Die Messe aus Frankreich

von Christof Beckmann

Sonntag, 27.09.2020

Platzhalterbild
Beitrag anhören

Abbé Franz Stock (1904-1948) aus Arnsberg-Neheim

Trotz Corona wird heute in ganz Frankreich eine Messe übertragen, die dem Gedenken an einen Sauerländer aus Neheim gewidmet ist: Franz Stock. Vor 75 Jahren übernahm er die Leitung eines der seltsamsten Priesterseminare: dem Stacheldrahtlager bei Chartres.

INFO: Am Sonntag, 27. September 2020, wird die Sendung „Le Jour du Seigneur“ im Sender France 2 von 10.30-12.00 Uhr live aus der Kapelle des ehemaligen Stacheldrahtseminars von Chartres übertragen. Dieheutige „Europäischen Begegnungsstätte Franz Stock“ („Séminaire des Barbelés“) ist ein besonderer Ort der Erinnerung an die deutsch-französische Freundschaft. Ursprünglich war die Sendung für den 10. Mai geplant, wurde aber wegen Covid-19 verschoben und erinnert an den 75. Jahrestag des Endes des 2. Weltkrieges und dem Beginn der Versöhnung. Die Übertragung startet mit einem Vorgespräch u.a. mit Stéphane Chmelewsky, Präsident der Vereinigung „Les Amis des Franz Stock“ in Frankreich sowie Margreth Dennemark, Vorstandsmitglied des Komitees und Vorsitzende des Kuratoriums Elternhaus Franz Stock. Anschließend wird um 11.00 Uhr der Gottesdienst beginnen. Hauptzelebrant ist Pfarrer Stephan Jung aus Arnsberg-Neheim, Vorsitzender des deutschen Franz Stock-Komitees. Neben der Ausstrahlung auf Fance2 wird die Sendung über die Facebookseite sowie den Youtube-Kanal der Sendereihe veröffentlicht.

Franz-Stock: Am 21. September 1904 in Neheim als erstes von neun Kindern einer Arbeiterfamilie geboren, schloss sich Franz Stock in seiner Schulzeit dem Bund Neudeutschland und später der Quickbornbewegung an. 1926 nahm er das Studium der Theologie in Paderborn auf. Zu Ostern 1928 ging er für drei Semester nach Paris und studierte am Institut Catholique – als erster deutscher Theologiestudent in Frankreich seit dem Mittelalter. Am 12. März 1932 wurde Franz Stock durch den Paderborner Erzbischof Dr. Caspar Klein zum Priester geweiht und trat 1934 in Paris seine Stelle als Rektor der deutschen Gemeinde an, wo er auch politische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und der Tschechoslowakei unterstützte. Kurz vor Ausbruch des Krieges musste er Paris verlassen, übernahm Vertreterstellen in Dortmund-Bodelschwingh und in der Nähe von Magdeburg. 1940 erneut zum Seelsorger der Deutschen in Paris ernannt, begann er mit seiner Tätigkeit in den Pariser Wehrmachtsgefängnissen Fresnes, La Santé und Cherche Midi, wo er die Häftlinge in den Gefängnissen betreute und über 2.000 Erschießungen beiwohnen musste. Die Franzosen gaben Franz Stock die Bezeichnung „L'Aumônier de l'enfer“ („Der Seelsorger der Hölle“) und „L'Archange en enfer“ („Der Erzengel in der Hölle“).

1945, nach dem Kriegsende, nahm Stock eine neue Aufgabe an: Die Gründung eines Priesterseminars im Kriegsgefangenenlager Dépôt 501 bei Chartres, das er bis 1947 als Regens leitete. Es ging unter der Bezeichnung „Stacheldrahtseminar“ in die Geschichte ein. Insgesamt 949 Dozenten, Priester, Brüder und Seminaristen aus Deutschland und Österreich waren im Verlauf der zwei Jahre dort. Am 24. Februar 1948 starb Abbé Franz Stock plötzlich, völlig entkräftet und noch keine 44 Jahre alt, in Paris.

