Vier Jahre im Amt: Papst Franziskus

von Stefan Klinkhammer

Sonntag, 12.03.2017

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Papst Franziskus und Pfr. Dr. Peter Neher, Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Bild: KIP

Morgen jährt sich zum vierten Mal die Wahl von Papst Franziskus zum Nachfolger des Petrus. Der erste Papst in der Geschichte der Kirche, der aus Lateinamerika stammt, setzt mit seinem Pontifikat Zeichen, die kaum jemand so erwartet hätte.

INFO: Papst Benedikt XVI. hatte am 11. Februar 2013 seinen Amtsverzicht erklärt. Zum neuen Papst wählten die Kardinäle im Konklave am 13. März den Argentinier Kardinal Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, der als erster in der Geschichte den Papstnamen Franziskus wählte. Schon beim Konklave 2005 nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. spielte Bergoglio eine wichtige Rolle, zog sich jedoch zurück, um den Weg für die Wahl von Joseph Ratzinger (Benedikt XVI.) frei zu machen.

Der am 19. März 2013 ins Amt eingeführte 76-jährige Jesuitenpater, geboren am 17. Dezember 1936 in Buenos Aires, entschied sich nach einer Ausbildung als Chemietechniker für die Priesterlaufbahn und begann 1958 ein Noviziat in der Gesellschaft Jesu. Nach humanistischen Studien in Chile und seiner Rückkehr nach Buenos Aires erlangte er 1963 einen Studienabschluss in Philosophie am Kollegium „San José” von San Miguel und war 1964-1966 Professor für Literatur und Psychologie in Santa Fe und Buenos Aires. 1967-1970 besuchte er am Kollegium „San José” die Fakultät für Theologie, schloss das Studium ab und wurde am 13. Dezember 1969 zum Priester geweiht. Nach seinem Terziat in Alcalá de Henares (Spanien) legte er 1973 die ewigen Gelübde ab, war für die Ausbildung der Novizen zuständig (1972-73) und wurde am 31. Juli 1973 mit erst 37 Jahren zum Provinzial für Argentinien gewählt. Während seiner sechsjährigen Amtszeit war er Theologieprofessor, Rektor des Kollegiums von San Miguel (1980-1986) und seiner Fakultäten für Philosophie und Theologie, zudem in der Pfarrei von San José (Diözese San Miguel) als Pfarrer tätig. 1986 kam er für seine nicht vollendete Doktorarbeit nach St. Georgen bei Frankfurt und war anschließend an der Jesuitenkirche von Cordoba als spiritueller Direktor und Beichtvater. 1992 durch Johannes Paul II. zum Weihbischof von Buenos Aires ernannt, empfing er seine Bischofsweihe am 27. Juni durch Kardinal Antonio Quarracino, den Apostolischen Nuntius Ubaldo Calabresi und den Bischof von Mercedes-Luján, Emilio Ogñénovich. Am 3. Juni 1997 wurde er zum Koadiutor des Erzbischofs von Buenos Aires ernannt und wurde am 28. Februar 1998 nach dem Tod des Kardinals Quarracino selbst Erzbischof. 2001 von Papst Johannes Paul II. in den Kardinalsstand erhoben, war Bergoglio Mitglied der Kongregationen für Gottesdienst und Sakramentenordnung, für den Klerus, sowie für die Institute geweihten Lebens und die Gesellschaften apostolischen Lebens, Generalrelator der 10. Weltbischofssynode, zudem Mitglied des Päpstlichen Rates für die Familie und der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika. 2005-2011 war Bergoglio, auch als „Kardinal der Armen” bekannt, Präsident der Argentinischen Bischofskonferenz.

Seit 2005 lieferte er sich als Vorsitzender der Argentinischen Bischofskonferenz politische Auseinandersetzungen mit den Staatspräsidenten, wurde 2007 bei der Generalversammlung des Lateinamerikanischen Bischofsrates CELAM im brasilianischen Aparecida eine der prägenden Gestalten der Versammlung, bot Ende 2011 Papst Benedikt XVI. mit Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren seinen Amtsverzicht als Erzbischof von Buenos Aires an, blieb jedoch wie für Hauptstadtdiözesen üblich weiter im Amt.

