicht die nötigsten Bedürfnisse abdeckt. Kulturell, weil die Vielfalt von Lebensformen frühere Gewissheiten in Frage stellt. Regional, weil jenseits der teuren Ballungszentren Teile der öffentlichen Daseinsvorsorge wegbrechen.
Für den sozialen Frieden bedarf es der Integration aller Menschen. Den Armen und Schwachen wird unsere Gesellschaft gerecht, wenn sie ihnen materielle, soziale und kulturelle Teilhabe ermöglicht. Wir wollen unseren Beitrag leisten, dass Menschen auch in schwierigen Lebenslagen so unterstützt werden, dass sie in Würde ihr Leben meistern können.

3. An der Seite der Ärmsten weltweit

Die weltweiten Migrationsströme haben ihre Ursachen in Verfolgung und Krieg, vielfach aber auch in Hunger, bitterer Armut und der Sehnsucht nach einem besseren Leben. Solange die unfairen Handelsbeziehungen zwischen den Ländern des Nordens und des Südens, die Ausbeutung von Rohstoffen und die Vernichtung lokaler Märkte nicht gestoppt werden, lässt sich die Schere zwischen Arm und Reich nicht schließen. Kein noch so hoher Zaun wird die Menschen auf der Suche nach Sicherheit und einem menschenwürdigen Leben aufhalten können.
Die Vereinten Nationen haben uns mit der 2015 beschlossenen „Globalen Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ einen guten Kompass für den Weg zu mehr globaler Gerechtigkeit an die Hand gegeben. Wir wollen durch die Intensivierung der Entwicklungs-zusammenarbeit das Überleben der von der größten Armut bedrohten Menschen sichern und möglichst vielen Menschen in ihren Heimatländern Perspektiven für ein besseres Leben eröffnen. Wir müssen aber auch unsere Lebensweise reflektieren und uns für einen nachhaltigen Lebensstil in unserem Land einsetzen.

4. Internationale Verantwortung wahrnehmen

Kriege, militärische Gewalt und rhetorisches Säbelrasseln prägen die internationale Politik. Immer neue Schreckensmeldungen erreichen uns. Die Staatengemeinschaft findet keinen Weg zum Frieden in Syrien und an vielen anderen Orten unserer Welt. Auch in Deutschland wird durch Rüstungsexporte am Leid der von Krieg betroffenen Menschen mitverdient.
Wir sind überzeugt: Politische und diplomatische Lösungen sind möglich. Gerade das Modell des Westfälischen Friedens von 1648 zeigt, dass Beharrlichkeit und Interessenausgleich zu einem tragfähigen Frieden führen können. Deutschland trägt eine wachsende Verantwortung, Wege gemeinsamer Sicherheit zu suchen und zivile Konfliktbearbeitung zu fördern. Wir treten ein für eine strenge Kontrolle und Einschränkung deutscher Rüstungsexporte.

5. In Sorge um das Gemeinsame Haus

Der Raubbau an unseren natürlichen Lebensgrundlagen bedroht neben Tieren, Pflanzen und Ökosystemen auch eine große und wachsende Zahl von Menschen. Sie fliehen vor Naturkatastrophen und Überschwemmungen, müssen ihre Heimat wegen des steigenden Meeresspiegels oder der Erosion der Böden verlassen.
Mit Papst Franziskus, der mit der Enzyklika „Laudato si“ eine unmissverständliche Aufforderung zur Bewahrung der Schöpfung ausgesprochen hat, sind wir überzeugt: Umwelt- und Klimaschutz sind eine notwendige Voraussetzung für internationale Gerechtigkeit und für unseren Frieden mit den kommenden Generationen. Wir treten ein für einen ambitionierten Klimaschutz, das Erreichen der UN-Nachhaltigkeitsziele und mahnen das Einhalten der vereinbarten CO2-Reduktionsziele an.

6. Wer Gott sucht, sucht den Frieden

Antisemitismus und Islamfeindlichkeit bedrohen Menschen und den gesellschaftlichen Frieden. Sie dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben. Wir müssen Antisemitismus und judenfeindliche Vorurteile noch entschiedener bekämpfen. Auch im Alltag darf es ihnen gegenüber keinerlei Toleranz geben.
Nach entsetzlichen Anschlägen islamistischer Terroristen geraten die Muslime und der Islam als Religion bei vielen unter einen Generalverdacht. Vielfach wird die große Mehrheit der friedlichen Muslime mit gewalttätigen Extremisten gleichgesetzt. Gemeinsam mit der Mehrheit der Muslime sind wir überzeugt: Es darf keine Gewalt im Namen Gottes geben.
Wir treten ein für das Recht auf Religionsfreiheit in unserem Land und weltweit. Den Religionen wohnt ein großes Potenzial für den Frieden inne, aber sie tragen auch eine große Verantwortung. Im Dialog insbesondere mit Frauen und Männer jüdischen und muslimischen Glaubens wollen wir mutig Schritte auf dem Weg zu einem friedlichen Zusammenleben gehen und zeigen: Religion darf nicht Teil des Problems, sondern muss Teil der Lösung sein.
Wir setzen uns ein für den Frieden in der Kraft und mit dem Zuspruch Jesu Christi, dessen Worte wir in jeder Eucharistiefeier sprechen und mit denen wir uns gegenseitig den Frieden wünschen: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“ (Joh 14,27).

