Köln – nach der Visite

von Christof Beckmann

Sonntag, 20.06.2021

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Collage: KiP

Sie kam wie ein Blitz: Eine päpstlich angeordnete Visitation im Erzbistum Köln - dabei steht es eh im Rampenlicht. Was bleibt nach dieser Visite am Rhein, wie ist es einzuordnen? Es bleiben Fragen ...

INFO: Am Mai hatte Papst Franziskus eine Apostolische Visitation im Erzbistum Köln angeordnet – ein außergewöhnlicher Vorgang. Er entsandte mit dem Stockholmer Kardinal Anders Arborelius und dem Rotterdamer Bischof Hans van den Hende eine hochrangige Delegation nach Köln, um sich ein umfassendes Bild von der „komplexen pastoralen Situation“ im Erzbistum zu verschaffen und gleichzeitig eventuelle Fehler kirchlicher Verantwortungsträger im Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs zu untersuchen, die seit Monaten für Diskussionen sorgen. Ab Montag, 7. Juni, befragten die Gesandten des Papstes Vertreter des Bistums zu der Vertrauenskrise um Kardinal Rainer Maria Woelki, sprachen mit Opfern sexuellen Missbrauchs, ehemaligen und aus Protest ausgeschiedenen Mitgliedern des Betroffenenbeirats des Erzbistums, mit Kritikern des Kardinals, Gremienvertretern, dem Solinger Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD), der als Vorsitzender des Diözesanrates die praktizierenden Katholiken des Erzbistums vertritt, aber auch mit Woelki selbst. Die Visitation in Deutschlands mitgliederstärkster Diözese wurde in Köln in unmittelbarer Nähe zum Wohnhaus von Kardinal Rainer Maria Woelki und zum Tagungshaus des Erzbistums von Demonstrationen begleitet.

Der Mitte März 2021 veröffentlichte Gercke-Report hatte hohen Amtsträgern im Erzbistum Köln - darunter ehemalige Generalvikare und Erzbischöfe - mindestens 75 Pflichtverletzungen zwischen 1975 und 2018 nachgewiesen. Sie sind danach Verdachtsfällen nicht nachgegangen und kümmerten sich nicht um die Betroffenen. Nach Veröffentlichung des Gutachtens boten der Hamburger Erzbischof Stefan Heße und der Kölner Weihbischof Dominikus Schwaderlapp, beide früher als Generalvikare in Köln tätig, dem Papst ihren Rücktritt an. U.a. werden Heße elf und Schwaderlapp acht Pflichtverletzungen angelastet. Woelki hingegen wird im Report sowohl unter kirchen- als auch strafrechtlichen Gesichtspunkten entlastet.

Am Dienstag, 15. Juni, reisten der Stockholmer Kardinal Anders Arborelius und der Rotterdamer Bischof Hans van den Hende wieder ab. Sie erstellen nun zeitnah einen Bericht für Papst Franziskus, der voraussichtlich über Woelkis Zukunft entscheiden könnte. Der Bericht ist geheim und wird nach aller Erfahrung nicht veröffentlicht. Die von Papst Franziskus zuletzt allein getroffene Entscheidung dürfte nicht nur die Lage in Köln beurteilen. Auch für die international derzeit sehr im Fokus stehende Kirche in ganz Deutschland dürfte sie Konsequenzen haben.

Rücktrittsgesuch von Reinhard Kardinal Marx: Vor Beginn der Visitation in Köln hatte Franziskus ein Rücktrittsgesuch des Münchner Erzbischofs Reinhard Marx abgelehnt. In einem Brief vom 21. Mai hatte dieser in einem „ganz persönlichen Schritt“ angeboten, auf sein Amt zu verzichten und „Verantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche". Er verwies darauf, dass die Katholische Kirche an einem „toten Punkt" angekommen sei, betonte bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz jedoch, er sei keineswegs amtsmüde und wolle weiter aktiv der Kirche dienen. Nach Einschätzung von Beobachtern hatte er mit seinem Rücktrittsgesuch den moralischen Druck auf die Amtsträger in der katholischen Kirche in Deutschland massiv erhöht. Ungewöhnlich schnell folgte am 10. Juni das sehr persönlich formulierte Antwortschreiben. Darin nahm Papst Franziskus die Rücktrittsbitte von Marx nicht an und unterstrich implizit, dass eine rein juristische Aufarbeitung des Missbrauchsskandals nicht reiche. Vielmehr sei die entscheidende Antwort im persönlichen Handeln aus einer überzeugenden Haltung des Glaubens zu geben. Marx selbst reagierte mit einer Erklärung am 10. Juni 2021:

„Die Antwort des Heiligen Vaters hat mich überrascht. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er so schnell reagieren würde und auch seine Entscheidung, dass ich meinen Dienst als Erzbischof von München und Freising weiter fortführen soll, habe ich so nicht erwartet. Ich bin bewegt über die Ausführlichkeit und den sehr brüderlichen Ton seines Briefes und spüre, wie sehr er mein Anliegen versteht und aufgenommen hat. Im Gehorsam akzeptiere ich seine Entscheidung, so wie ich es ihm versprochen habe. Das bedeutet für mich und unsere gemeinsame Arbeit im Erzbistum München und Freising aber auch, zu überlegen, welche neuen Wege wir gehen können – auch angesichts einer Geschichte des vielfältigen Versagens –, um das Evangelium zu verkünden und zu bezeugen. Dabei steht der Bischof nicht allein und ich werde in den nächsten Wochen darüber nachdenken, wie wir gemeinsam noch mehr zur Erneuerung der Kirche hier in unserem Erzbistum und insgesamt beitragen können; denn der Papst greift vieles auf, was ich in meinem Brief an ihn benannt habe, und gibt uns wichtige Impulse. Es bleibt bei dem, was ich auch in meiner Erklärung unterstrichen habe: dass ich persönlich Verantwortung tragen muss und auch eine ‚institutionelle Verantwortung‘ habe, gerade angesichts der Betroffenen, deren Perspektive noch stärker einbezogen werden muss. Ich empfinde diese Entscheidung des Papstes als große Herausforderung. Danach einfach wieder zur Tagesordnung überzugehen, kann nicht der Weg für mich und auch nicht für das Erzbistum sein.“

Das Evangelium zum 12. Sonntag im Jahreskreis stammt aus dem Markus-Evangelium, Kapitel 4, 35–41: „35 An jenem Tag, als es Abend geworden war, sagte Jesus zu seinen Jüngern: Wir wollen ans andere Ufer hinüberfahren. 36 Sie schickten die Leute fort und fuhren mit ihm in dem Boot, in dem er saß, weg; und andere Boote begleiteten ihn. 37 Plötzlich erhob sich ein heftiger Wirbelsturm und die Wellen schlugen in das Boot, sodass es sich mit Wasser zu füllen begann. 38 Er aber lag hinten im Boot auf einem Kissen und schlief. Sie weckten ihn und riefen: Meister, kümmert es dich nicht, dass wir zugrunde gehen? 39 Da stand er auf, drohte dem Wind und sagte zu dem See: Schweig, sei still! Und der Wind legte sich und es trat völlige Stille ein. 40 Er sagte zu ihnen: Warum habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben? 41 Da ergriff sie große Furcht und sie sagten zueinander: Wer ist denn dieser, dass ihm sogar der Wind und das Meer gehorchen?“ Mehr: Glaubensbekenntnis, Fürbitten.

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