Fünf Jahre „Wir schaffen das“

von Gabriele Höfling

Sonntag, 02.08.2020

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Sommer 2015: Am Hauptbahnhof von München werden Züge voller Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen. Mit dabei waren auch Kardinal Reinhard Marx und der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm. Nach fünf Jahren ziehen sie Bilanz ...

INFO: „Mehr als eine Million Menschen haben sich in den vergangenen Jahren auf den gefährlichen Weg nach Europa gemacht. Sie sind auf der Suche nach einem Leben in Würde, Freiheit und Sicherheit. Was zuvor für viele Europäer ein abstrakter Gedanke war, wird nun im Alltag erfahrbar: Wir sind Teil einer globalen Schicksalsgemeinschaft“, heißt es auf den Themenseiten der Deutschen Bischofskonferenz, die im Internet über die Flüchtlingshilfe informieren: „Angesichts der großen Zahl schutzsuchender Menschen ereignet sich die von Papst Franziskus geforderte „Globalisierung der Nächstenliebe“ auch inmitten unseres Landes. Sie ist die christliche Antwort auf die „Globalisierung der Gleichgültigkeit“, die der Papst bei seinem Besuch auf der Flüchtlingsinsel Lampedusa mit eindringlichen Worten beklagte. Als Christen begegnen wir den Herausforderungen unserer Tage nicht mit Angst und Resignation, sondern mit wacher Zuversicht und tatkräftigem Engagement.“

Sonderbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz ist seit 2015 der Erzbischof von Hamburg, Erzbischof Dr. Stefan Heße. Seinem Arbeitsstab gehören neben Fachleuten der inländischen und internationalen Flüchtlingshilfe der Caritas diözesane Migrations- und Flüchtlingsbeauftragte, Vertreter der Ordensgemeinschaften und der katholischen Siedlungswerke sowie Mitarbeiter des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz und des Katholischen Büros in Berlin an. Die von der Bischofskonferenz im Februar 2016 verabschiedeten „Leitsätze des kirchlichen Engagements für Flüchtlinge“ fasst die theologischen Grundlagen des kirchlichen Dienstes für die Flüchtlinge zusammen sowie die zentralen Aufgaben, die sich den (Erz-)Bistümern, den Orden, der Caritas und den katholischen Organisationen stellen. Der Text unterstreicht, dass die Fürsorge für Flüchtlinge und Migranten zum Selbstverständnis der Kirche gehört, nicht an einzelne Träger sozialer Arbeit delegiert werden kann, sondern sich auf allen Ebenen des kirchlichen Lebens – und in ökumenischer Zusammenarbeit – vollziehen muss.

Zur Hilfe für Geflüchtete im In- und Ausland wurden seit 2015 finanzielle Mittel in Höhe von bislang 700 Mio. Euro eingesetzt (Stand: 2019), rund 1.500 kirchliche Gebäude wurden nach den Daten für 2015-17 zur Verfügung gestellt. Über 5.000 hauptamtliche Mitarbeiter und rund 44.500 Ehrenamtliche sind in der Flüchtlingshilfe tätig. Mehr: Flüchtlingshilfe in Zahlen, Seelsorge, Ansprechpartner in den (Erz-)Bistümern.

An Diözesen, Pfarrgemeinden und Ordensgemeinschaften, katholische Hilfswerke, Bildungseinrichtungen sowie Akteure aus Politik und Zivilgesellschaft richtet sich die Schrift „Pastorale Orientierungen zu Binnenvertriebenen“, die der Vatikan am 5. Mai 2020 veröffentlicht hat. Das Dokument kann auf Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch unter www.migrants-refugees.va heruntergeladen werden. Papst Franziskus hat seine Botschaft zum diesjährigen 106. Welttag des Migranten und des Flüchtlings am 13. Mai 2020 unter dem Thema „Wie Jesus Christus, zur Flucht gezwungen. Aufnahme, Schutz, Förderung und Integration der Binnenvertriebenen“ veröffentlicht. Der Welttag wird weltweit am 27. September 2020 begangen, in Deutschland ist er Bestandteil der Interkulturellen Woche (27. September bis 4. Oktober 2020).

Unsere Gesprächspartner:

Dr. Reinhard Marx wurde 1953 im westfälischen Geseke geboren und studierte Theologie und Philosophie in Paderborn, Paris, Münster und Bochum, 1989 wurde er zum Doktor der Theologie promoviert. Von Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt erhielt Marx 1979 in Paderborn die Priesterweihe, 1996 die Bischofsweihe. Nach seiner Tätigkeit als Weihbischof im Erzbistum Paderborn wurde er am 20. Dezember 2001 zum Bischof von Trier ernannt und am 1. April 2002 in sein Amt eingeführt. Seit 2. Februar 2008 ist Marx Erzbischof von München und Freising, 2010 wurde er von Papst Benedikt XVI. ins Kardinalskollegium aufgenommen. Von 2012 bis 2018 war Kardinal Marx Präsident der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (ComECE). Papst Franziskus berief Marx im April 2013 in den Kardinalsrat, der den Papst bei der Leitung der Weltkirche und bei der Reform der Kurie beraten soll. 2014 wurde er zum Koordinator des neu geschaffenen vatikanischen Wirtschaftsrats ernannt. Von 2014-2020 war Marx Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz. In ihr ist Marx Mitglied der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen. Mehr: www.erzbistum-muenchen.de.

Prof. Dr. Heinrich Bedford-Strohm, Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Vorsitzender des Rates der EKD, ist Jahrgang 1960 und stammt aus Memmingen. Nach dem Studium der Theologie in Erlangen, Heidelberg und Berkeley (USA) war er ab 1989 Assistent am Lehrstuhl Systematische Theologie und Sozialethik an der Universität Heidelberg, wurde dort 1992 promoviert („Vorrang für die Armen. Auf dem Weg zu einer theologischen Theorie der Gerechtigkeit“) und war 1992-1994 Gastvikar in der evangelischen Kirchengemeinde Heddesheim (Baden). 1995 übernahm er eine Dietrich-Bonhoeffer-Gastprofessur für Sozialethik am Union Theological Seminary in New York, war 1997-1999 Pfarrer in Coburg und habilitierte sich 1998 an der Universität Heidelberg („Gemeinschaft aus kommunikativer Freiheit. Sozialer Zusammenhalt in der modernen Gesellschaft aus theologischer Sicht“). Nach Professurvertretung an der Universität Gießen übernahm er 2004-2011 den Lehrstuhl für Systematische Theologie und Theologische Gegenwartsfragen, war 2007-2011 Leiter der Dietrich-Bonhoeffer-Forschungsstelle für Öffentliche Theologie an der Universität Bamberg, 2006-2009 Dekan der Fakultät Humanwissenschaften und Professur an der Universität Stellenbosch/Südafrika. Seit 2011 ist Bedford-Strohm Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, seit 2013 Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und seit 2014 Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Sonntag, 02.08.2020