Beschlossen von der ZdK-Vollversammlung am 8. Mai 2018

Unser Gesprächspartner: Thomas Sternberg, geboren 1952 in Grevenbrück, absolvierte nach einer Bäcker-Lehre im elterlichen Betrieb 1974 am Abendgymnasium in Neuss sein Abitur und studierte Germanistik, Kunstgeschichte und Theologie in Münster, Rom und Bonn. 1983 wurde er im Fach Germanistik in Münster mit einer Arbeit zur Lyrik Achim von Arnims promoviert, 1988 in Bonn im Fach Christlicher Archäologie über die Sozialeinrichtungen des 4. bis 7. Jahrhunderts. Sternberg, Vater von fünf Kindern, leitete von 1988-2016 als Direktor die Katholisch-Sozialen Akademie Franz-Hitze-Haus in Münster und war von 1997 bis 2013 Sprecher für kulturpolitische Grundfragen im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), seitdem Mitglied im Hauptausschuss. Seit 1997 ist er Berater in der Kommission VIII (Wissenschaft) der Deutschen Bischofskonferenz.
Sternberg trat 1974 in die CDU ein und gehörte von 1989 bis 2004 dem Stadtrat in Münster an. Seit 2005 war er Abgeordneter im nordrhein-westfälischen Landtag. Er ist kultur- und medienpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, gehört dem Ausschuss für Innovation, Wissenschaft und Forschung an und ist seit 2012 Mitglied im Landesvorstand der CDU-Nordrhein-Westfalen. Am 20. August 2016 kündigte Sternberg an, dass er bei der Landtagswahl 2017 nicht erneut kandidieren wird.
Seit 2001 ist Sternberg Honorarprofessor für Kunst und Liturgie an der Westfälischen Wilhelms-Universität. Im Rundfunkrat des Westdeutschen Rundfunks (WDR) ist Sternberg seit 2010 aktiv, u.a. als stellvertretender Vorsitzender des Programmausschusses, er engagiert sich im Kunsthochschulbeirat des Landes Nordrhein-Westfalen, ist Mitglied im Beirat der Kunststiftung NRW, im Kuratorium der Kunstsammlung NRW sowie im Vorstand der Landesmusikakademie NRW, Vorsitzender der Annette-von-Droste-Gesellschaft e.V., geschäftsführender Vorstand der Josef-Pieper-Stiftung und Mitglied im Kuratorium der Gesellschaft zur Förderung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Ebenfalls tätig ist er als Mitglied im Beirat des Cusanuswerkes sowie als Kuratoriumsmitglied am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin.
Am 20. November 2015 in Nachfolge von Alois Glück wurde er zum Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) gewählt. Thomas Sternberg ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) ist als Zusammenschluss von Vertretern der Diözesanräte, der katholischen Verbände, von Institutionen des Laienapostolates und weiteren Persönlichkeiten aus Kirche und Gesellschaft die Dachorganisation der katholischen Laien in der Bundesrepublik. Entsprechend dem Dekret des II. Vatikanischen Konzils über das Apostolat der Laien (Nr. 26) ist das ZdK das von der Deutschen Bischofskonferenz anerkannte Organ, das die Kräfte des Laienapostolats koordiniert und das die apostolische Tätigkeit der Kirche fördern soll. Das ZdK ging aus dem 1868 gebildeten Zentralkomitee zur Vorbereitung der Deutschen Katholikentage hervor und ist auch heute für Planung und Durchführung dieser Veranstaltungen verantwortlich. Das Generalsekretariat des ZdK sitzt in Bonn.
Kontakt: Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), Generalsekretariat, Hochkreuzallee 246, 53175 Bonn, Postanschrift: Postfach 24 01 41, 53154 Bonn, Tel. 0228 / 38 297-0, Fax 0228 / 38 297-44, E-E-Mail: info@zdk.de, Internet: http://www.zdk.de

Sonntag, 20.05.2018