Sein Tod durfte damals in der Presse nicht bekannt gegeben werden, da er noch immer den Status eines Kriegsgefangenen hatte. So folgte seinem Sarg nur ein knappes Dutzend Menschen, auch von der Familie konnte niemand an der Beisetzung teilnehmen, da sie keine Einreiseerlaubnis erhalten hatten. Nuntius Roncalli, der spätere Papst Johannes XXIII., nahm die Einsegnung des Toten vor und sagte dabei: „Abbé Franz Stock - das ist kein Name - das ist ein Programm!“

Am 3. Juli 1949 fand die erste öffentliche Feier zum Gedenken an Abbé Franz Stock in der Cathédrale Saint-Louis-des-Invalides in Paris statt, der Bischofskirche der französischen Armee – ein außergewöhnlicher Ort für das Gedenken an den Seelsorger durch frühere Internierte und Mitglieder der französischen Widerstandsbewegung. Abbé Jean Pihan, selbst zuvor Gefangener im Gefängnis Fresnes, würdigte das „Gedächtnis eines Mannes (...), der offiziell von einer feindlichen Nation beauftragt war, bei uns seine Aufgabe ausgerechnet zu der Zeit wahrzunehmen, als diese Nation unser Land besetzt hielt und bedrückte.“ Er erklärte u.a.:

„Doch der Mann, den wir ehren, dieser deutsche Staatsbürger, war ein Priester Jesu Christi, der sein Priestertum in großartiger Weise begriffen hat. Ich habe gesagt, er war deutscher Staatsbürger. Aber zuallererst war er Bürger jenes universalen Gottesstaates, jener Internationale der Geister, die wir die Kirche Jesu Christi nennen. (...) Der Priester, dessen Gestalt heute vor uns steht, hat das vielleicht nicht wörtlich gesagt, aber er hat durch sein Leben und seinen Tod bewiesen, daß es keinen Abgrund gibt, den christliche Liebe nicht auszufüllen vermag. Sein im Dienst der Brüder bis zur Hergabe seiner letzten Kräfte aufgebrauchter Leib, der jetzt in Erwartung der Auferstehung von den Toten im Acker des Friedhofs von Thiais verwest, reicht ihm, um den größten Abgrund auszufüllen, der jemals zwei Völker voneinander geschieden hat. Und wir alle, die wir in unserer Sorge um den Frieden, um Gerechtigkeit und Brüderlichkeit gelitten haben wie er - vielleicht sogar mehr oder auch weniger als er, was soll das schon bedeuten -, wir wollen ihm heute unseren Dank so laut zurufen, daß die kommenden Jahrhunderte uns noch hören, daß man später in einem befriedeten Europa, in einer endlich geeinten Welt es noch weiß, daß am Anfang ihres Friedens das schlichte Opfer eines Franz Stock steht, der ein Deutscher, ein Freund Frankreichs und Diener des universalen Christus gewesen ist.“

Seligsprechung und Domstatue: Das im November 2009 von Erzbischof Hans-Josef Becker eröffnete Seligsprechungsverfahren wurde auf Bistumsebene abgeschlossen. Im Februar 2014 nahm die Vatikanische Kongregation für die Selig- und Heiligsprechungsprozesse das Verfahren in Rom auf. Seit dem 17. Mai 2018 erinnert eine Statue an der Südfassade des Paderborner Doms an Abbé Franz Stock. Sie ist ein Geschenk der Innenstadtgemeinden der Stadt an die Kathedrale. Anlass war das 950-jährige Weihejubiläum des Doms. Die durch den Paderborner Bildhauer Michale Diwo geschaffene Figur ist rund ein Meter hoch, 150 Kilogramm schwer und aus Thüster Kalkstein gefertigt. In den Händen hält die Figur ein Notizbuch als Symbol für die Aufzeichnungen, die Abbe Franz Stock zu Hunderten von Hinrichtungen machte.

Video-Portrait über Franz Stock: Ein im Auftrag des Franz-Stock-Komitees 2012 von Hans Peylo (MONDO-TV Production, Münster) produziertes Video-Portrait über Franz Stock gibt einen Überblick über die Lebensgeschichte Franz Stocks und sein friedensstiftendes Handeln. Das für das Internet konzipierte Video kann auch im Rahmen von Vorträgen, Unterricht und Ausstellungen eingesetzt werden. Das Video enthält auch Musiksequenzen aus dem Oratorium „VIDEO PACEM“, das von Hartwig Diehl zum 50. Todestag von Franz Stock komponiert wurde. (1. Fassung Nov. 2012 / 2. leicht überarbeitete Fassung Juni 2013).

