NRW: Sechs Monate nach der Flut

von Stefan Klinkhammer

Sonntag, 16.01.2022

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Bildmotive: Caritas

Genau sechs Monate ist die schwere Flutkatastrophe her. Besonders hier in NRW waren viele Orte und Gemeinden betroffen. Im Kreis Euskirchen hat die Caritas seitdem vielen Betroffenen geholfen – und wird ihnen auch noch lange zur Seite stehen...

INFO: Bei der Flutkatastrophe im Juli 2021 kamen in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen mehr als 180 Menschen ums Leben. Von den 134 Todesopfern in Rheinland-Pfalz starben die meisten im Ahrtal. Die Flut zerstörte und beschädigte in den betroffenen Gebieten tausende Häuser und weite Teile der Infrastruktur. Schon vor der vom Staat in Aussicht gestellten Hilfe waren bereits die Hilfswerke dort aktiv. Zum 1. Dezember 2021startete jetzt die Caritas Euskirchen in ihrem Zuständigkeitsbereich auch ein „Hochwasserhilfebüro“: Für zunächst zwei Jahre stehen hier Sozialarbeiter Betroffenen in der Region mit Rat und Hilfe beim Wiederaufbau und der Aufarbeitung der Erlebnisse der Flutnacht vom 14. auf 15. Juli zur Seite stehen. „Wir werden neben der Beratung und Hilfe in finanziellen und Behördenangelegenheiten unseren Fokus auf den Ausbau und die Schaffung von psychosozialen Angeboten, die Schaffung von Netzwerken sowie Orten des Austauschs und der Begegnung für die Betroffenen legen“, erklärt Caritasvorstand Maria Surges-Brilon. Dabei strebe man eine breite Kooperation mit anderen Trägern, Kommunen und Kirchengemeinden an und werde auch die vorhandenen Dienste und Hilfestrukturen der Caritas Euskirchen einbinden.
Bereits direkt nach der Flutkatastrophe war der Wohlfahrtsverband in die Soforthilfe für Flutopfer und die Beratung und Auszahlung von Spendengeldern etwa von „Caritas International“ und „NRW Hilft“ eingestiegen. „Fast 3.000 Menschen konnten wir bisher so beraten und unterstützen. Und das zu Beginn unter schwierigsten Umständen, da der Verband selbst hart von der Flut getroffen wurde“, berichtet Caritasvorstand Martin Jost. Er hat gemeinsam mit Surges-Brilon die Fluthilfen aufgebaut und auch das „Hochwasserhilfebüro“ geplant und beantragt, das mit beraterischer Unterstützung durch den Diözesan Caritasverband Köln und finanzieller Unterstützung durch Caritas International an den Start ging.

Adresse: Angesiedelt ist das Büro in der Kapellenstraße 14 mitten in der Innenstadt, 53879 Euskirchen. Unter Tel. 02251 9419162 und 0176 / 14546561 oder unter fluthilfe@caritas-eu.de finden Betroffene von Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 14:00 Uhr sowie nach Vereinbarung ein offenes Ohr und können Beratungstermine vereinbaren. Kontakt: Caritasverband für das Kreisdekanat Euskirchen e.V., Wilhelmstr. 52, 53879 Euskirchen, Tel. 02251 / 70 00-0, Fax 02251 / 70 00-66, E-Mail: info@caritas-eu.de, Internet: https://caritas.erzbistum-koeln.de/euskirchen_cv/ und www.caritas-eu.de.

