Neu: Notfallseelsorge für Seeleute ist im Aufbau

von Manfred Rütten & Katharina Hagen

Sonntag, 30.09.2018

Rettungsring an einer Schiffsreeling
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Wenn die Seele eines Matrosen Schaden genommen hat, hilft kein Rettungsring. Dann braucht es Menschen, die zuhören und begleiten können.

Die Notfallseelsorger der Kirchen kümmern sich bei Unglücken oder Todesfällen um geschockte Polizisten oder Rettungskräfte und um die Angehörigen der Opfer. Was an Land selbstverständlich ist, soll es bald auch auf dem Wasser geben.

Die Seemannsmissionen in Norddeutschland haben damit begonnen, ein Netz von Notfallseelsorger für Seeleute aufzubauen. Ein erster Ausbildungsgang mit 15 meist hauptamtlichen Seemannsdiakonen ist kürzlich abgeschlossen worden, ein weiterer soll noch im Spätsommer starten. Ziel des Dienstes ist es, Seeleuten in belastenden Situationen beizustehen und ihre Sorgen und Nöte zu teilen.

Auslöser für solche persönlichen Krisen gibt es viele, sagt der Leiter der Seemannsmission in Hamburg, Fiete Sturm, und verweist dabei auf die aktuelle Situation im Mittelmeer. Dort träfen die Seeleute auf ihren Fahrten immer wieder auf Flüchtlinge in überfüllten und seeuntüchtigen Schlauchbooten. Internationales Recht verlange, die Menschen zu retten. Aber das sei gar nicht so einfach, erklärt Sturm: "So ein Containerschiff ist eben nicht auf Rettung ausgelegt. Das hat eine 20 bis 30 Meter hohe Bordwand, die steil nach unten geht. Da gibt es keine Luken und Klappen, wo man eben mal Menschen reinziehen kann."

Rettungsaktionen seien deshalb auch für die Seeleute selber gefährlich, und es gelinge nicht immer, die Flüchtlinge an Bord zu nehmen, so Sturm. "Dementsprechend passiert es häufiger, dass Seeleute Zeugen werden, wie Menschen ertrinken." Auch Seeleute, die abseits des Mittelmeeres unterwegs sind, brächten manchmal schreckliche Erlebnisse mit nach Hause: "Das kann zum Beispiel ein Unfall an Bord sein. Bei einem Sturm ist ein Container verrutscht und hat einen anderen Seemann, einen Kollegen schwer verletzt oder vielleicht sogar getötet. Das kommt immer wieder vor, denn die Arbeit auf See ist gefährlich."

Hinzu komme die Arbeitsbelastung auf vielen Schiffen: Ein Pensum von 300 Stunden im Monat sei keine Seltenheit, erklärt Fiete Sturm. Die Bezahlung sei oft schlecht, es gibt kaum Freizeit, und selbst wenn jemand in der Heimat stirbt, können die Seeleute meist nicht einfach nach Hause zu ihrer Familie. Die Deutsche Seemannsmission bemüht sich deshalb, in möglichst vielen großen Häfen weltweit geschulte Notfallseelsorger zu etablieren: "Es ist wichtig, dass wir dieses Netzwerk rund um den Globus haben, weil Seeleute oft nur maximal einen Tag in den jeweiligen Häfen sind, manchmal auch nur ein paar Stunden. Und da dann wirklich Hilfe zu bekommen, ist ganz schwer."

Wo es bereits Notfallseelsorger in den Häfen gibt, können diese jetzt bei Bedarf schnell herbeigerufen werden, erzählt Seemannsdiakon Fiete Sturm: "Die steigen dann in ihr Auto, nehmen ihre Sicherheitsschuhe mit, ihren Helm, gehen auf die Schiffe und sprechen erstmal mit den Seeleuten. Machen vielleicht auch einen kleinen Gottesdienst, wenn die Seeleute das wirklich wünschen – das ist oft der Fall, gerade bei unseren philippinischen Seeleuten, die noch sehr gläubig oft sind. Und wir nehmen uns wirklich die Zeit und die Ruhe, uns die Geschichten der Seeleute anzuhören und ihre Last zu teilen, damit sie die nicht alleine tragen müssen.“

Sonntag, 30.09.2018