"Keine Pflichten mehr, aber die Kür bleibt"

von Lea Biskup

Sonntag, 22.07.2018

die evangelische Theologin Margot Käßmann
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Im Gottesdienst, in TV-Talkshows oder wie hier auf dem Evangelischen Kirchentag: Margot Käßmann war ein gern gesehener Gast. (evangelisch.de (Margot_Käßmann_2009-02.jpg) [CC BY 2.0 (https://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons)

Deutschlands bekannteste evangelische Theologin hat die öffentliche Bühne verlassen. Am 30. Juni 2018 wurde Margot Käßmann in Hannover in den Ruhestand verabschiedet. Die heute 60jährige kann auf einen bewegten Lebensweg zurückblicken.

Am 3. Juni 1958 wurde sie als Tochter eines Kfz-Mechanikers und einer Krankenschwester in Marburg geboren. Käßmann studierte Theologie, heiratete 1981, absolvierte ab 1983 ihr Vikariat in der Nähe von Kassel und wurde im gleichen Jahr als jüngstes Mitglied in den Zentralausschuss des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) gewählt, dem sie bis 2002 angehörte. Viele weitere Ämter kamen in den Folgejahren hinzu. Unter anderem arbeitete sie für die die Evangelische Akademie Hofgeismar und als Generalsekretärin für den Deutschen Evangelischen Kirchentag.

Die nächste Stufe auf der Karriereleiter nahm Margot Käßmann 1999, als sie zur Bischöfin der Hannoverschen Landeskirche gewählt wurde. Doch sie musste auch persönliche Tiefschläge einstecken: 2006 erkrankte sie an Brustkrebs, den sie allerdings besiegen konnte. Und nur ein Jahr später trennte sich Käßmann von ihrem Ehemann, mit dem sie 26 Jahre verheiratet war und vier Kinder bekommen hatte.

2009 machte die Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sie zur Ratsvorsitzenden und Käßmann damit zur ersten Frau an der Spitze des Protestantismus in Deutschland. Dieses Amt hatte sie allerdings nur wenige Monate inne. Nachdem sie im Februar 2010 unter Alkoholeinfluss eine rote Ampel missachtet hatte und von der Polizei angehalten worden war, trat sie wenige Tage später von ihren Ämtern als EKD-Ratsvorsitzende und Hannoversche Landesbischöfin zurück.

Ihrer Beliebtheit und ihrem Ansehen hat dieser Zwischenfall indes kaum geschadet. Die Theologin ist bis heute Bestsellerautorin (christliche Lehre und Lebensberatung), war gern gesehener Gast in Talkshows und viel beachtete Rednerin auf Kirchentagen und anderen Großveranstaltungen. Nach ihrem Rücktritt im Februar 2010 verbrachte Käßmann einige Monate in den USA. Zurück in Deutschland übernahm sie eine Professur an der Bochumer Ruhr-Universität und wurde im Sommer 2011 von der EKD zur "Botschafterin für das Reformationsjubiläum im Jahre 2017“ berufen.

Nachdem nun auch diese Aufgabe abgeschlossen ist und Käßmann am 3. Juni 2018 ihren 60. Geburtstag feiern konnte, ist sie zum 1. Juli 2018 in den vorgezogenen Ruhestand verabschiedet worden. Das sei ein gutes Gefühl, so Käßmann: "Das heißt ja: Du hast keine Pflichten mehr, aber die Kür darf immer noch sein. Das heißt, ich kann mein Leben lang weiter predigen, Vorträge halten, schreiben, wenn ich möchte – aber es tut auch gut zu sagen: Ich lass jetzt los und die nächste Generation übernimmt."

Der Bayrische Rundfunk hat eine einfühlsame Dokumentation mit und über Margot Käßmann gedreht. Der 45minütige Film ist bei YouTube zu sehen .

Sonntag, 22.07.2018