Kirchenwahlen leiden unter Kandidatenmangel

von Jil Blume & Manfred Rütten

Sonntag, 23.02.2020

roter Buntstift und ein rotes Kreuz auf einem Wahlzettel
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Basisdemokratie: Die knapp 1.000 evangelischen Kirchengemeinden wählen ihre Leitungsgremien selber - wenn es genügend Kandidaten*innen gibt.

Am 1. März 2020 stehen Wahlen an – nicht in der Politik, wohl aber in den knapp 1.000 evangelischen Kirchengemeinden in NRW, die jeweils ihr Presbyterium (die Gemeindeleitung) neu wählen. Doch längst nicht überall kommt es auch wirklich zur Abstimmung.

Eine echte Wahl kann und wird tatsächlich nur dort stattfinden, wo es mehr Bewerber als Sitze im Presbyterium gibt. Das zu erreichen, fällt immer mehr Gemeinden schwer. Einerseits setzt das Presbyteramt eine gewisse persönliche Eignung voraus (Mitglied der evangelischen Kirche, mindestens 18 Jahre alt, um das Wohl der Gemeinde bemüht). Andererseits bestehen die Gemeindeleitungen fast ausschließlich aus Ehrenamtlichen - und genau darin liegt auch ein Hauptproblem.

Denn die meisten Kirchenmitglieder sind eher distanziert, wollen sich dementsprechend nicht persönlich in der Kirche einbringen. Andere, die vielleicht enger mit ihrer Kirche verbunden sind, scheuen den Zeit- und Arbeitsaufwand bzw. wollen sich nicht für eine relativ lange Zeitspanne (vier  Jahre Amtszeit) fest binden. Wer der Kirche nahesteht, weiß außerdem, dass sie derzeit an vielen Stellen mit Strukturveränderungen, wenig Geld und Mitgliederschwund zu kämpfen hat. In solchen Zeiten kann Leitungsverantwortung viel Kraft und Nerven kosten. Und last but not least gilt: Wer für das Presbyteramt kandidiert, geht immer auch das Risiko ein, am Ende NICHT gewählt zu werden. Das kann eine persönliche Kränkung bedeuten, der mancher lieber gleich aus dem Weg geht.

Unter diesen Voraussetzungen gelingt es bei weitem nicht allen Gemeinden, ausreichend viele Bewerber zu finden, damit eine echte Wahl stattfinden kann. Viele sind schon froh, wenn sie die nötige Zahl an Menschen zusammen haben, um alle Plätze im Presbyterium besetzen zu können. In diesem Fall findet in der Gemeinde keine Abstimmung mehr statt, die Bewerber gelten automatisch als gewählt.

Im Gebiet der rheinischen Landeskirche, das sich über vier Bundesländer erstreckt, wird es laut einer Hochrechnung des Düsseldorfer Landeskirchenamtes nur in 30% aller Wahlbezirke auch tatsächlich eine Abstimmung geben. In der Evangelischen Kirche von Westfalen liegt der Wert bei 22% (108 von insgesamt 490 Gemeinden), und in der Lippischen Landeskirche findet am Sonntag nur in einer der 66 Kirchengemeinden eine Wahl statt.

Die aktuelle Entwicklung ist in doppelter Hinsicht besorgniserregend. Zum einen geht ein wichtiges  Mitbestimmungsrecht aller Gemeindemitglieder langsam verloren, zum anderen besteht die Gefahr, dass die personelle Besetzung in den Presbyterien über Jahre hinaus immer dieselbe bleibt - das hemmt Veränderungen und Entwicklungen.

Doch es gibt auch positive Beispiele. Im Presbyterium der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Klettenberg sind 16 Plätze zu vergeben, auf die sich insgesamt 22 Kandidaten/innen bewerben. Das freut Pfarrer Ivo Masanek, der viel Zeit in die Suche nach geeigneten Bewerbern investiert hat. Aus seiner Sicht lohnt sich der Aufwand, "weil dadurch das demokratische Prinzip von evangelischer Kirche so deutlich wird. Denn evangelische Kirche ist nicht hierarchisch organisiert, sondern demokratisch von den Gemeindemitgliedern. Und deswegen ist es schön, wenn viele sagen von der Basis: Wir arbeiten mit, denn alle finanziellen Entscheidungen in der Kirchengemeinde, alle personellen Entscheidungen, alle über Gottesdienste trifft letztendlich das Presbyterium."

Die diesjährigen Presbyteriumswahlen stehen unter dem Motto "Gemeinde bewegen" bzw. "Gemeinde mit mir" und finden zeitgleich am 1. März 2020 in den Gemeinden der evangelischen Landeskirchen von Westfalen (EKvW), Rheinland (EKiR) und Lippe statt. Ausführliche Infos bietet die rheinische Kirche unter https://presbyteriumswahl.de/ . Die westfälische Landeskirche hat mit https://www.kirchenwahl2020.de/ ebenfalls eine eigene Internetseite zur Wahl erstellt. In der Lippischen Landeskirche heißen die Gemeindeleitungen "Kirchenvorstand". Infos zu deren Wahl gibt es unter https://www.lippische-landeskirche.de/7969-0-1.html

Sonntag, 23.02.2020