Panorthodoxes Konzil auf Kreta

von Dr. Christof M. Beckmann

Sonntag, 19.06.2016

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Bild: Programm zur Jahrestagung der GSCO (Gesellschaft für das Studium des Christlichen Ostens am 03./04.06.2016 in Kooperation mit der Ausbildungseinrichtung für Orthodoxe Theologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München

Die orthodoxen Landeskirchen streiten weiter um das erste Panorthodoxe Konzil seit Jahrhunderten. Die seit über 50 Jahren vorbereitete Versammlung soll am 19. Juni beginnen. Doch jetzt hat auch die russisch orthodoxe Kirche ihre Beteiligung abgesagt...

INFO: Unter dem Leitwort „Er rief alle zur Einheit“ kommen vom 19. bis 26. Juni mehrere hundert Bischöfe der griechisch-orthodoxen Kirchenfamilie aus aller Welt auf Kreta zu ihrer „Großen und Heiligen Synode“ zusammen. Es ist die erste derartige Zusammenkunft der heute 14 selbstständigen („autokephalen“) Kirchen in der Neuzeit; die panorthodoxen Synoden früherer Jahrhunderte waren deutlich kleiner und regional begrenzter. Allerdings haben in den vergangenen Tagen fünf National- bzw. Regionalkirchen ihre Teilnahme abgesagt; bis zuletzt stand deshalb das Konzil auf der Kippe.

Geleitet wird das Konzil vom Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., dem traditionell die Rolle des Ehrenoberhauptes der Weltorthodoxie zukommt. Die einzelnen Kirchen sind durch Delegationen von maximal 24 Bischöfen sowie ihrem Vorsteher vertreten; die kleineren Patriarchate erreichen diese Zahl nicht. Abgestimmt wird nicht nach dem Mehrheitsprinzip; jede Kirche hat eine Stimme. Für Entscheidungen ist Einstimmigkeit vorgeschrieben.

Dem Konzil ging ein jahrzehntelanger Vorbereitungsprozess voraus. Die ersten Beschlussentwürfe stammen aus den 1970er Jahren; sie wurden erst in den vergangenen Monaten überarbeitet und aktualisiert. Während bis zum Ende der Sowjetunion 1991 politische Gründe das Zustandekommen eines Konzils verhinderten, brachen anschließend innerorthodoxe Konflikte auf. Anlass war das Bestreben einzelner Kirchen in den verselbstständigten Staaten, sich auch kirchlich von Moskau zu lösen. Die Autonomie für eine Ortskirche und die Methoden ihrer Erklärung soll nun auch eines der Themen des Konzils sein. Autonomie meint die „relative oder teilweise Unabhängigkeit“ von der Kirche, zu der sie gehört - im Unterschied zur sogenannten Autokephalie, also vollständiger Unabhängigkeit. Zudem soll es auf Kreta um die Ordnung der orthodoxen Diaspora, um Fastenvorschriften, Ehe und Ehehindernisse, aber auch um die Beziehungen zur „übrigen christlichen Welt“ sowie die „Mission der orthodoxen Kirche in der modernen Welt“ gehen.

Als orthodoxe oder Ostkirche wird die aus dem byzantinischen (oströmischen) Reich hervorgegangene Kirchenfamilie bezeichnet, zu der heute 14 selbstständige („autokephale“) Kirchen zählen. „Orthodox“ war dabei zunächst keine eigene Konfessionsbezeichnung, sondern bedeutet „rechtgläubig“. Von ihrer Tradition, ihrem Bekenntnis und der Liturgie versteht sich die Orthodoxie ungeachtet ihrer nationalen und politischen Differenzierung als eine Kirche. Ehrenoberhaupt ist der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I.

Die weltweit mehr als 220 Millionen orthodoxen Christen bilden nach Katholiken und Protestanten aller Denominationen die drittgrößte Konfession der Christenheit. Von ihnen gehören die meisten (rund 165 Millionen) zur russischen orthodoxen Kirche (Moskauer Patriarchat), zu der auch zahlreiche Bistümer und Gemeinden außerhalb Russlands zählen.

Mit der westlichen Kirche verbinden die Orthodoxie die sieben „ökumenischen“ Konzile des ersten Jahrtausends (das letzte von ihnen fand 787 statt). In den folgenden Jahrhunderten kam es zu einer Entfremdung zwischen Ost und West. Den Bruch markierte das Jahr 1054, als der römische Kardinal Humbert von Silva Candida als Legat des Papstes den Patriarchen von Konstantinopel exkommunizierte, was als Exkommunikation der gesamten griechischen Kirche gedeutet wurde. Patriarch Kerullarios ließ daraufhin den Legaten von einer Synode verdammen. Die gegenseitigen Bannsprüche wurden am 7. Dezember 1965 offiziell aufgehoben. Zu den Haupthindernissen für eine Kirchengemeinschaft zwischen der Orthodoxie und der katholischen Kirche zählt heute der Primat des römischen Papstes.  

Zu unterscheiden von den griechisch-orthodoxen Kirchen sind die orientalisch-orthodoxen (altorientalischen) Kirchen, etwa die koptische, die syrische und die armenische orthodoxe Kirche, die sich bereits zwischen dem 5. und 7. Jahrhundert von der Reichskirche trennten. In Deutschland leben nach Schätzungen etwa zwei Millionen orthodoxe Christen. Der 2010 gegründeten Orthodoxen Bischofskonferenz in Deutschland gehören zehn Diözesan- und Weihbischöfe aus sieben orthodoxen Kirchen an. Vorsitzender ist der griechisch-orthodoxe Metropolit Augoustinos mit Sitz in Bonn.
Sonntag, 19.06.2016