Franz-Stock-Komitee: Das 1964 gegründete Franz-Stock-Komitee für Deutschland e.V. im Sauerländischen Arnsberg setzt sich dafür ein, das friedens- und versöhnungsstiftende Wirken des Abbé Franz Stock bekannt zu machen. Kontakt: Franz-Stock-Komitee für Deutschland e.V. Rathausplatz 1, 59759 Arnsberg, Tel. 02932 / 9318804 oder Hauptstr. 11, 59755 Arnsberg, Tel. 02932 / 22050, E-Mail: info@franz-stock.de, Internet: www.franz-stock.org, Facebook: www.facebook.com/franzstock.org und Twitter: www.twitter.com/franzstockorg. Weitere Franz-Stock-Vereinigungen haben ihren Sitz in Paris und Chartres.

Dauerausstellung in Arnsberg-Neheim: Im historischen Neheimer Fresekenhof befindet sich die Dauerausstellung über das Leben und Wirken von Franz Stock und über die Auswirkungen auf die deutsch-französische Verständigung. 34 Tafeln zeigen Phasen seines friedenstiftenden Handelns dargestellt. Dazu bieten 10 Vitrinen vielfältige Dokumente aus seinem Leben, einschließlich Beispiele seines künstlerischen Schaffens. Besuche lassen sich gut mit einer Besichtigung des Franz-Stock-Denkmals sowie der Taufkapelle in der St. Johannes Kirche und einem Aufenthalt im Elternhaus Stock verbinden, das durch eine Stiftung 1997 zu einer Gedenk- und Begegnungsstätte hergerichtet worden ist. Nach entsprechender Vereinbarung können Ihnen Mitglieder unseres Vorstandes zur Führung und Betreuung während des Besuches zur Verfügung stehen. Der Eintritt ist frei. Geöffnet ganzjährig (nur) nach Terminabsprache. Es besteht auch die Möglichkeit Bücher und Broschüren vor Ort zu erwerben. Terminanfrage / Kontaktadresse, Flyer „Auf den Spuren von Franz Stock in Arnsberg-Neheim“. Besucheradresse: Fresekenhof, Mendener Str. / Ecke Burgstr., 59755 Arnsberg-Neheim, für Navigationsgeräte: Fresekenplatz 6, 59755 Arnsberg.

Wanderausstellung über Franz Stock: Die informative Ausstellung „Franz Stock - Versöhnung durch Menschlichkeit“ ist seit dem 24.09. bis auf weiteres in der St.-Michaels-Kirche in Arnsberg-Neheim ausgestellt und kann während der Öffnungszeiten der Kirche ohne Anmeldung besucht werden. Die Ausstellung besteht aus Medienwänden, auf denen Kindheit, Studium und Seelsorge Franz Stocks, die Gefängnisseelsorge in den Mont Valerien, sowie die Gefangenschaft gezeigt werden. Benutzer von Smartphones können sich über QR-Codes Filme ansehen, darüber hinaus ist der Zugriff auf eine englische beziehungsweise französische Übersetzung möglich. Ende des Jahres wird die Ausstellung auch noch im Landtag NRW zu sehen sein. Weitere Informationen unter: https://franz-stock.org/index.php/de/aktuelles/aktuelles/40-ausstellung/1078. Weitere Ankündigungen des Komitees unter www.franz-stock.org/aktuell, aktuelles Bücher- und Materialangebot unter: http://onlineshop.franz-stock.org/artikel, Französischsprachige Mitteilungen der Schwesterorganisation Les Amis de Franz Stock unter
www.franz-stock.org/index.php/de/aktuelles/aktuelles-aus-frankreich.

