Wahr-Zeichen: Tag des Offenen Denkmals 2024

von Dr. Christof Beckmann

Sonntag, 08.09.2024

Logos Deutsche Stiftung Denkmalschutz / Collage KIP
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Logos Deutsche Stiftung Denkmalschutz / Collage KIP

„Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ heißt das Motto am heutigen des Tags des offenen Denkmals. Welche Rolle Wahrzeichen für die Region und Gesellschaft spielen, wird auch am Beispiel der rund 26.000 Kirchen in Deutschland deutlich.

INFO: Rund 5.500 Denkmale und 500 Denkmal-Touren, von Fahrradtouren über Stadtführungen bis zu gemeinsamen Spaziergängen, warten im bundesweiten Programm zum Tag des offenen Denkmals 2024 - immer am 2. Sonntag im September deutschlandweit. Der seit 1993 von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz (DSD) bundesweit koordinierte deutsche Beitrag zu den European Heritage Days steht unter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten.

Zur Eröffnung reicht die Deutsche Stiftung Denkmalschutz den Staffelstab von Münster nach Speyer weiter: Am 8. September 2024 wird das bundesweit größte Kulturevent in einer der SchUM-Städte, Teil des UNESCO-Welterbes, zentral eröffnet. Passend zum Motto 2024 „Wahr-Zeichen. Zeitzeugen der Geschichte“ kann das Publikum an der rheinland-pfälzischen Stadt mit dem symbolträchtigen Kaiserdom erkennen, welche Rolle Wahrzeichen für die Region und Gesellschaft spielen. „Wahrzeichen beschreiben oftmals einzigartige Bauten, die uns als wiedererkennbare Sehenswürdigkeiten in Erinnerung bleiben“, so die DSD: „Indem sie für ein bedeutendes historisches Ereignis stehen, das Stadtbild oder die Stadtsilhouette prägen oder weithin sichtbar sind, werden sie zum Symbol, zum „Zeichen“ des Ortes.“ Diese Bauwerke schafften als authentisches Zeugnis einer Zeit Identifikation mit ihrer Umgebung, vermittelten die Werte, die sie einst schufen, wiesen so auf diese Weise weit über sich hinaus – und lockten heute Touristen an.

Mehr Infos: Das bundesweite Programm online unter www.tag-des-offenen-denkmals.de/programm und in der App www.tag-des-offenen-denkmals.de/app. Neu ist die Funktion der Denkmal-Routen, mit der sich Routen erstellen und in der App mit Freunden teilen lassen. Kontakt: Deutsche Stiftung Denkmalschutz, Schlegelstraße 1, 53113 Bonn, Tel. 0228 / 9091-443, Internet: www.tag-des-offenen-denkmals.de, www.facebook.de/tagdesoffenendenkmals, www.instagram.com/tagdesoffenendenkmals.

Kirchen als „Wahrzeichen“: Rund 24.500 katholische Kirchen und rund 21.100 evangelische Kirchen in Deutschland sind „Wahrzeichen“ eigener Art. In vielfacher Weise werden in diesen Jahren und 2024 große Jubiläen begangen, die auf mehr als ein Jahrtausend Architektur-, Glaubens- und Kulturgeschichte verweisen. Viele gehören zum UNESCO-Welterbe, sind aber alle mehr als nur Versammlungsorte für Gottesdienste: „Sie sind darüber hinaus Orte der Gemeinschaft, mit denen viele Erinnerungen und Emotionen verbunden sind. „Aber sie stellen auch ein einzigartiges baukulturelles Erbe dar“, erklärte Felix Hemmers vom Museum der Baukultur in Nordrhein-Westfalen im Gespräch mit Kirche+Leben.

Hemmers, Kurator einer aktuellen Ausstellung in Essen-Katernberg, hat sich in den vergangenen Jahren intensiv mit den Kirchenschließungen in Nordrhein-Westfalen beschäftigt. Er schätzt, dass in den nächsten 30 bis 40 Jahren fast jedes zweite Gotteshaus leer stehen wird: „Für Nordrhein-Westfalen bedeutet das die Schließung von bis zu 3.000 der etwa 6.000 Kirchen. Das ist ein gewaltiger Prozess, vor dem die evangelischen Landeskirchen und katholischen Diözesen und vor allem die Gemeinden stehen.“ Für die Ausstellungsmacher bilden Kirchengebäude sogenannte „Vierte Orte“, weil sie Menschen Raum für Austausch, Spiritualität und Einkehr ermöglichen und so einzigartige Atmosphären und emotionale Qualität ermöglichen. Damit erzeugen sie etwas Neues, einen „Vierten Ort“, der über die Funktion als Treffpunkt für die Gemeinschaft – die sogenannten Dritten Orte – hinausgeht.

Ausstellung in Essen: Das Museum der Baukultur NRW zeigt vom 1. September bis 6. Oktober 2024 die Ausstellung „Kirchen als Vierte Orte – Perspektiven des Wandels“ und stellt anhand von 27 Beispielen dar, was aus nicht mehr genutzten und profanierten Kirchenräumen entstehen kann. Rund 500 Gotteshäuser sind seit dem Jahr 2000 allein in NRW geschlossen worden. Präsentiert werden Bilder, Texte sowie 13 Video-Installationen in der Heilig-Geist-Kirche am Meybuschhof 9 in Essen-Katernberg. Geöffnet ist die Schau mittwochs bis freitags von 15 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt ist frei. Begleitend zur Ausstellung gab es am 5. September eine Diskussion über „Das Kirchenmanifest“. Das Manifest steht für den Vorschlag, eine gemeinschaftlich getragene Stiftung ins Leben zu rufen. Sie soll bei den Ideenfindungen und Transformationsprozessen für neue Nutzungen der Kirchengebäude helfen.

