1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland

von Johanna Hofmann

Sonntag, 24.01.2021

Eine deutsch-jüdische Schulklasse besucht einen jüdischen Friedhof
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Eine deutsch-jüdische Schulklasse besucht einen jüdischen Friedhof (Foto: Pixabay)

Ein kaiserliches Edikt aus dem Jahr 321 sprach jüdischen Bürgern das Recht auf Mitwirkung im Rat der Stadt Köln zu. Aufgrund dieses historischen Belegs wird 2021 bundesweit als Festjahr begangen. Gefeiert werden 1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

Keimzelle des Jubiläumsjahres ist der Verein "321", der bereits im April 2018 in Köln ins Leben gerufen wurde. Zu den Gründungsmitgliedern gehören neben dem Präsidenten des Zentralrates der Juden, Josef Schuster, auch der ehemalige NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker sowie Vertreter von evangelischer und katholischer Kirche. Mit Dr. Matthias Schreiber (Düsseldorf) und Joachim Gerhardt (Bonn) sitzen gleich zwei evangelische Pfarrer in dem dreiköpfigen Vorstand. Mehr Infos hier.

Ziel des Vereins ist es eigenen Angaben zufolge, die jüdische Kultur in Deutschland zu stärken und das friedliche Zusammenleben der Religionen zu fördern. "Wir wollen vor allen Dingen auch zeigen, wie stark die jüdische Kultur unser Land bereichert hat", sagt Pfarrer Joachim Gerhardt. "Egal ob Musik, Kunst, Sport oder Wissenschaft – überall hat das Judentum uns geprägt, und wir wollen einen Beitrag leisten, dass das so bleibt und dass jüdisches Leben auch wieder wächst bei uns."

Die Initiative des Vereins „321“ ist inzwischen überall auf fruchtbaren Boden gefallen und findet breite Unterstützung – auch und gerade vor dem Hintergrund des in den letzten Jahren wieder deutlich erstarkten Antisemitismus in Deutschland. Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hat die Schirmherrschaft für das Jubiläumsjahr übernommen, Bund, Länder und Kommunen stellen Geld zur Verfügung – insgesamt 25 Millionen Euro. Und zahlreiche weitere Initiativen und Projekte sorgen dafür, dass das Thema „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ bundesweit Beachtung findet. Dazu zählen u.a. zahlreiche evangelische Landeskirchen und katholische (Erz)Bistümer, die mit ihrer gemeinsamen Kampagne https://www.juedisch-beziehungsweise-christlich.de auf die Verwurzelung des Christentums im Judentum hinweisen.

Auch der Landschaftsverband Westfalen-Lippe zählt zu den Unterstützern. In einer Pressemitteilung des LWL vom 4.1.2021 heißt es dazu: „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland - Zu diesem Anlass plant das Kunstmuseum des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) eine Podcast-Reihe: »Menschenherz und Meeresboden sind unergründlich. Jüdische Geschichten aus Münster.« Die sechsteilige Reihe hörspielartiger Reportagen thematisiert jüdische Menschen, Orte und Initiativen aus der Gegenwart und der Vergangenheit in Münster. Die Themen reichen von der Gründung der ersten jüdischen Gemeinde im 12. Jahrhundert über den jüdischen Mediziner und Kunstsammler Alexander Haindorf, der im 19. Jahrhundert den Westfälischen Kunstverein mitgründete, zur Installation der "Stolpersteine" des israelischen Gegenwartskünstlers Ariel Schlesinger. Auch junge, jüdische Münsteranerinnen erzählen ihre Geschichten.“

Für die jüdische Gemeinde in Deutschland habe das Festjahr „1.700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ eine große Bedeutung, so Josef Schuster vom Zentralrat der Juden. Es sei vergleichbar mit dem 500. Reformationsjubliäum der evangelischen Kirche im Jahr 2017. Neben einem Festakt am 21. Februar in Köln zum Auftakt des Jubiläumsjahres, der in der ARD live übertragen wird, gibt es das ganze Jahr über noch etwa 1.000 weitere Ausstellungen, Konzerte und Veranstaltungen. Geplant sind zum Beispiel bundesweite Jüdische Kulturtage, ein Kulturführer über jüdische Spuren in Deutschland und zum jüdischen Laubhüttenfest im September ein „Sukkot XXL“.

In Köln, das seit der Erwähnung im kaiserlichen Edikt von 321 als älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen gilt, gab es bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts ein eigenes jüdisches Viertel im Herzen der Stadt mit etwa 1.000 Bewohnern. Als 1349 rund um Köln eine Pestepidemie wütet, verbreitet sich das Gerücht, die Juden seien die Ursache, sie hätten die Brunnen vergiftet. Obwohl die jüdischen Bewohner Kölns unter dem Schutz von Stadt, Erzbischof und König stehen, stürmt ein aufgeheizter Mob am 23. August 1349 das Viertel, macht es dem Erdboden gleich und tötet fast alle Bewohner. Im Jahr 1424 werden die Juden für "ewige Zeiten" aus der Stadt gewiesen. Erst im 19. Jahrhundert wird es danach wieder Juden in Köln geben. Bis 1933 die Nazis an die Macht kommen und Hetze, Drangsalierung und Verfolgung von Neuem beginnen. Heute hat die Synagogengemeinde Köln fast 5.000 Mitglieder und gehört damit zu den größten in Deutschland.

Sonntag, 24.01.2021