Krankenhäuser fordern wirtschaftliche Hilfen

von Christof Beckmann

Sonntag, 03.12.2023

Platzhalterbild
Beitrag anhören

Caritasdirektor Dominique Hopfenzitz aus Münster, Foto: Markus Lahrmann, caritas in nrw

Es sieht dramatisch aus: Sofortige wirtschaftliche Hilfen für Krankenhäuser hat die Caritas in NRW gefordert. Auf dem Katholischen Krankenhaustag verwies der Münsteraner Caritasdirektor Hopfenzitz auf eine existenzbedrohende Liquiditäts- und Ergebnislage.

INFO: In NRW erbringen rund 150 katholische Krankenhäuser mit 52.000 Betten eine wohnortnahe, leistungsstarke Versorgung. Ihre 120.000 Beschäftigten behandeln jedes Jahr 2,25 Millionen Patientinnen und Patienten. Zudem stellen die katholischen Krankenhäuser über 16.000 Ausbildungsplätze zur Verfügung. Sie sind freigemeinnützige Träger, die erwirtschaftete Überschüsse im Dienst der Allgemeinheit reinvestieren. Bundesweit haben rund 34 Prozent der 1900 Kliniken einen frei-gemeinnützigen Träger.

Jetzt hat die Caritas in NRW sofortige wirtschaftliche Hilfen für Krankenhäuser gefordert. Auf dem Katholischen Krankenhaustag in Essen verwies der Münsteraner Caritasdirektor Dominique Hopfenzitz auf zurückliegende Kostensteigerungen, die „zu einer existenzbedrohenden Liquiditäts- und Ergebnislage unserer katholischen Krankenhäuser“ geführt hätten. Bereits 40 Kliniken in Deutschland hätten in diesem Jahr Insolvenz anmelden müssen, davon fast die Hälfte in NRW. Die Zukunftsfähigkeit des katholischen Krankenhauswesens stehe in Frage. Hopfenzitz wies darauf hin, dass etliche kommunale Kliniken durch ihre Träger finanziell unterstützt würden – anders als konfessionelle Kliniken. Hopfenzitz sprach in Essen vor über 180 Geschäftsführern und Managern von katholischen Krankenhäusern in Nordrhein-Westfalen. Von der Politik forderte der Caritas-Direktor Rahmenbedingungen, um den seit Jahrhunderten verlässlich und qualitativ hochwertig erfüllten Auftrag weiter gestalten zu können. „Jahrzehntelange Partnerschaft ist nicht einseitig!“ betonte Hopfenzitz. In unzähligen Gesprächen mit Landräten, Bundes- und Landtagsabgeordneten habe die Caritas in den zurückliegenden Monaten ein sogenanntes Vorschaltgesetz im Vorfeld der sich hinziehenden Bundesreform gefordert und weitere Lösungsansätze vorgeschlagen. Deutliche Kritik übte Hopfenzitz an den Reformvorschlägen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): „Wenn Krankenhäuser geschlossen werden sollen, dann muss die Politik das auch der Gesellschaft so vermitteln und sich nicht hinter Pseudodiskussionen über Transparenz und Qualität verstecken“, sagte Hopfenzitz. Eine „chaotische Bedarfsplanung“ mit Insolvenzen von Krankenhäusern oder einer teilweisen Rekommunalisierung sei ein Armutszeugnis für die Politik und könne zu einer realen Katastrophe für die Versorgung der Menschen werden. Hopfenzitz warnte vor einer Ausdünnung der flächendeckenden Gesundheitsversorgung. Verlierer seien Menschen ohne Auto, ohne Angehörige in Gegenden ohne ausgebauten Nahverkehr. Auch Pflegekräfte seien üblicherweise nicht bereit 50 Kilometer zur Arbeit zu fahren. „Fallen wohnortnahe Arbeitsplätze weg, werden unterschiedliche Berufsgruppen nicht mehr dem Gesundheits- und insbesondere Krankenhauswesen zur Verfügung stehen“, warnte er mit Blick auf den heute schon drückenden Fachkräftemangel. Auch der Rettungsdienst stoße schon jetzt an seine Kapazitätsgrenzen.

Die Patientenbeauftragte der Landesregierung NRW Claudia Middendorf, sieht die Krankenhausplanung in NRW als Vorbild für die Reformen auf Bundesebene insgesamt. Bei der Krankenhausreform helfe keine „kalte Strukturbereinigung, sondern eine am Patientenwohl orientierte Neuordnung“. Middendorf warnte vor einer Verunsicherung der Patientinnen und Patienten und des Personals. „Krankenhäuser sind zu wichtig, um kaputtgespart zu werden“, sagte sie auf der Caritas-Veranstaltung in Essen. Der derzeitige Kostendruck entstehe durch inflationsbedingte Kostensteigerungen, Kostensteigerungen für Medizinprodukte, Arzneimittel und Lebensmittel und nicht zuletzt hohe Tarifsteigerungen. Zuständig für die Refinanzierung der Betriebskosten sei der Bund. Tarifkostensteigerungen müssten kompensiert werden, forderte Middendorf, sonst sei die Krankenhauslandschaft gefährdet. Middendorf zeigte sich optimistisch, dass das System der Krankenhausplanung aus Nordrhein-Westfalen auf ganz Deutschland übertragen werden könne. Das sei „gut für alle Beteiligten und insbesondere für die Patientinnen und Patienten“, betonte sie. Denn bei dem System stehe die Qualität im Vordergrund.

