Fronleichnam: Unglaublich. Begegnungen mit dem Heiligen

von Christof Beckmann

Donnerstag, 19.06.2025

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Ausstellungsplakat (Ausschnitt)

Heute geht’s um das „Allerheiligste“. Für Katholiken jedenfalls - eigentlich nur für sie, oder? Denn alle anderen haben vielleicht einen völlig anderen Blick auf die Sache. Oder es ist ihnen etwas ganz anderes heilig. Das zeigt eine Ausstellung in Telgte…

INFO: Am „Hochfest des Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christus“ (Fronleichnam) ein Blick auf das, was alles „heilig“ sein kann: „Für die meisten Menschen ist es heute unglaublich, dem Heiligen oder Göttlichen zu begegnen, für Gläubige ist dies eine unglaublich faszinierende Erfahrung“, heißt es dazu in der Ankündigung der aktuellen Ausstellung im Museum Religio in Telgte. Sie „lädt dazu ein, über das Heilige in Geschichte und Gegenwart nachzudenken – nicht nur als religiöses Konzept, sondern als eine Dimension, die über das Alltägliche hinausweist. Dabei werden auch individuelle und säkulare Vorstellungen mit einbezogen.“ Hier zeigen persönliche „Heiligtümer“ aus westfälischen Privathaushalten, wie vielfältig Menschen das Heilige heute für sich deuten, denn nicht nur Heiligenfiguren und religiöse Bilder, sondern auch die Gitarre oder die ersten Schuhe des Kindes werden heute als heilig empfunden.

Zum Jubiläum „1250 Jahre Westfalen“ befasst sich die Ausstellung fachübergreifend mit dem Phänomen des Heiligen in Westfalen zu unterschiedlichen Zeiten und in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen. Dabei geht es auf eine spannende Reise durch verschiedene Epochen und religiöse Traditionen zu vorchristlichen Kultstätten und christlichen Wallfahrtsorten, Heiligenverehrung, religiösen Ritualen und modernen spirituellen Praktiken. „Die Ausstellung zeigt die christliche Prägung Westfalens, jüdische Traditionen und religiöse Vielfalt der Gegenwart. Dabei erweist sich das Heilige als eine gemeinsame Grundlage der Religionen. Das zeigen auch die heiligen Schriften. Die Ausstellung präsentiert Bibelausgaben, die in Westfalen gedruckt und verbreitet waren. Auch die jüdische Tora und Korane sind zu sehen, darunter eine historische Koranübersetzung aus einem westfälischen Kloster. Wertvolle Schriften und außergewöhnliche Altäre stammen aus den Sammlungen der Universität Münster.“ Zudem veranschaulichen Gemälde von Miriam Vlaming, einer zeitgenössischen Künstlerin, die als bedeutendste weibliche Vertreterin der sogenannten Neuen Leipziger Schule gilt, wie Kunst – besonders gegenstandslose Malerei – einen Zugang zu Transzendenz und dem Heiligen ermöglichen kann. Besucherinnen und Besucher können an verschiedenen Stellen aktiv werden, an einer Abstimmstation über Feiertage oder einer Riechstation zu heiligen Düften.

Das Projekt „Unglaublich. Begegnungen mit dem Heiligen“ wird von der LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Kulturprogramms zum Jubiläumsjahr 2025 „1250 Jahre Westfalen“ gefördert. Schirmherr des Kulturprogramms ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Zudem wird das Projekt von der Stiftung der Sparkasse Münsterland Ost gefördert. Mehr: https://museum-telgte.de/portfolio/unglaublich-begegnungen-mit-dem-heiligen/

Öffnungszeiten: Montag geschlossen, Dienstag bis Sonntag: 11:00 – 18:00 Uhr. Für angemeldete Gruppen und Schulklassen sind auch Termine außerhalb der regulären Öffnungszeiten möglich. Für Auskünfte und Terminbuchungen erreichen Sie uns am Wochenende nur telefonisch unter 02504-93120. Für alle Veranstaltungen und Führungen wird zur besseren Planung eine Anmeldung erbeten. Öffentliche Führung am zweiten Sonntag des Monats um 15 Uhr.

