Rückblick: Papst em. Benedikt XVI.

von Stefan Klinkhammer

Sonntag, 01.01.2023

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Buchcover: Georg Gänswein (Hg.): Benedikt XVI. - Prominente über den Papst, Media Maria Verlag

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist im Alter von 95 Jahren gestorben. Die Nachricht von seinem Gesundheitszustand hatte Millionen bewegt. Er war für viele überraschend 2005 zum Nachfolger von Papst Johannes Paul II. gewählt worden …

INFO: Benedikt XVI. / Joseph Ratzinger lebte seit seinem überraschenden Amtsverzicht im Februar 2013 in einem früheren Kloster in den vatikanischen Gärten und hatte sich zuletzt, von seinem langjährigen Wegbegleiter Georg Gänswein und Ordensschwestern betreut, fast gänzlich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Am Mittwoch vergangener Woche bat Papst Franziskus um Beistand für seinen „sehr kranken“ Vorgänger Benedikt XVI.. Bei der Generalaudienz im Vatikan rief er zu einem „besonderen Gebet“ für den 95-jährigen emeritierten Papst auf, „der in der Stille die Kirche unterstützt“. „Bitten wir den Herrn, ihn zu trösten und ihn in seinem Zeugnis der Liebe für die Kirche bis zum Ende zu unterstützen“, so das Kirchenoberhaupt. Auch die deutschen Bischöfe baten darum, der Vorsitzende Bischof Bätzing aus Limburg veröffentlichte ein eigenes Gebet.

Joseph Ratzinger wurde am 16.04.1927 als drittes Kind des Gendarmen Joseph Ratzinger und seiner Frau Maria in Marktl am Inn geboren und noch am selben Tag in der Pfarrkirche Sankt Oswald getauft. Kindheit und Jugend verbrachte er in Traunstein im Chiemgau nahe der österreichischen Grenze und wurde gegen Kriegsende als Flakhelfer eingezogen. Die weiteren Stationen: 1946-1951 Studium der Philosophie und Theologie in Freising und München, 1951 Priesterweihe am 29. Juni, 1953 Dozent für Dogmatik und Fundamentaltheologie in Freising und Dissertation über das Thema „Volk und Haus Gottes in Augustins Lehre von der Kirche“, 1957 Habilitation in München über „Die Geschichtstheologie des heiligen Bonaventura“. Ab 1959 lehrte er als Professor in Bonn (1959-1963), Münster (1963-1966), Tübingen (1966-1969) und Regensburg (1969-1977), war 1962-1965 beim Zweiten Vatikanischen Konzil theologischer Berater des Kölner Kardinals Josef Frings, wurde 1977 zum Erzbischof von München und Freising berufen und zum Kardinal erhoben. 1981 machte ihn Johannes Paul II. zum Leiter der Römischen Glaubenskongregation, zum Präsidenten der Päpstlichen Bibelkommission und der Internationalen Theologenkommission. 2002 wird er Dekan des Kardinalskollegiums und leitet nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. am 2. April 2005 das Konklave zur Papstwahl. Am 19. April wird er in einem der kürzesten Konklave der Geschichte zum Papst gewählt und nannte sich Benedikt XVI. - in Erinnerung an den Friedenspapst Benedikt XV. und an den Europa-Patron und Ordensgründer Benedikt von Nursia.