Friedensspaziergang am 3. Oktober: Im Rahmen der Internationalen Wochen in Arnsberg lädt der Christlich-Islamische Dialog alle Mitbürgerinnen und Mitbürger für Samstag, 3. Oktober, zu einem Friedensspaziergang ein. Beginn ist um 15:00 Uhr mit der ersten Station auf einem Platz an der Straße „Zur Alten Ruhr“ (Thema „Gegen Rassismus“). Über die Lange Wende, die Hauptstraße, die Burgstraße, den Gransauplatz geht es dann über die Mendener Straße entlang der Synagoge zum Schulhof der Graf-Gottfried-Schule, wo zum Thema „Gegen Mendener Straße Richtung Ruhr, unter der Autobahnbrücke entlang der Möhne und dem jüdischen Friedhof als Schweigemarsch zu Möhnepforte und der Mendener Straße zum Neheimer Markt. An der dritten und letzten Station gegen 16:00 Uhr vor der St. Johannes-Kirche finden Ansprachen zum Thema „Frieden und Versöhnung“ statt. Der Friedensspaziergang schließt mit einem Picknick unter Beachtung der Corona-Regeln auf dem Markt. Alle Teilnehmer werden gebeten, eine Mund-Nasen-Bedeckung mitzubringen.
Kontakt: Kath. Kirchengemeinde St. Johannes Baptist, Neheim und Voßwinkel, Hauptstraße 11, 59755 Arnsberg-Neheim, Tel. +49 (2932) 22050, E-Mail: info@kath-kirche-neheim-vosswinkel.de, Pfarrer Stephan Jung, Tel. 02932 / 9319293, Kontakt/E-Mail, Internet: https://www.kath-kirche-neheim-vosswinkel.de

45. Interkulturelle Woche 2020: Die 45. Interkulturelle Woche steht vom 27. September bis 4. Oktober 2020 unter dem Thema „Zusammen leben, zusammen wachsen.“ Eine Vielzahl dezentraler Einzelveranstaltungen im gesamten Bundesgebiet sind geplant. In einem Gemeinsamen Wort der Kirchen laden der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Georg Bätzing, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland, Metropolit Augoustinos, zur Teilnahme ein. In ihrem Wort rufen die drei Vorsitzenden im Blick auf die aktuelle Migrations- und Flüchtlingspolitik dazu auf, „immer neu Maß zu nehmen an der Würde jedes einzelnen Menschen“. Kritisch setzen sie sich mit der Europäischen Union auseinander, die erst vor wenigen Jahren mit dem Friedensnobelpreis „für ihren Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa gewürdigt“ worden sei. „Heute aber umgibt sie sich mit neuen Mauern und Zäunen und richtet Lager an ihren Außengrenzen ein. Die dortigen Zustände sind mit der Achtung der Menschenwürde nicht vereinbar.“
Bischof Bätzing, Landesbischof Bedford-Strohm und Metropolit Augoustinos weisen auf Jesus Christus als Vorbild hin. Er habe „den Weg gesucht zu den Verachteten, zu den Ärmsten der Armen, zu denen am Rande der Gesellschaft, zu den Kranken, den Verfolgten, zu denen, die niemand mehr sehen will, die der Öffentlichkeit entzogen werden“. Jeder und jede Einzelne sei eingeladen, diesem Vorbild zu folgen, auch wenn es nicht leicht sei, „sich an diese Orte zu begeben und genau hinzuschauen. Und es fordert uns heraus, Leid, Not und Schmach der Menschen an uns heranzulassen“. Aufgabe der gesamten Gesellschaft sei es, so die Bischöfe, „auf der gemeinsamen Grundlage demokratischer Werte unterschiedliche Interessen in den Dialog zu bringen und immer wieder auszuhandeln, wie wir leben wollen. Dazu braucht es die Bereitschaft, Vielfalt auszuhalten, damit Teilhabe gestaltet werden kann. Wir selbst müssen anders und neu werden und dürfen dies nicht nur von anderen erwarten. Wenn Gott uns das zutraut und aufträgt, dann schenkt er uns auch die Kraft dazu“. Zwar seien die Planungen in diesem Jahr aufgrund der Coronavirus-Pandemie von vielen Unwägbarkeiten betroffen, dennoch sei aber deutlich geworden, wie lebensnotwendig eine solidarische Grundhaltung in der Gesellschaft sei, sodie Bischöfe: „Wir möchten dazu ermutigen, kreativ nach Möglichkeiten und Formaten zu suchen, wie unser Motto ‚Zusammen leben, zusammen wachsen‘ umgesetzt werden kann.“ So könne die Interkulturelle Woche „gerade in schwieriger Zeit ein starkes Zeichen der Gemeinsamkeit“ setzen. Für die Vorbereitung der Interkulturellen Woche hat der Ökumenische Vorbereitungsausschuss eine Reihe von Materialien (Materialheft, Plakate und Postkarten) erstellt, die unter www.interkulturellewoche.de bestellt werden können.

Sonntag, 27.09.2020