„Meet a Jew“: Für mehr Respekt und Verständigung

von Magnus Osterkamp

Sonntag, 22.08.2021

Mann mit jüdischer Kippa läuft durch eine Straße
Beitrag anhören

In der Öffentlichkeit eine Kippa zu tragen und sich damit als Jude zu erkennen geben - davor schrecken viele zurück. Aus Angst vor Angriffen oder Beleidigungen. (Foto: Pixabay)

Wie kann man Ängste und Vorurteile gegenüber Menschen jüdischen Glaubens abbauen und beseitigen? Am besten durch Begegnung, meint der Zentralrat der Juden in Deutschland, der dazu das Projekt „Meet a Jew“ ins Leben gerufen hat.

Das Angebot von „Meet a Jew“ („Triff einen Juden / eine Jüdin“) richtet sich vor allem an Schulen, aber zum Beispiel auch an Kirchengemeinden, Universitäten und Firmen. Über ein Formular auf der Website https://www.meetajew.de können Interessierte eine Begegnung anfragen. Wegen der großen Nachfrage muss mit einer Bearbeitungszeit von bis zu acht Wochen gerechnet werden. Zum verabredeten Termin kommen dann in der Regel zwei Jüdinnen oder Juden zu Besuch, erzählen aus ihrem Leben, geben Einblicke in ihren jüdischen Alltag, einen Überblick über die Vielfalt des aktuellen jüdischen Lebens in Deutschland und beantworten Fragen. Für diese Aufgabe stehen etwa 350 Freiwillige zur Verfügung. Schirmherr der Anfang 2020 angelaufenen Aktion „Meet a Jew“ ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Durch die persönliche Begegnung auf Augenhöhe bekommt das Judentum einen Namen und ein Gesicht. Im Gespräch können Fragen beantwortet und Vorurteile ausgeräumt werden. Durch das gegenseitige Kennenlernen trägt „Meet a Jew“ nicht nur zum besseren Verständnis des Judentums bei, sondern ist auch ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Antisemitismus.

Spätestens seit dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Oktober 2019 ist bei vielen Juden die Angst wieder zurück. Betroffene berichten, dass sie sich beim Gang auf die Straße umschauen und sich fragen »Werde ich beobachtet?« Jüdische Männer überlegen, ob sie in der Öffentlichkeit eine Kippa aufsetzen und sich damit als Juden erkennbar machen.

Nach Angaben der Behörden wurden im vergangenen Jahr 2.351 antisemitische Straftaten registriert. Das bedeutet einen Anstieg von rund 16 Prozent gegenüber 2019 und zugleich einen neuen Höchststand seit Beginn der Erfassung antisemitischer Straftaten in der Statistik zur "Politisch Motivierten Kriminalität" 2001. Zum Teil lässt sich dieser Anstieg mit den Anti-Corona-Demonstrationen des vergangenen Jahres erklären, in deren Umfeld immer wieder antisemitische Stereotype und antijüdische Verschwörungstheorien verbreitet wurden.

Michael Blume ist Antisemitismus-Beauftragter des Landes Baden-Württemberg. Er glaubt: „Durch das Internet ist der Antisemitismus, den es immer gab, nochmal leichter zu verbreiten und radikaler geworden, weil sich die Leute in Kleingruppen gegenseitig hochpeitschen.“ Blume sieht im aktuellen Antisemitimus eine Kombination aus Fremdenfeindlichkeit und wilden Verschwörungstheorien. Im Mittelalter seien Juden als Brunnenvergifter und Kindermörder verunglimpft worden. Ähnliches passiere heute wieder, sagt Blume: „Es hat nicht einmal drei Tage gedauert bis im Internet die ersten Videos auftauchten, wo es hieß: Die Juden stecken angeblich hinter dem Corona-Virus.“ Seiner Meinung nach ist der Kampf gegen den Antisemitismus ein Kampf gegen Vorurteile, Hass und Diskriminierung, der uns alle betrifft: „Wenn wir es zulassen, dass Menschen beispielsweise keine Kippa mehr tragen können, dann wird es als nächstes auch nicht mehr möglich sein ein Kopftuch zu tragen oder ein Kreuz zu tragen oder mit dunkler Hautfarbe unterwegs zu sein. Dann verlieren wir alle unsere Freiheit.“

Sonntag, 22.08.2021