Bei seiner ersten von 24 Auslandsreisen bereitete der Weltjugendtag in Köln dem „deutschen Papst“ einen begeisterten Empfang, 2006 erschien seine erste Enzyklika „Deus caritas est“ (Gott ist die Liebe), er reiste nach Polen, in seine bayerische Heimat und in die Türkei. 2007 erschien „Jesus von Nazareth“, der erste von drei Teilen von Joseph Ratzingers Deutung der Gestalt Jesu, er erleichterte die Feier der alten lateinischen Messe in der vorkonziliaren Form von 1962 als „außerordentliche Form der Liturgie der Kirche“. 2008 sorgte die Reform der Karfreitags-Fürbitte im vorkonziliaren Messritus von 1962 für Verstimmung in der jüdischen Welt, Auslandsreisen führten ihn in die USA zum Weltjugendtag in Sydney. 2009 nahm Benedikt XVI. die Exkommunikation für vier Bischöfe der traditionalistischen Priesterbruderschaft Pius X. zurück, um den Weg zu Gesprächen zu ebnen. Als zeitgleich einer der Bischöfe in einem TV-Interview den Holocaust leugnete, reagierte Papst Benedikt auf weltweite Empörung mit klaren Absagen an jede Form des Antisemitismus und der Relativierung der Schoah. Nach einer Pilgerfahrt ins Heilige Land, nach Jordanien, Israel und in die Palästinensergebiete veröffentlichte er die Sozialenzyklika „Caritas in veritate“ zu Aspekten der Globalisierung und der Finanz- und Wirtschaftskrise. Überschattet wurde sein Pontifikat 2010 von einer neuen Welle des Missbrauchsskandals, die die katholische Kirche in Deutschland und Österreich erfasste.

Eine Reise nach Schottland und England - der erste Staatsbesuch eines Papstes in Großbritannien – brachte ihm viel Sympathie ein, 2011 war Benedikt zu Besuch beim Weltjugendtag in Madrid und unternahm seine dritte Deutschlandreise, wo er eine bemerkenswerte Rede vor dem Deutschen Bundestag hielt. Seine ANSPRACHE vor dem Deutschen Bundestag im Berliner Reichstagsgebäude am 22. September 2011 bei der APOSTOLISCHEN REISE NACH DEUTSCHLAND 22.-25. SEPTEMBER 2011 ist im Video dokumentiert und auf der Seite des Vatikan im Wortlaut. 2012 reiste er nach Mexiko und Kuba, wo er mit Fidel Castro zusammentraf. Im Libanon warb er für Religionsfreiheit und für einen Verbleib der Christen in der Region, er rief eine Weltbischofssynode zum Thema Neuevangelisierung zusammen und eröffnete 50 Jahre nach Beginn des Konzils ein „Jahr des Glaubens“. Nur kurz nach der Vollendung seiner „Jesus-Trilogie“ im November 2012 kündigte Benedikt XVI. am 11. Februar 2013 überraschend seinen Amtsverzicht an und legte am 28. Februar nach sieben Jahren, zehn Monaten und neun Tagen sein Amt nieder - ein fast einmaliger Akt in der Geschichte. Papst Benedikt XVI. hatte am 11. Februar, seinen Amtsverzicht zum 28. Februar erklärt. Die Erklärung zum Amtsverzicht: Declaratio (11. Februar 2013) (Video), Ansprache bei der Audienz am Aschermittwoch 2013 in Deutsch.

Zum neuen Papst wählten die Kardinäle im Konklave am 13. März den Argentinier Kardinal Jorge Mario Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires, der als erster in der Geschichte den Papstnamen Franziskus wählte. Als „Papa emeritus“ zog Benedikt von Castel Gandolfo am 2. Mai in das ehemalige Kloster „Mater Ecclesiae“ in den vatikanischen Gärten, führte seither ein weitgehend zurückgezogenes Leben und traf immer wieder auch mit seinem Amtsnachfolger Franziskus zusammen.

