Libanon: Hilfe ist gefragt

von Christof Beckmann

Sonntag, 16.08.2020

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Collage: KIP-NRW

Der Libanon: Wiege der Zivilisation, biblisches Land mit großer Geschichte - es steht vor dem Kollaps. Die Belastungen der benachbarten Kriege, die innere Unstabilität und die Korruption machten es schon lange zum gefährdeten Staat...

INFO: Bei einer Explosion in einer offenbar ungesicherten Lagerhalle im Hafen der libanesischen Hauptstadt Beirut verloren am 4. August mindestens 156 Menschen ihr Leben; mehr als 6.000 wurden verletzt und rund 300.000 obdachlos. Große Teile des Hafens, Libanons Lebensader und Einnahmequelle, Schiffe, Gebäude und Straßen wurden zerstört. Die Wucht der Explosion war so stark, dass durch die Druckwelle selbst in rund 20 Kilometern Entfernung noch Scheiben zersplitterten. Zahlreiche Krankenhäuser, wegen der Corona-Pandemie bereits vorher im Ausnahmezustand, konnten keine weiteren Verletzten aufnehmen. Die Stadt wurde zum Katastrophengebiet erklärt.

Das System des nach 18 Religionsgruppen aufgeteilten Landes hatte nach dem Bürgerkrieg (1975-1990) Stabilität garantiert, gleichzeitig aber in eine komplette Reformunfähigkeit geführt: Seit März ist der Libanon zahlungsunfähig. Corona-Beschränkungen legten die Wirtschaft zusätzlich lahm. Mit mehr als 1,5 Millionen syrischen Flüchtlingen, 40 Prozent Arbeitslosen und einer Währung im freien Fall beschleunigte die Explosion den Kollaps. Zu einer Staatsverschuldung von rund 90 Milliarden US-Dollar werden bis zu 15 Milliarden für den Wiederaufbau Beiruts hinzukommen. Ein Fanal für das Land, das eine Schlüsselrolle im so instabilen und friedlosen Nahen Osten spielt.

Das katholische Hilfswerk Misereor in Aachen hatte der Arbeit in dem Staat bereits die Fastenaktion 2020 gewidmet. Unter dem Motto „Gib Frieden“ stellte das Werk für Entwicklungszusammenarbeit die Arbeit von Partnerorganisationen in Syrien und Libanon in den Mittelpunkt, die angesichts von Krieg, Terror und Vertreibung um ein friedliches Zusammenleben von Menschen ringen. Die von großer ethnischer, religiöser und kultureller Vielfalt geprägte Region ist von zahlreichen Konflikten und vor allem von dem seit neun Jahren andauernden Krieg in Syrien gezeichnet. Das kleine Land Libanon hat die meisten syrischen Flüchtlinge weltweit aufgenommen. Hier helfen die MISEREOR-Partnerorganisationen „Flüchtlingsdienst der Jesuiten“ und „Pontifical Mission“ den Menschen vor allem durch Bildungsarbeit und psychosoziale Hilfe, um Grundsteine für ein friedliches Zusammenleben zu legen.

Für MISEREOR-Geschäftsführer Martin Bröckelmann-Simon haben Europa und die internationale Gemeinschaft den Libanon zu lange allein gelassen: „Die Flüchtlingsversorgung durch UNHCR war und ist dauerhaft unterfinanziert“, klagte das Werk in dieser Woche. „Das Land hat schon vor der Katastrophe am vergangenen Dienstag an vier übergroßen Lasten getragen: seit Jahren die weltweite höchste Pro-Kopf-Aufnahme an Flüchtlingen in einem so kleinen Land, eine anhaltende Finanz- und Wirtschaftskrise mit dramatischer Verschuldung und Inflation, eine seit Monaten andauernde, tiefgreifende politische Krise und eine zuletzt wieder rasant ansteigende Zahl von Corona-Infektionen. Nun ist mit der verheerenden Explosion auch noch eine fünfte schwere Last hinzugekommen.“ Die libanesischen MISEREOR-Partnerorganisationen appellierten daher an den deutschen Außenminister vor seinem Besuch im Libanon, sich für schnelle Aufbauhilfe für das Gesundheitssystem und im Bildungsbereich zu engagieren: „Krankenhäuser und Schulen müssen repariert werden. Kirchliche und andere zivilgesellschaftliche Akteure sollten hier eine Schlüsselrolle einnehmen, auch weil die Menschen ihr Vertrauen in staatliche Systeme verloren haben. MISEREOR-Partnerorganisationen erwarten daher eine enge Zusammenarbeit mit den internationalen Gebern, um den Menschen möglichst schnell und effizient helfen zu können.“ Zudem müsse sich die deutsche Bundesregierung in ihrer EU-Ratspräsidentschaft „für mutige Lösungen einsetzen, um die Schuldenlast des Libanon - gekoppelt an eine tiefgreifende Reform des politischen Systems und einen fairen überwachten Ablauf der nun nötigen Neuwahlen – drastisch zu verringern“, so Bröckelmann-Simon: „Wir fordern Außenminister Maas auf, dies in Beirut, aber auch in Brüssel und hinsichtlich eines internationalen Insolvenzrechtes beim Währungsfonds in Washington in aller Deutlichkeit vorzubringen. Die libanesische Zivilgesellschaft agiert in dieser katastrophalen Lage mutig, solidarisch und kreativ. Zukunftsfähige Lösungen erfordern jedoch zugleich strukturelle, vertrauensbildende politische Veränderungen mit Unterstützung durch die internationale Politik. Dazu gehört auch die Einrichtung einer internationalen Untersuchungskommission zur Aufklärung der tatsächlichen Ursachen der Katastrophe und Hilfe bei der zügigen Umsetzung von Neuwahlen.“