Eintrittspreise: Eintrittspreise Schausammlung Erwachsene 5 Euro, ermäßigt 4 Euro, Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre: Eintritt frei, Teilnehmer von Gruppenwallfahrten: 2,50 Euro, Sonderausstellung inkl. Schausammlung Erwachsene 7 Euro, ermäßigt 6 Euro, Kinder und Jugendliche bis 21 Jahre: Eintritt frei, Teilnehmer von Gruppenwallfahrten: 3,50 Euro. Ermäßigung erhalten Gruppen ab 12 Personen, Studierende (mit Ausnahme „Studium im Alter“) und Mitglieder des Heimatvereins Telgte.

RELíGIO, Westfälisches Museum für religiöse Kultur: 1934 fand im damaligen Wallfahrts- und Heimatmuseum die erste Ausstellung mit Weihnachtskrippen statt. Seitdem wurden außer in den sechs kriegsbedingten Schließungsjahren in jedem Jahr eine Ausstellung mit Krippen gezeigt. Durch die enge Beziehung zur Landesgemeinschaft der Krippenfreunde von Rheinland und Westfalen und den seit 1969 vergebenen jährlichen Preis für vorbildliches Krippenschaffen durch das Bistum Münster gewann die Krippenausstellung zunehmend an Bedeutung und die Besucherzahlen stiegen jährlich auf über 40.000 an. 1994 wurde ein eigenständiges Krippenmuseum eröffnet, doch blieb das Museum nie nur ein Museum für Krippen, sondern umfasste schon immer die ganze Frömmigkeitsgeschichte und die Handwerkskunst im Münsterland. Daher wurde das Museum 2011 in RELíGIO umbenannt. Die Krippenausstellungen sind heute ein wichtiges Standbein neben Ausstellungen zu aktuellen religiösen Themen und zum religiösen Dialog.

Kontakt: RELíGIO, Westfälisches Museum für religiöse Kultur, Herrenstr. 1-2, 48291 Telgte, Tel. 02504 / 93120, E-Mail: museum@telgte.de, Internet: www.museum-religio.de.

Unsere Gesprächspartnerin: Dr. Jutta Desel, stv. Museumsleiterin, RELíGIO – Westfälisches Museum für religiöse Kultur, Herrenstraße 1-2, 48291 Telgte, Tel. 02504 / 93120, E-Mail: Jutta.Desel@telgte.de, Internet: www.museum-relígio.de

Wallfahrt nach Telgte: Die örtliche Kirche unter dem Patronat des hl. Sylvester ist schon vor Liudger gegründet worden. Im 13. Jahrhundert war Telgte zunächst ein Wallfahrtsort zum Heiligen Kreuz: Ziel der Pilger und Pilgerinnen war eine Kreuzreliquie, die im Christuskopf eines mit Silberplättchen beschlagenen Eichenholzkorpus (um 1210) eingelassen war. Beides ist noch heute in der Propsteikirche St. Clemens zu sehen. Im 14. Jahrhundert mit zahlreichen Katastrophen verschob sich der Akzent von der Heilig-Kreuz-Wallfahrt zur Marienwallfahrt. In der vor 1348 geschnitzten Pietà mit der trauenden Gottesmutter und ihrem toten Sohn auf dem Schoß fanden viele eine Identifikationsperson. Die Patronin der erstmals 1348 urkundlich erwähnten Liebfrauengilde wurde 1479 mit einer Krone ausgestattet. Im 15. und 16. Jahrhundert stellte eine ganztägige Umtracht am zweiten Dienstag nach Pfingsten Stadt und Kirchspiel unter den göttlichen Schutz gestellt. Viele Votivgaben in der Wallfahrtskapelle waren bereits Ausdruck des Dankes für erfahrene Hilfe, bevor die Verehrung mit Fürstbischof Christoph Bernhard von Galen einen weiteren Aufschwung nahm. Er legte am 1. Juni 1654 den Grundstein für die barocke Wallfahrtskapelle, weihte sie 1657 persönlich ein und ordnete Wallfahrtsprozessionen aus allen Orten seines Bistums nach Telgte an. Es wurde zum „religiösen Herz des Münsterlandes“, so Papst Johannes Paul II.. Heute machen sich jedes Jahr etwa fünfzig große Wallfahrten aus den Kirchengemeinden des Bistums Münster auf den Weg zur Schmerzhaften Mutter nach Telgte. Die Wallfahrt aus dem Nachbarbistum Osnabrück zählt zu den großen Fußwallfahrten Deutschlands, einer der westfälischen Jakobswege führt durch Telgte und die zum 750. Jubiläum der Stadt Telgte ins Leben gerufene Kutschenwallfahrt ist eine besondere örtliche Tradition.

