„Der Glaube ist nicht mehr selbstverständlich“

von Marc Peratona & Manfred Rütten

Montag, 10.04.2023

betende Hände halten einen Rosenkranz
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In Deutschland schwindet der Glaube an Gott - das zeigen Umfragen. Vor allem in Ostdeutschland dominiert der Glaube an Engel und Wunder. (Foto: Pixabay)

Im April 2019 veröffentlichte der SPIEGEL die Ergebnisse einer repräsentativen Umfrage zum Thema „Christen und ihre Religion“. Ein Ergebnis: 2005 sagten noch 66% der Deutschen, dass sie an „einen Gott“ glauben. 2019 war dieser Wert auf 55% gefallen.

Die Autoren des SPIEGEL schlossen daraus: „Gott wird nicht mehr gebraucht in Deutschland, immer mehr Menschen haben jedoch einen ausgeprägten Hang zum Wunderglauben.“ Auf die Frage, ob sie an Wunder glauben oder sie für möglich halten, antworteten demnach 62 Prozent in Ostdeutschland und 67 Prozent in der alten Bundesrepublik mit „ja“. Ein weiterer Befund der Umfrage: 36 Prozent der Befragten in Ostdeutschland glauben an die Existenz von Engeln. An Gott glauben dagegen nur 26 Prozent.

Die durchweg geringeren „Glaubenswerte“ in den neuen Bundesländern hängen sicher mit der Entkirchlichung der Bevölkerung in den Jahrzehnten des sozialistischen DDR-Regimes zusammen. Die Regierung fuhr von Anfang an eine aggressive anti-kirchliche Politik. Zwar waren evangelische und katholische Kirche nicht verboten, doch eine Kirchenzugehörigkeit konnte für die Bürger schnell berufliche und gesellschaftliche Nachteile bedeuten. In der Folge stieg in der DDR die Zahl der Kirchenaustritte, kirchliche Rituale wie zum Beispiel Firmung und Konfirmation wurden durch andere wie die sozialistische Jugendweihe verdrängt, der christliche Glaube als „Opium für das Volk“ verspottet.

Das Erstarken von Wissenschafts- und Technikgläubigkeit und die Pluralisierung der Gesellschaft sorgten auch im Westen für Traditionsabbrüche. Das Wissen um Glaubensfragen oder um die Bedeutung christlicher Feiertage hat abgenommen, die Weitergabe an die nächste Generation findet kaum noch statt. Immer mehr Eltern lassen auch ihre Kinder nicht mehr taufen mit dem Hinweis, das solle der Nachwuchs später selber entscheiden.

„Es IST so, dass der Glaube nicht mehr selbstverständlich ist“, sagt deshalb der evangelische Pfarrer Wolf Rossdeutscher. „Aber das ist in Ordnung. Denn wenn etwas nicht selbstverständlich ist, dann muss ich ja darüber nachdenken und muss selber Rechenschaft darüber geben, was glaube ich?“ Damit hat Rossdeutscher als Pfarrer naturgemäß kein Problem. Auch nicht mit der so phantastisch anmutenden Ostergeschichte von Tod und Auferstehung. Er persönlich ist überzeugt: „Christus lebt. Er ist da. Er trägt mich in meinem Leben, heute, jetzt, in diesem Moment. Das ist für mich Auferstehung. Es gibt in der Theologie sehr viele verschiedene Ansätze, das zu deuten und zu erklären. Ich weiß nicht, welches der richtige ist. Ich weiß, welches MEIN Ansatz ist und den möchte ich ins Gespräch bringen.“

Diesen Ansatz nennt Rossdeutscher seine „Grundbotschaft“. Und die ist eigentlich ganz einfach: „Ich bin bedingungslos geliebt. Ich bin geliebt, ganz gleich, was ich leiste, was ich schaffe, was ich auch falsch mache - es gibt diesen Gott, der sich bedingungslos für mich interessiert.“ Dass viele Menschen heute Probleme mit dem Glauben haben, kann der Pfarrer verstehen. Der Glaube – so sagt er – entsteht und wächst nicht allein dadurch, dass man die Bibel studiert: „Ich kann nicht so glauben, dass ich einfach alles für wahr halte, was in der Bibel steht. So einfach ist es nicht. Ich kann eigentlich nur so glauben, dass ich mich mit anderen darüber austausche: Wie verstehe ich meinen Glauben? Glaube ist für mich immer auch ein Dialog. Deswegen ist für mich Glaube auch nur in der Kirche möglich. Ich kann für mich allein irgendwas glauben, aber erst mit anderen zusammen, im Gespräch mit anderen, kann ich Dinge entdecken, auf die ich selber gar nicht komme.“

Montag, 10.04.2023