Franziskaner verlassen Wallfahrtsorte

von Christof Beckmann

Sonntag, 01.09.2019

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v.l.: Pater Ralf Preker OFM, Ursula Altehenger und Dechant Dr. Gerhard Best vor dem Gnadenbild „Trösterin der Betrübten". Bild: pdp / Ronald Pfaff

Über 350 Jahre schon ist franziskanischer Geist im Wallfahrtsort Werl zu Hause. Seit 1661 wird dort eine uralte Madonna verehrt. Nun werden heute die Franziskaner Werl verlassen. Auch im Wallfahrtsort Neviges gehen sie Ende des Jahres. Wie geht's weiter?

INFO: Das Wallfahrtsjahr 2019 in Werl steht vom 1.Mai bis 1.November unter dem Motto „Herr, wohin sollen wir gehen?“ (Joh. 6,68). Nun endet mit dem Abschied des Franziskanerordens am Sonntag im westfälischen Wallfahrtsort Werl eine Ära: Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker verabschiedet die Ordensgemeinschaft um 15 Uhr in einem Pontifikalgottesdienst. Zugleich wird ein dreiköpfiges diözesanes Wallfahrtsteam unter dem Wallfahrtsleiter Dechant Dr. Gerhard Best die Seelsorge für die jährlich 100.000 Pilger übernehmen.

Ziel der Wallfahrt nach Werl – dem drittgrößten Marienwallfahrtsort in Deutschland – ist das Gnadenbild der „Trösterin der Betrübten“. Die aus dem 11. Jahrhundert stammende Marienfigur gelangte 1661 durch Vermittlung des Kölner Kurfürsten und Erzbischofs Maximilian Heinrich in die Wallfahrtsbasilika Mariä Heimsuchung. Zuvor war es in der seit der Reformation evangelischen Kirche Sankt Maria zur Wiese in Soest verehrt worden. Die seit 1645 in Werl ansässigen Kapuziner übernahmen die Organisation der Wallfahrt zur Werler Madonna, die wohl im Rheinland entstanden ist und zu den schönsten Mariendarstellungen Europas zählt: Maria thront auf einem Ringpfostenstuhl und trägt das Jesuskind auf ihren Knien, der zugleich als Weltenrichter erscheint. Sie selbst hält einen Granatapfel in der rechten Hand, der als Symbol der Fruchtbarkeit und der Kirche gilt. 1834 wurden die Kapuziner durch die preußische Regierung vertreiben und das Kloster aufgelöst. 1849 gründeten die Franziskaner ein neues Kloster und mussten es im Kulturkampf zwischenzeitlich - von 1875 bis 1887 – ebenfalls verlassen. Das Gnadenbild in der zwischen 1903 und 1906 erbauten neuromanische Wallfahrtskirche wurde unter Papst Pius X. 1911 erstmals gekrönt, seitdem trägt Maria die Krone zu hohen Feiertagen. 1962 errichteten die Franziskaner mit ihrem Missions- und Völkerkundemuseum „Forum der Völker“ das größte Haus seiner Art in Nordrhein-Westfalen. Es zählt rund 15.000 Exponate und soll in Zukunft durch Unternehmen der Region über eine Stiftung weiter betrieben und erweitert werden. In der Wallfahrtszeit kommen jährlich vom 1. Mai bis Allerheiligen am 1. November weit über 100.000 Pilger nach Werl. Zum 350-jährigen Jubiläum 2011 verzeichnete der Wallfahrtsort rund 200.000 Besucher.

Grund für den Weggang der Franziskaner nach 170 Jahren ist der fehlende Nachwuchs des Ordens und der hohe Altersdurchschnitt. Die rund 260 Mitglieder zählende Deutsche Franziskanerprovinz steht wie viele weitere Ordensgemeinschaften vor großen strukturellen Herausforderungen und Veränderungen: Bereits im Jahr 2013 hatte das Provinzkapitel die Provinzleitung aufgefordert, die Zahl der damals noch 39 Häuser konsequent zu reduzieren, sich von Niederlassungen zu trennen und Aufgaben abzugeben. Mitte Januar 2015 informierten das Erzbistum Paderborn und die Franziskaner der Deutschen Franziskanerprovinz in einer gemeinsamen Erklärung über die 2019 in Werl auslaufende Wallfahrtsseelsorge. Um sie zu sichern, kaufte das Erzbistum 2017 Grundstück und Klostergebäude, die in ein neues Pilgerzentrum umgebaut werden sollen. Neben einem größeren Eingangsbereich sollen einfache Schlafplätze für bis zu 100 Menschen entstehen. Zudem soll die Marienwallfahrt nach den von Wallfahrtsleiter Dr. Best vorgestellten Plänen ökumenisch geöffnet werden. Im Dachgeschoss soll der Konvent der Werler Ursulinenschwestern einziehen.

Kontakt: Franziskanerkloster Werl, Pater Ralf Preker, Guardian des Franziskanerklosters Werl, Klosterstraße 17, 59457 Werl, Kontakt: Tel. 02922 / 982-116 oder 02922 / 9820, Fax 02922 / 982-144, E-Mail: info@wallfahrt-werl.de, Internet: https://www.wallfahrt-werl.de/.

 

Abschied der Franziskaner aus Neviges: Auch im Marienwallfahrtsort Neviges (Kreis Mettmann) werden die Franziskaner nach fast 350 Jahren die Seelsorge für die Wallfahrt und die Pfarrei „Maria, Königin des Friedens“ aufgeben. Das 1675 von der sächsischen Ordensprovinz gegründete Franziskanerkloster Neviges zählt derzeit sieben Ordensleute, die in Niederlassungen in Franken, Jerusalem, Essen, Fulda, im Allgäu und im Rheingau wechseln. Über die Nachfolge in Wallfahrt und Pfarrei entscheidet das Erzbistum Köln, wo bislang noch keine Entscheidung getroffen wurde. Die Deutsche Franziskanerprovinz kündigte an, die Arbeit noch bis zum 31. Dezember weiterzuführen und Neviges am 31. Januar 2020 zu verlassen. Die Brüder werden am 12. Januar 2020 um 11.15 Uhr in einer Heiligen Messe im Mariendom verabschiedet. Auch die Aufhebung der Fraternität in Köln-Vingst ist beschlossen.

Sonntag, 01.09.2019