„Sehnsuchtsorte“ im Online-Gottesdienst

von Kathrin Ostroga

Sonntag, 03.05.2020

Screenshot aus einem Online-Gottesdienst
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Nicht in der Kirche und trotzdem im Gottesdienst dabei: Per Videobotschaft wurden Jugendliche in einen Online-Gottesdienst der Gemeinde in Unna zugeschaltet. (Foto: Screenshot YouTube / Ev. Kgm. Unna)

Auch wenn aus staatlicher Sicht ab dem 1. Mai wieder Gottesdienste mit Publikum gefeiert werden dürfen, wird es bis zu einer flächendeckenden Öffnung der Gotteshäuser wohl noch länger dauern. Bis dahin bleibt vielen Gemeinden nur der Weg ins Internet.

Pfarrer Detlef Main von der evangelischen Kirchengemeinde in Unna-Massen zum Beispiel hat inzwischen sechs solcher Online-Gottesdienste gestaltet. Außer ihm waren dabei nur eine Handvoll Helfer in der Kirche. Um die Feier lebendiger zu machen, hat er nun Jugendliche aus der Gemeinde eingeladen, den jüngsten Gottesdienst zum Thema „Sehnsuchtsorte“ mitzugestalten. Per Video-Einspieler wurde die jungen Leute von ihrem ganz persönlichen Sehnsuchtsort in den Gottesdienst „zugeschaltet“ – aus dem eigenen Zimmer, dem Garten oder von einem alten Friedhof. So entstand zumindest virtuell ein Gefühl von Gemeinschaft – ein Gefühl, das auch Pfarrer Detlef Main im Moment arg vermisst: „Unser ganzes Jugendarbeit-System ist auf Begegnung und auf Kontakt ausgerichtet, und das ist ja im Moment nicht möglich. So ist das eine schöne Sache gewesen, das mit den Jugendlichen zu gestalten. Wir hoffen, dass wir demnächst wieder richtige physische Gottesdienste feiern können.“

Von staatlicher Seite spricht nichts dagegen. Nachdem die Kirchen, aber auch die jüdischen und muslimischen Gemeinden entsprechende Konzepte mit Hygiene- und Abstandsregelungen vorgelegt hatten, gaben Bund und Länder grünes Licht für religiöse Versammlungen ab dem 1. Mai. Evangelische und katholische Kirche haben ihre Gemeinden allerdings vor einer überstürzten Öffnung der Gotteshäuser gewarnt. So müssten nicht nur die verabredeten Hygienestandards eingehalten, sondern auch über deren theologischen Folgen für den Gottesdienst diskutiert werden.

In der evangelischen Kirche ist beispielsweise der Gemeindegesang ein wichtiger Bestandteil der Verkündigung. Nach den Corona-Regelungen soll aber gerade auf das Singen im Gottesdienst verzichtet werden, weil dabei verstärkt Tröpfchen und damit potentiell infektiöse Teilchen in die Luft gelangen. Auch die praktische Umsetzung der Abendmahl- bzw. Eucharistiefeier ist angesichts von Abstandsregelungen schwer vorstellbar. Während der Abendmahlswein in Einzelkelchen ausgegeben werden kann, ist unklar, wie die Verteilung des Brotes bzw. der Hostie vonstatten gehen soll. Werden sie mit Handschuhen an die Gläubigen ausgeteilt, oder nimmt sich jeder sein Stück, nachdem er sich die Hände desinfiziert hat?

Ein weiteres Problem könnte sich durch die begrenzte Anzahl von Plätzen ergeben. Wegen der Mindestabstandsregel von 1,5 bis 2 Metern müssen viele Stühle in den Gotteshäusern leer bleiben. Wenn also zu viele Gläubige zu einem Gottesdienst erscheinen, müsste ein Teil von ihnen an der Kirchentüre abgewiesen werden. Anhand dieser wenigen Beispiele lässt sich erahnen, welche Herausforderungen auf die Kirchen und auch auf andere Religionsgemeinschaften zukommen. Denn sie alle leben stark von der Gemeinschaft der Gläubigen, die unter diesen Umständen aber kaum erfahrbar sein dürfte.

Die Empfehlungen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz über die Liturgie und Gottesdienstgestaltung während der Corona-Pandemie vom 24. April 2020 kann man hier als PDF-Datei herunterladen.

Auf evangelischer Seite liegt die Entscheidung darüber, ob wieder Gottesdienste mit Publikum gefeiert werden, bei den Gemeindeleitungen (Presbyterien) vor Ort. Sie legen auch fest, ab wann und unter welchen Voraussetzungen die Kirchentüren wieder geöffnet werden können. „Sie sind für die sichere Durchführung von Gottesdiensten in ihrer Gemeinde verantwortlich“, schreibt dazu der Vizepräsident der Evangelischen Kirche im Rheinland, Dr. Johann Weusmann, im jüngsten „Corona-Newsletter“ der Landeskirche vom 27.4.2020. Weiter heißt es dort: „Dabei sollte der Gesundheitsschutz der Gottesdienstteilnehmerinnen und -teilnehmer ermessensleitend sein. (…) Presbyterien werden auch zu dem Schluss kommen, dass sie Präsenzgottesdienste derzeit nicht verantworten können. Das ist kein Defizit. Nach wie vor werbe ich dafür, an den in den vergangenen Wochen so vielfältig erprobten neuen Formen von Gottesdiensten etwa per Internet festzuhalten.“

Die Evangelische Kirche bietet ihren Gemeinden ein Info-Blatt an. Die „Eckpunkte einer verantwortlichen Gestaltung von Gottesdiensten in den Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland“ kann man hier als PDF-Datei hier herunterladen

Sonntag, 03.05.2020