Ratzinger-Gesamtausgabe: Die Ausgabe ist auf 16 Bände (teilweise in zwei Teilbänden) angelegt. Jeder Band versammelt die zentralen Schriften, die Joseph Ratzinger – „ein Jahrhunderttheologe, der bis zum heutigen Tag ganze Generationen von Theologen und Christen jeden Alters und jeder Konfession geprägt hat und weiterhin prägt“ (Herder) zum entsprechenden Bandthema verfasst hat. Pro Jahr erscheinen 2 bis 3 Bände. Mehr: https://www.herder.de/theologie-pastoral/shop/k2/reihen/joseph-ratzinger-gesammelte-schriften

Prominente über den Papst zu seinem 85. Geburtstag: Zu diesem Anlass hat sein Privatsekretär, Prälat Dr. Georg Gänswein, das Buch „Benedikt XVI. – Prominente über den Papst“ herausgegeben. Bekannte Persönlichkeiten aus den Bereichen Kirche, Politik und Sport charakterisierten seine Persönlichkeit und bekennen sich öffentlich zum Papst und zum Glauben. Das Buch: Georg Gänswein (Hg.): Benedikt XVI. - Prominente über den Papst, 192 Seiten mit 20 Abbildungen, Media Maria Verlag, ISBN 978-3-9814444-6-9, 19,95 Euro

Sammelband zum 90. Geburtstag: Anlässlich des 90. Geburtstags von Benedikt XVI. am 16. April 2017 publizierte die Vatikanische Verlagsbuchhandlung (LEV) den Sammelband „Cooperatores Veritatis“, der auf Initiative der Stiftung Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. zusammengestellt wurde. Sie versammelt die Beiträge der 13 bisherigen Preisträger des seit 2011 vergebenen Ratzinger-Preises. Unter den Autoren sind die jüngsten Ratzinger-Preisträger Inos Biffi, italienischer Bibelwissenschaftler, der orthodoxe Theologe Ioannis Kourempeles aus Griechenland, der libanesische Philosophie-Professor Nabil el-Khoury und die Ratzinger-Preisträgerin und französischen Bibelwisenschaftlerin Anne-Marie Pelletier. Weiter sind Essays von Richard Burridge, Waldemar Chrostowski, Manlio Simonetti, Brian E. Daley, Olegario González de Cardedal, Mario de França Miranda; Remi Brague; Maximilian Heim; Christian Schaller enthalten. Das Vorwort stammt von Giuseppe Costa, dem Direktor der Vatikan-Buchhandlung. Der Ratzinger-Preis wird seit 2011 jährlich von der vatikanischen Stiftung nach Rücksprache mit Benedikt XVI. (2005-2013) verliehen. Er ist mit 50.000 Euro dotiert. Die Stiftung finanziert sich durch die Verkaufserlöse der Bücher des emeritierten Papstes sowie aus Spenden.

Umfassende Ratzinger-Biografie 2020: Am 5. Mai 2020 erschien eine umfangreiche und nicht ganz unumstrittene Biografie des ehemaligen deutschen Papstes Benedikt XVI. von Peter Seewald mit dem Titel «Benedikt XVI. - Ein Leben». Auf 1.184 Seiten versammelt das Buch viele Informationen und Einsichten, die der Autor in Gesprächen mit dem zurückgetretenen Papst, dessen Bruder und den Menschen in seiner unmittelbaren Umgebung aufgezeichnet hat. Dazu gehören Details über die Umstände und die Planung seines sensationellen Rücktritts im Jahr 2013, von dem vorab nur eine Handvoll Vertraute wussten, sowie über den Umgang mit dem Skandal des sexuellen Missbrauchs in der Kirche. Das Schlusskapitel ist ein allerletztes, schriftlich geführtes Interview Seewalds mit Benedikt XVI. aus dem Herbst 2018. Darin geht er ausführlich auf Kritik an seinem Rücktritt sowie an der Ausübung seiner Rolle als emeritierter Papst ein. Die bislang ausführlichste Biografie stammte von Ratzinger selbst und erschien 1998 unter dem Titel «Aus meinem Leben (1927-1977)». Das Buch: Peter Seewald, Benedikt XVI.- Ein Leben, Droemer Knaur; - 38,00 Euro (D), 978-3-426-27692-1, - E-Book: 29,99 Euro, 978-3-426-42205-2; 1.184 Seiten

Zu den aktuellen Entwicklungen: www.vatican.va

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