Als er am 13. März 2013 zum Papst gewählt wird, gibt er sich in Anlehnung an den „Heiligen der Armen“ den Namen Franziskus und macht dies zu seinem Programm: Spontan besucht er die Mittelmeerinsel Lampedusa, weist auf das Flüchtlingselend in Afrika und auf dem Mittelmeer hin, ruft im September zum Gebet für eine friedliche Lösung des Syrien-Konflikts auf und verurteilt im November in seinem ersten Lehrschreiben „Evangelii gaudium“ die „Diktatur einer Wirtschaft ohne Gesicht“ und Verteilungsungerechtigkeit als „Wurzel der sozialen Übel“. 2014 ruft er wiederholt Russland und die Ukraine zu einer friedlichen Lösung des Krim-Konflikts auf. Auch die Syrien-Krise ist regelmäßig Gegenstand von Friedensappellen. Im Mai mahnt er bei seiner Heilig-Land-Reise nach Jordanien, Israel und in die Palästinensergebiete zu Versöhnung im Nahen Osten. Er lädt Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und den damaligen israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres zum Gebet in die vatikanischen Gärten, entsendet einen Sonderbotschafter in den Irak, um Lösungen für die von den Terrormilizen des „Islamischen Staates“ bedrängten Minderheiten zu sondieren. In Südkorea ruft Franziskus zur Aussöhnung mit dem verfeindeten Nordkorea auf, bietet den kommunistischen Staaten China und Vietnam Gespräche an. Der Vatikan vermittelt nach über einem halben Jahrhundert politischer Eiszeit die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Kuba und den USA.

Weltweit Schlagzeilen macht 2015 seine Enzyklika „Laudato si“, in der er einen besseren Umgang mit der Umwelt und mit den Menschen anmahnt, die in ihr leben. Das verstärkt er im September zum Auftakt des UN-Nachhaltigkeitsgipfels in New York und fordert vor der UNO-Vollversammlung eine gerechtere Machtverteilung in der internationalen Gemeinschaft. Innerkirchlicher Schwerpunkt ist im Oktober die ordentlichen Synode zu Ehe und Familie in Rom, im November appelliert Franziskus zur Weltklimakonferenz in Paris erneut zu ernsthaften Verhandlungen und zu einem schonenderen Umgang mit den Ressourcen. Im Dezember spricht ihm das Karlspreisdirektorium in Aachen den Internationalen Karlspreis 2016 zu. Zum ersten Mal treffen sich Anfang 2016 auf Kuba die Oberhäupter der römisch-katholischen Kirche und der russischen Orthodoxie, beim anschließenden Besuch in Mexiko spricht der Papst über Armut, Drogenhandel, Migration und Unrecht gegenüber der indigenen Bevölkerung und besucht im April ein Flüchtlingslager auf Lesbos. Das im April vorgelegte Abschlusspapier zur Familiensynode „Amoris laetitia“ löst eine lebhafte innerkirchliche Debatte über den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen aus. Im Oktober 2016 eröffnet der Papst im schwedischen Lund gemeinsam mit dem Lutherischen Weltbund das Gedenkjahr zum 500. Jahrestag der Reformation und beendet im November das von ihm ein Jahr zuvor ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit. In ihm hatte er sich ein beachtliches Programm auferlegt: Zusätzlich zu den wöchentlichen Generalaudienzen hielt er samstags Treffen mit Pilgergruppen. Den Auftakt in Ost- und Zentralafrika mitgerechnet, fielen in das Heilige Jahr sieben Auslandsreisen, darunter eine siebentägige Visite in Mexiko, der Weltjugendtag in Polen und die politisch nicht einfachen Besuche in Armenien sowie in Georgien und Aserbaidschan. Als Geheimnis seiner robusten Verfassung – trotz schwacher Lunge - nennt Franziskus das Gebet, die tägliche Messe, das Stundengebet und der Rosenkranz. Er schlafe sechs Stunden, „aber fest wie ein Stein“. Die Vorlieben seiner Jugend sind ihm geblieben: Lesen, Religion - und Fußball. Er ist Fan von Atletico San Lorenzo de Almagro, dem Club seines Stadtteils Flores in Buenos Aires.