MISEREOR-Spendenkonto 10 10 10, Pax Bank Aachen, BLZ 370 601 93, IBAN DE75 3706 0193 0000 1010 10, BIC GENODED1PAX, - MISEREOR im Netz: www.misereor.de, MISEREOR-Blog: https://blog.misereor.de/, Twitter: www.twitter.com/misereor, Facebook: www.facebook.com/misereor, Instagram: www.instagram.com/misereor. Die Explosionskatastrophe im Libanon: Aktuelles, Die Explosionskatastrophe im Libanon, Die Katastrophe, Die Reaktionen, So wird geholfen, So kann jeder helfen

Reaktionen: Papst Franziskus rief Bischöfe, Priester und Ordensleute im Libanon auf, den Menschen besonders nah zu sein. Die Explosions-Katastrophe in Beirut vom Dienstag verlange von allen, angefangen bei den Libanesen selbst, „für das Wohl dieses geliebten Landes zusammenzuarbeiten“, so der Papst bei seinem Mittagsgebet am vergangenen Sonntag auf dem Petersplatz. Das Land habe eine eigene Identität, geprägt durch das Zusammenleben verschiedener Kulturen. Diese Koexistenz jedoch sei „im Moment sehr zerbrechlich“, mahnte der Papst. „Mit Gottes Hilfe und der loyalen Beteiligung aller“ könne das Zusammenleben aber wieder gestärkt werden. Der Vorsitzende der EU-Bischofskommission COMECE, Kardinal Jean-Claude Hollerich, erklärte, die katholische Kirche in der EU stehe an der Seite des libanesischen Volkes und auch der vielen Flüchtlinge, die „in Brüderlichkeit von diesem kleinen aber großzügigen Land aufgenommen wurden“. Der Libanon spiele „eine Schlüsselrolle für den Frieden im gesamten Mittleren Osten“, so der Luxemburger Erzbischof Hollerich. Die EU-Bischöfe begrüßten das schnelle Reagieren und die Hilfsangebote europäischer Staaten.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, zeigte sich „erschrocken und erschüttert“, auch die Konferenz der Europäischen Rabbiner sprach dem Libanon volle Solidarität aus. Mit Trauer und Bestürzung reagierte der Zentralrat der Muslime in Deutschland. Bei einer ersten Online-Geberkonferenz auf Initiative Frankreichs kamen Soforthilfe-Zusagen in Höhe von 200 Millionen Euro zusammen, 20 Millionen davon aus Deutschland. Aus den Mitteln soll der Wiederaufbau von Beirut, medizinisches Material, sowie Nahrungsmittelhilfe finanziert werden. In zwei Gesundheitszentren sowie mit mobilen Teams der Caritas Libanon werden Verletzte versorgt, Hilfszusagen kamen von Caritas international, dem Vatikan, dem Erzbistum Köln, dem Erzbistum Paderborn und anderen deutschen Bistümern. Auch Projektpartner von Missio Aachen sind von den Auswirkungen der Explosion betroffen und bitten um Unterstützung.

KONTEN: Caritas international, Freiburg, Stichwort: „Explosion Beirut", IBAN: DE88 6602 0500 0202 0202 02, Bank für Sozialwirtschaft Karlsruhe, BIC: BFSWDE33KRL oder online unter: https://www.caritas-international.de/spenden/; Diakonie Katastrophenhilfe, Berlin, IBAN: DE68 5206 0410 0000 5025 02, Evangelische Bank eG, BIC GENODEF1EK1, oder online unter www.diakonie-katastrophenhilfe.de/spenden/, Aktion Deutschland Hilft“: Bank für Sozialwirtschaft, IBAN: DE62 3702 0500 0000 10 20 30, Stichwort „Beirut/Libanon“, www.aktion-deutschland-hilft.de

Video: Soforthilfe nach Explosion in Beirut - Helferinnen und Helfer von Malteser International - Hilfe weltweit aus #Beirut und Freiwillige des Order of Malta Lebanon leisten nach der gewaltigen Explosion in Beirut einen wichtigen Beitrag, um den betroffenen Menschen zu helfen. Mehr Infos zu den Hilfeleistungen hier https://mint.ngo/33NJUC5

 

Sonntag, 16.08.2020