Kirchenbauten sollen als Gemeingut bewahrt werden - ein Manifest: Kirchenbauten in Deutschland und in Europa zählten seit Jahrhunderten zum kostbarsten Erbe, so die Stiftung Denkmalschutz. Doch sähen sich die christlichen Gemeinschaften kaum mehr in der Lage, ihren wertvollen Bestand an Kirchengebäuden zu erhalten. Viele Bauten würden außer Gebrauch gestellt oder gar abgerissen. Darum soll das kirchliche Erbe in Deutschland und in Europa eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung werden. Um dies in die öffentliche Debatte einzubringen, lancierten Fachleute und Einrichtungen ein sogenanntes Kirchenmanifest. Gesucht werden demnach neue Formen der Trägerschaft, etwa eine Stiftung oder eine Stiftungslandschaft.

Die Initiatoren wollen damit eine Debatte anstoßen, um gemeinsames Erbe zu bewahren. Das Kirchenmanifest mit dem Titel „Kirchen sind Gemeingüter! Manifest für eine neue Verantwortungsgemeinschaft“ umfasst sieben Thesen zur Bedeutung von Kirchenbauten und Kirchenräumen für die gesamte Gesellschaft. Danach sind Kirchenbauten mehrfach codierte und radikal öffentliche Orte, offene, spirituell bedeutsame Chancenräume einer sorgenden Gemeinschaft in Dörfern und Stadtquartieren und als Zeugen einer geistigen Tradition besonders in den ländlichen Räumen bauliche Wahrzeichen und zentrale Orientierungs- und wichtige Treffpunkte. Kirchenausstattungen seien eine unschätzbare Ressource für das friedliche Zusammenleben. Daher erfordere ein nachhaltiges Kulturerbe auch eine neue Trägerschaft, um es vor dem Verschwinden zu bewahren: „Eine breit aufgestellte Verantwortungsgemeinschaft mit Staat, Gesellschaft und weiteren Akteurinnen und Akteuren sieht die Kirchen als kooperative Partnerinnen. Mit lokalen bzw. regionalen Partnerschaften kann eine Stiftung Nutzungskonzepte entwickeln, die dem Denkmalwert der Kirchenbauten angemessen sind, das Recht auf Teilhabe verwirklichen und auf Nachhaltigkeit angelegt sind. Kirchenbauten und ihre Ausstattungen gehören nicht allein den kirchlichen Institutionen und Gemeinden. Als ererbte Räume sind sie Gemeingüter, sie gehören allen.

Internet: http://www.kirchenmanifest.de, https://www.moderne-regional.de/kirchenmanifest/#presse

Kirchengebäude in Deutschland - Positionierung von EKD und Deutscher Bischofskonferenz: „Das Manifest „Kirchen sind Gemeingüter!“ der Initiative „kirchenmanifest.de“, das am 11. Mai 2024 veröffentlicht wurde, nimmt sich einer Thematik an, welche die evangelische und die katholische Kirche seit geraumer Zeit umfassend diskutieren und konzeptionell bearbeiten, die aber auch an einzelnen Orten und in einzelnen Regionen für teils emotionale öffentliche Diskussionen sorgt.

Die sinkende Kirchenmitgliedschaft, der Rückgang des Gottesdienstbesuchs und abnehmende personelle Ressourcen führen dazu, dass die kirchengemeindlichen Strukturen vielerorts mittels Zusammenlegung und Reduktion angepasst werden. Weitere Wirkfaktoren sind der dauerhafte Rückgang kirchlicher Finanzmittel sowie städteplanerische Veränderungen im Zuge des soziodemografischen Wandels. Etliche Gottesdiensträume werden gegenwärtig nicht mehr in vollem Umfang für die Feier des Gottesdienstes benötigt. Das stellt für beide Kirchen eine große Herausforderung dar.

Insofern ist die Veröffentlichung des Manifests „Kirchen sind Gemeingüter!“ durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und andere Akteure begrüßenswert. Es nimmt eine gemeinsame Verantwortung für die Nutzung, die Pflege und den Erhalt von Kirchengebäuden in den Blick. Die beiden großen Kirchen und die Initiatoren des Manifests eint die Sorge um das baukulturelle und kunsthistorische Erbe, das in den Kirchen und Kapellen in unseren Ortschaften und Städten über Jahrhunderte zum Ausdruck kommt. 

Insgesamt setzt das Manifest einen wichtigen Impuls. Wie dessen Initiatorinnen und Initiatoren sehen auch die beiden Kirchen einen Gewinn in einer Beteiligung weiterer gesellschaftlicher Akteure an den Fragen des Erhalts und der Pflege dieser besonderen Bauten, deren rein kirchliche Nutzung vielfach und zunehmend infrage steht.

Dauerhafter Erhalt und Pflege dieser zur Diskussion stehenden Kirchengebäude sind jetzt und in Zukunft die Grundlage für jedwede Nutzung – liturgisch, kulturell, sozial, vielfältig. Ziel sollte die Entwicklung von – auch finanziell – tragfähigen Konzepten für den Umgang mit diesen kirchlichen Gebäuden und Baudenkmalen sein.“ (PM vom 17.06.2024)

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