Mehr: www.vatica.va

Unser Gesprächspartner: Prälat Dr. Peter Neher ist seit Mai 2003 Präsident des Deutschen Caritasverbandes. Er repräsentiert den Verband in Kirche, Staat und Gesellschaft. Geboren am 1. Mai 1955 in Pfronten, absolvierte er erst 1971-73 eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Nach dem Studium der Katholische Theologie und Pädagogik an der Katholischen Universität Eichstätt (1976 –1979) und Abschluss als Diplom-Theologe (Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg) 1981 wurde er am 3. Juli 1983 in Augsburg zum Priester geweiht und übernahm eine Kaplansstelle in Landsberg/Lech. Er diente 1985-1989 als Krankenhausseelsorger in Günzburg, wurde 1989 in Katholischer Theologie mit einer pastoraltheologischen Arbeit zum Thema „Sterbebegleitung" promoviert und war 1989-1994 Gemeindepfarrer in Kempten.
Weitere Stationen: 1994 – 1999 Subregens im Priesterseminar der Diözese Augsburg, ab 1. Januar 2000 Diözesancaritasdirektor des Caritasverbandes für die Diözese Augsburg e.V., 2003 Wahl zum Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes, 2007 und 2008 Präsident der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege, im Juni 2007 Ernennung zum päpstlichen Ehrenprälaten (Prälat). Am 13. Oktober 2009 wurde er erneut zum Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes gewählt, 2012 berief ihn Papst Benedikt XVI. als Repräsentanten der deutschen Caritas für fünf Jahre in den Päpstlichen Rat „Cor Unum",  2014 Honorarprofessor für Caritaswissenschaft der Theologischen Fakultät der Philosophisch-Theologischen Hochschule Vallendar (PTHV), 13. Oktober 2015 Wiederwahl zum Präsidenten des Deutschen Caritasverbandes. Mehr: https://www.caritas.de.  

Buchhinweise:

Zum Anlass des 80. Geburtstags legte Bestseller-Autor und Vatikan-Kenner Andreas Englisch eine große Bildbiografie mit über 200 Fotos vor: „FRANZISKUS – EIN LEBENSBILD“, 288 Seiten, C. Bertelsmann Verlag, 25 Euro. Der 1963 in Werl in Westfalen geborene Autor lebt seit fast drei Jahrzehnten in Rom und gilt als einer der bestinformierten Journalisten im Vatikan. Nach dem Abschluss des Studiums der Journalistik, Germanistik und Sprachwissenschaften an der Universität Hamburg arbeitete er als Redakteur für die Bergedorfer Zeitung und das Hamburger Abendblatt. Im Jahr 1987 wechselte er in das Büro des Springer-Auslandsdienstes nach Rom, dessen Leiter er 1992 wurde. Neben seiner Arbeit als Italien- und Vatikan-Korrespondent schrieb er Romane und Sachbücher, u.a. „Johannes Paul II. Das Geheimnis des Karol Wojtyla“ (2002), „Habemus Papam. Von Johannes Paul II. zu Benedikt XVI.“ (2005), „Benedikt XVI. Der deutsche Papst“ (2011), „Franziskus – Zeichen der Hoffnung“ (2013) und zuletzt „Der Kämpfer im Vatikan. Papst Franziskus und sein mutiger Weg“ (2015), die in vierzehn Ländern erschienen und sich über 500.000 Mal verkauft haben. In seinem aktuellen Buch zeichnet der Autor die Lebensstationen des Argentiniers nach, der als streitbarer Jesuit zum ersten Papst vom amerikanischen Kontinent aufstieg.

ZDF-Journalist und Vatikankenner Jürgen Erbacher portraitierte den 265. Nachfolger des Heiligen Petrus, aber auch die Lage der Kirche nach dem Rücktritt Benedikts XVI. in seinem Buch „Papst Franziskus - Aufbruch und Neuanfang” (Pattloch, 176 S., ISBN: 978-3-629-13047-1). Hier äußerten sich deutschsprachige Konklave-Kardinäle über die Beweggründe der Wahl von Papst Franziskus. Jürgen Erbacher, Jahrgang 1970, Theologe, Politikwissenschaftler und Journalist, ist seit 2005 Redakteur beim ZDF als Vatikan-Experte in der Redaktion „Kirche und Leben”. Er lebte als Redakteur bei Radio Vatikan lange in Rom und von ihm stammen zahlreiche Fernsehbeiträge zu den Themen Papst, Vatikan, Katholische Kirche. Seit einiger Zeit betreut er im Internet den Vatikan-Blog „Papstgeflüster” (http://blog.zdf.de/papstgefluester/).

Sonntag, 12.03.2017