Fronleichnam: Immer am 2. Donnerstag nach Pfingsten wird in der römisch-katholischen Kirche das Fest Fronleichnam gefeiert. Fronleichnam ist gesetzlicher Feiertag in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland sowie in ausgewählten Gemeinden in Sachsen und Thüringen. Der Name klingt morbide, aber mit Sterben und Tod hat dieser Tag rein gar nichts zu tun – ganz im Gegenteil. Das Fest geht zurück auf eine Vision der später heiliggesprochenen Augustinernonne Juliana von Lüttich im Jahre 1209. Sie habe, so wird berichtet, beim Beten den Mond gesehen, der an einer Stelle verdunkelt gewesen sei. Christus habe ihr erklärt, dass der Mond die Kirche bedeute, der dunkle Fleck das Fehlen eines Festes des Eucharistie-Sakraments. Das Wort Fronleichnam leitet sich ab aus dem Althochdeutschen „vron“ für „Herr“ und „licham“ für „Leib“ und bedeutet übersetzt so viel wie „Fest des Leibes und Blutes Christi“. Es erinnert an die Einsetzung des Altarsakraments durch Jesus selbst (Brot und Wein bei der Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier) und wurde zum ersten Mal im Jahr 1246 im Bistum Lüttich gefeiert. Papst Urban IV. führte es 1264 als allgemeines Kirchenfest ein, 1317 legte Papst Johannes XXII. den Donnerstag als Festtag fest.

Zur Fronleichnams-Feier gehört bis heute eine Prozession, bei der die Gläubigen hinter der Monstranz herziehen, die als Symbol für den Leib Christi eine geweihte Hostie enthält. In dieser Art wurde das Fest erstmals 1279 in Köln begangen. Im Mittelalter wurde der Feiertag später zunehmend dazu genutzt, um zusätzliche Ablassgelder zu gewinnen. Nicht zuletzt deshalb war der Reformator Martin Luther ein ausdrücklicher Gegner des Fronleichnamsfestes: Er bezeichnete es 1527 als das „schädlichste aller Feste“ und betrachtete die Prozessionen als unbiblisch und als Gotteslästerung. Nach dem Konzil von Trient (1545 und 1563) gewann das Fest als „antiprotestantische Demonstration“ an Bedeutung, wurde im Barock zunehmend prunkvoller und nach dem von Preußen ausgehenden Kulturkampf zur Demonstration der katholischen Sammlung und Stärke. Auch in der Zeit des Nationalsozialismus erfuhren die Prozessionen eine zusätzliche politische Bedeutung. Heute wirken nicht selten evangelische Pastoren in Amtstracht bei der Fronleichnamsfeier mit: Mit Blick auf die traditionellen Fronleichnamsprozessionen eint katholische und evangelische Christen das biblische Bild vom „wandernden Gottesvolk“, dessen Mitte Christus als das „Brot des Lebens“ ist. In der Orthodoxen Kirche ist die Zurschaustellung des eucharistischen Brotes dagegen unbekannt.

Die Prozession ist seit 1279 besonders traditionsreich in Köln: Hier begleiten heute bei der „Mülheimer Gottestracht“ (www.muelheimer-gottestracht.de) mehr als 100 Boote das große Schiff mit dem Allerheiligsten auf dem Rhein. Fronleichnam ist gesetzlicher Feiertag überwiegend katholischen Gegenden - in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, aber auch in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Bayern, Hessen, im Saarland sowie teilweise in Sachsen und Thüringen.

Donnerstag, 19.06.2025