Neue Kinderbibel setzt Zeichen gegen Rassismus

von Markus Möhl

Sonntag, 02.04.2023

Gruppenfoto mit Kinderbibeln
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Die Theologin Sarah Vercera (3.v.r.) engagiert sich für eine Kirche ohne Rassismus. Sie gehört der Projektgruppe an, die die "Alle Kinder Bibel" mit entwickelt und begleitet hat. (Foto: VEM | Susanne Seiler)

Kinderbibeln gibt es viele, aber die Version, die am 21.3.2023 in der evangelischen CityKirche in Wuppertal vorgestellt wurde, ist einzigartig, handelt es sich dabei doch um „die erste diversitätssensible Kinderbibel für das Vor- und Grundschulalter“.

„Von Anfang an war die Kirche für alle Menschen gedacht. Trotzdem gibt es auch in ihr rassistische Strukturen, die weißen Menschen meistens gar nicht auffallen“, sagt die Theologin Sarah Vecera, die die neuartige Kinderbibel in einer Projektgruppe mit entwickelt und begleitet hat. Als „Person of Color“ weiß Vecera aus eigener Erfahrung, wovon sie spricht: „Ich bin in einer weißen Kirche groß geworden, in der es Menschen auch immer gut mit mir meinten, aber ich habe immer das Gefühl mitbekommen, ich bin besonders, ich bin anders. (…) Ich hab mich nie – und das wollen Menschen ja eigentlich - 100prozentig zugehörig gefühlt, weil ich immer »die Andere« war.“

Damit es Kindern anderer Herkunft oder Hautfarbe nicht auch so ergeht, setzt die „Alle-Kinder-Bibel“ bewusst klare Zeichen: „21 ausgewählte Bibelgeschichten werden von Andrea Karimé rassismus- und vielfaltssensibel, einfühlsam und kindgerecht erzählt“, heißt es dazu in der Pressemitteilung zur Buchvorstellung, aus der wir im Folgenden zitieren:

Die Geschichten „handeln von Held*innen, mit denen sich Kinder mit unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründen identifizieren können. In den von Anna Lisicki-Hehn illustrierten Geschichten treten mehrheitlich Menschen of Color in Erscheinung, die an den biblischen Orten des heutigen Nahen Ostens lebten. Auch Jesus wird historisch korrekt als jüdische Person of Color gezeigt. Die Erzählungen bilden zudem die Vielfalt der Menschen ab, von denen die Bibel berichtet. Frauen haben zentrale Rollen, Kinder kommen zu Wort und Menschen mit Behinderung tauchen nicht nur im Heilungskontext auf. Die diversitätssensible Kinderbibel zeichnet sich darüber hinaus durch eine Mehrsprachigkeit in Wort und Bild aus, die der heutigen pluralen Gesellschaft in Deutschland entspricht. Online-Zusatzmaterialien unterstützen Erwachsene zu Hause und in pädagogischen Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Grundschulen und der Kinderkirche dabei, einen weltoffenen Glauben zu vermitteln.

Die Idee für die »Alle-Kinder-Bibel« entstand auf einer Konferenz der Vereinten Evangelischen Mission (VEM), die sich mit der Verbreitung von diskriminierenden und rassistischen theologischen Narrativen im kirchlichen Raum beschäftigte. In der Folge bildete sich eine Projektgruppe mit Menschen aus unterschiedlichen kirchlichen und universitären Kontexten. Sie nahmen vor allem Kinder of Color in den Blick, die in deutschsprachigen Kinderbibeln oftmals als Fremde und Andere dargestellt werden, da Weißsein heute immer noch als Norm angenommen wird. Das von der Gruppe entwickelte Konzept für Texte und Illustrationen der vielfaltssensiblen Kinderbibel zielt darauf ab, Geschichten und Illustrationen zu zeigen, in denen sich Kinder of Color wiederfinden können; ihre Perspektive soll bestimmend sein. Über 40 Prozent der Kinder unter sechs Jahren in Deutschland haben einen Migrationshintergrund. Viele sind Personen of Color und oft wachsen sie mit mehr als einer Sprache und mit mehr als einer kulturellen Prägung auf, auch wenn sie in Deutschland geboren und deutsche Staatsbürger*innen sind.

»Ich freue mich für meine Kinder, dass sie nun endlich auch eine Kinderbibel lesen können, die die Vielfalt unserer Gesellschaft widerspiegelt. So bekommen sie von kleinauf gezeigt, dass Gottes Liebe uns allen gilt und alle Teil von Gottes Schöpfung sind«, so Sarah Vecera, die Mitglied der Projektgruppe und selbst Mutter of Color ist und als »Senior Koordinatorin Globales Lernen« die Antirassismus-Arbeit bei der VEM leitet.

Die »Alle-Kinder-Bibel« entstand in einem zweijährigen Prozess, der von einer Expert*innengruppe im Auftrag der VEM begleitet wurde. Neben der VEM haben die Evangelische Kirche von Westfalen, der Kirchenkreis Dortmund und die Evangelische Kirche im Rheinland zur Finanzierung des Projekts beigetragen. 

Die Autorin Andrea Karimé veröffentlichte bereits 23 Kinderbücher und wurde unter anderem mit dem österreichischen Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet. Die Illustratorin Anna Lisicki-Hehn erhielt das »KIMI-Siegel für Vielfalt in Kinderbüchern«. Das Hörbuch zur Kinderbibel wird gesprochen von Thea Hummel von der VEM.

Die »Alle-Kinder-Bibel« ist im Neukirchener Verlag erschienen, hat 112 Seiten und kostet 15 Euro. Hier geht´s zur Online-Bestellung (ISBN 9783761569047).

Sonntag, 02.04.2023