Tausende Menschen warten noch auf Wiederaufbauhilfe: Mehr als sechs Monate nach dem verheerenden Hochwasser warten immer noch Tausende Flutopfer auf die Auszahlung der Wiederaufbauhilfen. „Die Geduld der Betroffenen ist am Ende, und das ist nachvollziehbar. Das Land ist in der Pflicht, seine Zusage einer schnellen und unbürokratischen Auszahlung endlich einzulösen“, erklärte am 5. Januar 2022 Andreas Sellner, Flut-Koordinator des Diözesan-Caritasverbandes für das Erzbistum Köln. Wie aus einem internen Schreiben der Kölner Bezirksregierung bekannt wurde, stehe das Land erst am Anfang der Bearbeitung - offenbar sei ein Großteil der Stellen, die für die Bearbeitung der Anträge vom Land NRW in Aussicht gestellt wurden, noch immer nicht besetzt.
Aus den Spendenmitteln, die von Caritas international zur Verfügung gestellt wurden, sind im Erzbistum Köln bisher rund 3,8 Millionen Euro an Soforthilfen und Haushaltsbeihilfen an über 6200 Haushalte gezahlt worden. Weitere Spendengelder für den Wiederaufbau können allerdings erst dann ausgezahlt werden, wenn staatliche Gelder und Leistungen der Versicherungen bereits geflossen sind. Grund dafür ist das Prinzip der Nachrangigkeit. „Es geht viel zu langsam voran, erst recht angesichts der jetzt kalten und regnerischen Zeit. Die Flutopfer brauchen das Geld sofort“, so Sellner. „Das Land NRW sollte deshalb so schnell wie möglich Abschlagszahlungen leisten, um die Not wenigstens etwas zu lindern.“
Die Verbände der Caritas im Erzbistum Köln begleiten die Betroffenen seit Beginn der Flut-Katastrophe im Juli 2021. Zunächst ging es um die unbürokratische Auszahlung von Sofort- und Haushaltsbeihilfen. Inzwischen helfen Flut-Teams und Koordinatoren vor Ort – vor allem in Wuppertal, im Kreis Euskirchen und im Rhein-Erft-Kreis – bei der Antragsbearbeitung und mit Angeboten einer psychosozialen Beratung. Im Erzbistum Köln sind mehr als 60.000 Menschen von der Flut betroffen. 

Kontakt: Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln e.V., Stabsabteilung Information und Kommunikation, Georgstr. 7, 50676 Köln, Tel (02 21) 20 10 284 , E-Mail: presse@caritasnet.de Internet: www.caritasnet.de, Facebook: www.facebook.com/caritas.erzbistum.koeln

Caritaspräsidentin Staatliche Hilfen für Flutopfer zu langsam: Auch Caritaspräsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa forderte die Behörden auf, Anträge von Betroffenen der Hochwasserkatastrophe im Juli schneller zu bearbeiten. „Die versprochenen staatlichen Hilfen laufen zu langsam an“, kritisierte sie am 6. Januar 2022 nach einem Besuch im Ahrtal in einem Online-Pressegespräch. Von den Ortscaritasverbänden höre sie, dass die staatlichen Stellen derzeit „an vielen Stellen unverständlich langsam“ arbeiteten. So gebe es beispielsweise mit Blick auf die große Zahl betroffener Haushalte zu wenige Gutachter. In der Folge verzögerten sich grundsätzliche Entscheidungen, es fehle Planungssicherheit. Auch seien die Verfahren sehr bürokratisch. Die Caritas stellt den Angaben zufolge 20 Millionen Euro für den Wiederaufbau von Wohnraum zur Verfügung. Diese Gelder können demnach nur ausbezahlt werden, wenn Versicherungs- und staatliche Gelder bereits geflossen sind. „Viele Familien leben noch immer in Provisorien und merken im Corona-Winter 2022 besonders schmerzhaft, was ihnen alles geraubt wurde“, sagte Welskop-Deffaa.
Bislang unterstützte die Caritas Flutbetroffene eigenen Angaben zufolge mit neun Millionen Euro. Davon flossen sechs Millionen Euro in Soforthilfen, beispielsweise für Waschmaschinen oder Kühlschränke. Drei Millionen Euro entfallen auf psychosoziale Angebote.
Welskop-Deffaa verwies auf zahlreiche weitere Naturkatastrophen weltweit, die sich in etwa zeitgleich zum Hochwasser in Deutschland ereignet hatten. „Wetter- und Naturkatastrophen nehmen als direkte Folge der Klimakrise seit Jahren weltweit zu, kein Teil der Erde bleibt davon verschont - während Deutschland überflutet war, gingen in Kanada Dörfer in Flammen auf, derzeit steht Brasilien unter Wasser“, sagte die Caritaspräsidentin. Sie sprach von einer „Veralltäglichung von Katastrophen“, die nicht zum Motor einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ werden dürfe und forderte, dem eine „Globalisierung der Solidarität“ entgegenzustellen. Die Klimakrise müsse entschärft werden. (KNA)

Sonntag, 16.01.2022