Pfarrer Jörg Meyrer und die Flut

von Stefan Klinkhammer

Sonntag, 03.07.2022

Buchcover Bonifatius-Verlag
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Es waren dramatische Stunden, die viel verändert und noch viel mehr zerstört haben. Fast genau ein Jahr ist jetzt die schreckliche Flutkatastrophe her und noch immer sind diese Stunden bei vielen präsent. So wie bei Pfarrer Jörg Meyrer aus dem Ahrtal…

INFO: 14. Juli 2021. Eine Katastrophe biblischen Ausmaßes zerstört im Westen Deutschlands einen ganzen Landstrich. Mit am stärksten betroffen ist das Ahrtal. Durch die engen Gassen tost eine Flutwelle der Vernichtung. Sie kostet Leben, zerstört Existenzen. Dort, wo sonst eher idyllische Weinberge und malerische Orte das Bild prägen, findet sich am Tag danach Schlamm, Müll, Verwesung. Und Überlebende im Ausnahmezustand – bis heute. „Der Zusammenhalt ist das hellste Licht“, sagt Jörg Meyrer. Seit der Flutnacht steht er als Seelsorger zusammen mit Kolleginnen und Kollegen den Menschen zur Seite: „Einfach da sein. Ganz praktisch. Und zuhören, wie die Menschen ihre Flutgeschichten erzählen.“ Mehr war nicht möglich. Und dann: Aushalten, wenn die Tränen kommen und Verzweiflung aufsteigt angesichts der Aufgabenberge. Ungeschönt ehrlich erzählt Jörg Meyrer von Menschen, Begegnungen, praktischer Hilfe, seinen Zweifeln und seinem Schweigen gegenüber Gott, der ungeahnten Hilfsbereitschaft anderer und der Hoffnung, die viele im Zusammenhalten finden.

Das Buch: Jörg Meyrer, Zusammenhalten. Als Seelsorger im Ahrtal, 256 Seiten, ISBN 978-3-89710-934-6, auch als E-Book erhältlich, erschienen am 15.06.2022

Gedenkgottesdienste im Ahrtal ein Jahr nach der Flutkatastrophe

Die Menschen im Ahrtal gedenken in den kommenden Wochen in mehreren Gottesdiensten der Opfer der Flutkatastrophe vor einem Jahr. So ist am 15. Juli in Ahrbrück ein Openair-Gottesdienst mit dem Trierer Bischof Stephan Ackermann und dem evangelischen Präses im Rheinland Thorsten Latzel geplant, wie das Bistum Trier auf Anfrage am Mittwoch mitteilte. Es gehe darum, Trauer und Sorgen Raum zu geben und an die Toten zu erinnern. Zugleich seien die Menschen dankbar für die erlebte große Solidarität.

Am 17. Juli überträgt das ZDF live einen Gottesdienst aus der stark beschädigten Laurentiuskirche in Ahrweiler mit Pfarrer Jörg Meyrer. Darüber hinaus ist am 14. Juli ein Gedenkgottesdienst in Schuld geplant. In Trier, wo die Fluten vor allem im Stadtteil Ehrang Zerstörung anrichteten, findet am 15. Juli eine ökumenische Feier statt.

Die verheerenden Unwetter richteten am 14. und 15. Juli 2021 große Zerstörungen an, in Deutschland vor allem in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen. Tausende Häuser und weite Teile der Infrastruktur wurden zerstört und beschädigt. Mehr als 180 Menschen starben; davon 135 in Rheinland-Pfalz, die meisten im Ahrtal. Von den rund 65.000 Menschen, die laut Landesregierung in Rheinland-Pfalz von der Naturkatastrophe betroffen sind, leben etwa 42.000 an der Ahr.

Vier Millionen Euro für Opfer der Flutkatastrophe

Die Caritas hat im Erzbistum Köln bislang rund vier Millionen Euro an Betroffene der Flutkatastrophe ausgezahlt. 1,6 Millionen Euro entfielen auf Soforthilfen (200 Euro pro Person) unmittelbar nach der Flut in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021. 2,4 Millionen Euro wurden als Haushaltsbeihilfen (bis 5.000 Euro) gezahlt. Diese gaben die Menschen etwa für die Anschaffung neuer Einrichtungsgegenstände, Kühlschränke und Waschmaschinen aus.

„Wir konnten bis heute mehr als 6.200 Betroffenen helfen. Viele haben sich allerdings noch gar nicht gemeldet oder sind mit der Antragstellung auf Wiederaufbauhilfen des Landes beschäftigt“, zieht Michaela Szillat, Fluthilfekoordinatorin des Kölner Diözesan-Caritasverbandes, kurz vor dem Jahrestag der Flut Bilanz. Sie geht davon aus, dass im Erzbistum Köln mehr als 60.000 Menschen von der Flut betroffen sind. Vor allem im Kreis Euskirchen, im Rhein-Erft- und Rhein-Sieg-Kreis sowie in der Region Wuppertal / Solingen richtete das Hochwasser teils verheerende Schäden an. Betroffen waren auch Teile von Leverkusen, Düsseldorf, Köln und Rösrath.

Die Caritas ist vom ersten Tag an vor Ort, leistet finanzielle Hilfe aus Spendenmitteln von Caritas international und „NRW hilft“ und berät in insgesamt sechs Caritas-Fluthilfebüros. Die Mitarbeitenden unterstützen die Menschen dabei, Anträge auf finanzielle Hilfen an das Land NRW zu stellen. „Darüber hinaus organisieren die Fluthilfebüros Baustoffe und Werkzeug. Sie stellen Kontakt zu Städten, Gemeinden und Landkreisen her, helfen bei der Wohnungssuche und vermitteln an weiterführende Beratungsstellen der Caritas. Vor allem aber hören sie zu“, so Szillat.

Je länger die Flutnacht zurückliegt, desto höher wird die Zahl derjenigen, die psychosoziale Beratung in Anspruch nehmen. Das gilt für die Betroffenen genauso wie für die Helfenden, die in der Flutnacht oft selbst ihr Leben riskiert haben.

Im eher weitläufigen Rhein-Sieg-Kreis und in anderen ländlichen Regionen des Erzbistums besuchen Caritas-Mitarbeitende Betroffene zuhause. „Wegen der teils großen Entfernungen ist es den Menschen nicht überall zuzumuten, in die Fluthilfebüros zu kommen. Deshalb suchen unsere Koordinatorinnen und Koordinatoren die Menschen auch zuhause auf und erkundigen sich, welche Hilfe noch benötigt wird“, so Szillat.

Insgesamt spendeten die Menschen bis heute knapp 49,9 Millionen Euro an Caritas international, um Flutopfern zu helfen. Elf Millionen Euro davon wurden bislang an die Betroffenen in den Flutgebieten der Bistümer Trier, Köln, Aachen, Paderborn und Essen ausgezahlt. Die weiteren Spenden werden für die so genannte Wiederaufbauhilfe eingesetzt, die erst jetzt beginnt. Größere Summen dürfen nämlich erst dann ausgezahlt werden, wenn Ansprüche bei Versicherungen und staatlichen Stellen geklärt sind.

Weitere Informationen: www.caritasnet.de/themen/informationen-zur-flutkatastrophe/

 

Sonntag, 03.07.2022