Caritas-Info zu katholischen Krankenhäusern in NRW: https://www.caritas-nrw.de/themendossiers/krankenhaeuser/krankenhaeuser

Nordrhein-Westfälische Bundesratsinitiative: Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann und der Präsident des Deutschen Krankenhausgesellschaft, Ingo Morell, stellten am 21. November 2023 in Düsseldorf eine von Nordrhein-Westfalen initiierte Bundesratsinitiative (BR-Drucksache 592/23) zur finanziellen Unterstützung der Krankenhäuser vor. Weil inflationsbedingte Kosten- und Tarifsteigerungen nicht ausreichend durch das Fallpauschalen-System (DRG) refinanziert werden verschlechtert sich die Finanzsituation der Kliniken bundesweit zusehends. Die Initiative wird gemeinsam mit den Ländern Bayern, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein in den Bundesrat eingebracht. Sie fordert den Bund auf, die für die Krankenhausfinanzierung grundlegenden sogenannten Landesbasisfallwerte (LBFW) für 2022 und 2023 rückwirkend um vier Prozent zu erhöhen, die regelhafte Refinanzierung der vollen Tarifsteigerungen ab dem Jahr 2024 sicherzustellen, eine Anpassungen an der generellen Berechnungssystematik des LBFW vorzunehmen, die aktuelle Übergangsregelung zur Zahlungsfrist von Krankenhausrechnungen zu verstetigen und ein kurzfristiges Nothilfeprogramm für existenzbedrohte Krankenhäuser aufzulegen. Der Bundesratsinitiative vorangegangen ist eine Debatte im nordrhein-westfälischen Landtag, bei der die Landesregierung mit breiter Mehrheit beauftragt worden ist, die Bundesregierung zu den entsprechenden Maßnahmen aufzufordern (Landtag Drucksache 18/5848). Auch die Ministerpräsidentenkonferenz hat am 13. Oktober 2023 einen einstimmigen Beschluss mit der gleichen Zielrichtung gefasst.

Mehr: https://www.land.nrw/pressemitteilung/nordrhein-westfaelische-bundesratsinitiative-fordert-vom-bund-finanzielle

Mehr: Der Katholische Krankenhausverband Deutschland e.V. vertritt als Fachverband bundesweit 267 Krankenhäuser an 340 Standorten sowie 54 Reha-Einrichtungen mit insgesamt 210.000 Mitarbeitenden. Jährlich werden unter dem Leitwort „Unverzichtbar menschlich“ 3 Millionen Patienten stationär und 2,5 Millionen ambulant versorgt. Mit Umsätzen von 17 Milliarden Euro pro Jahr sind die katholischen Krankenhäuser zudem ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.

Kontakt: Katholischer Krankenhausverband Deutschland e.V., Große Hamburger Straße 5, 10115 Berlin, Telefon: 030 2408368-11, Telefax: 030 2408368-22, E-Mail: kkvd@caritas.de, Internet: https://die-katholischen-krankenhaeuser.de/, Kurz-Video zum Profil der katholischen Krankenhäuser

Private und christliche Kliniken beklagen Wettbewerbsverzerrung: Berlin (KNA) Private und christliche Krankenhäuser sowie das Deutsche Rote Kreuz warnen vor einer Wettbewerbsverzerrung im Krankenhausbereich in Deutschland. Während sich bundesweit viele Kliniken derzeit in einer dramatischen finanziellen Lage befänden, griffen viele Städte und Landkreise in den Steuertopf, um die Defizite kommunaler Häuser auszugleichen, heißt es in einer am Donnerstag, 30.11.2023, in Berlin veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme des Bundesverbands Deutscher Privatkliniken, des Katholischen und des Evangelischen Krankenhausverbandes sowie des Deutschen Roten Kreuzes. «Dies ist eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung.»
Die Verbände verwiesen auf ein von ihnen in Auftrag gegebenes und am Donnerstag veröffentlichtes Rechtsgutachten der Potsdamer Verfassungsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf, nach dem diese Praxis gegen den Grundsatz der gesetzlich verankerten Trägerpluralität sowie den sich daraus ergebenden Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße.Hintergrund der angespannten finanziellen Situation der Krankenhäuser sind inflationsbedingte Preissteigerungen, steigende Personalkosten und eine unzureichende Finanzierung der Investitionskosten durch die Länder. Die Krankenhäuser können diese Steigerungen nicht durch höhere Preise ausgleichen, sondern sind an die mit den Krankenkassen ausgehandelten Preise gebunden. Immer mehr Krankenhäuser sind deshalb nach Angaben der Verbände - unabhängig von ihrer Trägerschaft - von Zahlungsunfähigkeit bedroht. Die Praxis des einseitigen Verlustausgleichs für kommunale Kliniken darf nach Auffassung der Krankenhäuser in freigemeinnütziger und privater Trägerschaft so nicht weiter stattfinden. «Konkret bedeutet das, dass die Kommunen, die sich freiwillig für einen Defizitausgleich bei kommunalen Krankenhäusern entscheiden, diesen Anspruch auch gegenüber den freigemeinnützigen und privaten Krankenhäusern erfüllen müssen», heißt es in der Stellungnahme unter Berufung auf das Rechtsgutachten.
Die Auftraggeber des Gutachtens bemängeln zudem die fehlende Transparenz der Subventionen: Diese würden oft möglichst unbemerkt von der Öffentlichkeit gewährt und nirgendwo transparent ausgewiesen. Im Jahr 2023 lag das Volumen geplanter Defizitausgleiche nach Schätzungen der Verbände bundesweit bei mindestens 900 Millionen Euro.

Sonntag, 03.12.2023