Karfreitag: Visionen der Anna Katharina Emmerick

von Christof Beckmann

Freitag, 29.03.2024

PASSION-Kinoplakat, Anna Katharina Emmerick. Gemälde von Gabriel von Max (1885) / Collage KIP
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PASSION-Kinoplakat, Anna Katharina Emmerick. Gemälde von Gabriel von Max (1885) / Collage KIP

Vor 20 Jahren verstörte mit der „Passion Christi“ ein echter Kino-Skandal das Publikum, jetzt kommt er zu Ostern 2024 wieder zurück auf die große Leinwand. Mel Gibsons Film stützt sich auf die Visionen Anna Katharina Emmericks aus dem Münsterland...

INFO: Vor 20 Jahren wurde sie von Papst Johannes Paul II. in Rom seliggesprochen: Anna Katharina Emmerick, vor 250 Jahren im Münsterland geboren, vor 200 Jahren in Dülmen gestorben. Den einen galt sie als Wunder, den anderen als Gefahr. Ihre frommen Visionen schafften es sogar bis nach Hollywood. Der Emmerick-Bund will sie in diesem Jahr mit zahlreichen Veranstaltungen „ins Heute holen und den Menschen präsentieren“, berichtet Angela Pund, die stellvertretende Vorsitzende. Ein umfangreiches Programm unter dem Leitwort „zerbrechlich und souverän“ reicht dabei von spirituellen bis zu kulturellen Angeboten, die historische als auch aktuelle Themen aufgreifen. „Es sind Anregungsformate. Anna Katharina ist keine einfache Selige. Aber sie ist eine aktuelle Frau, die gegen Widerstände selbstbewusst ihren Weg gegangen ist, Mut hatte und durch ihre Gottessuche ein neues Gottesbild, das des liebenden Gottes, etabliert hat. Es war sensationell, wie sie ihrer Zeit voraus war“, sagt Peter Nienhaus, Pfarrer in Heilig Kreuz Dülmen. In der Heilig-Kreuz-Kirche befindet sich neben dem Grab der Seligen auch eine Gedenkstätte mit einer umfangreichen Ausstellung.

Von der Liebe sei ihr Leben getragen worden, und sie habe es darauf ausgerichtet. Nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. „Sie ist eine souveräne Frau gewesen. Und das in einer Zeit, in der es allerhand war, als Frau zu widersprechen“, fügt er hinzu. Sie habe in einer Schwellenzeit gelebt. „In einer Zeit, in der die Kirche an Glaubwürdigkeit verloren hat. Aber Anna Katharina Emmerick setzt der Institution eine Inspiration entgegen. Und genau das ist auch das Gebot von heute“, betont Nienhaus. Die Kirche habe die Aufgabe, Menschen auf den Weg zu bringen. Ihr müsse es um das Leben der Menschen gehen und nicht um ihr institutionelles Überleben. Emmerick habe in einer furchtbaren Zeit gelebt, in der die Menschen nicht nur gesundheitlich krank und zerbrechlich gewesen seien, sondern auch ihre Religiosität. „Aber Anna Katharina Emmerick hat über das Institutionelle auf eine göttliche Seite geschaut. In ihrem Leben ging es um Begegnung und Beziehung“, erläutert Pund und fügt hinzu: „Das braucht eine lebendige Übersetzung ins Leben hinein.“ Sie habe ihre Berufung gelebt und sei jedem Menschen auf Augenhöhe begegnet. 

Das Jubiläumsjahr begann am Todestag der Seligen, 9. Februar, mit einem Gottesdienst mit Bischof Dr. Felix Genn in der Heilig-Kreuz-Kirche. Der Bischof feiert ebenso die heilige Messe zu ihrem Geburtstag, 8. September, beim Patronatsfest der Anna-Katharina-Gemeinde in Coesfeld auf der Freilichtbühne. Zudem widmet sich Schwester M. Ancilla Röttger, Äbtissin im Klarissenkloster in Münster, vom 22. bis 27. April in ihren Morgenandachten im WDR der Seligen. Weiterhin gibt es eine Kunstausstellung mit Werken des Bildhauer Walter Green, eine Tanzperformance mit Orgelmusik zu Texten von Anna Katharina Emmerick, einen literarisch-musikalischen Abend ebenso wie eine geführte Radtour auf den Spuren von Anna Katharina Emmerick, einen Vortrag über das Thema Heiligsprechung von Prof. Dr. Thomas Schüller sowie eine Veranstaltung mit Marie Kortenbusch von der Initiative #outInChurch. Das komplette Programm gibt es auf der Homepage der Pfarrei Heilig Kreuz unter www.heilig-kreuz-duelmen.de.

Anna Katharina Emmerick: Die Nonne und Mystikerin, geboren um den 8. September 1774 als Kind armer Kötter in der Coesfelder Bauerschaft Flamschen, wurde am 3. Oktober 2004 von Papst Johannes Paul II. in Rom seliggesprochen. Sie starb mit 49 Jahren am 9. Februar 1824 in Dülmen, ihr Gedenktag ist der 9. Februar.

Sie wuchs in einer frommen Familie auf, besuchte nur wenige Monate die Schule, wurde mit 13 Jahren Magd und Näherin. Statt einer vorteilhaften Heirat ging sie gegen den Wunsch der Eltern als Augustinerin in das Kloster Agnetenberg in Dülmen, wo sie am 13. November 1802 als Novizin eingekleidet wurde und ein Jahr später ihre feierliche Profess ablegte. Zahlreiche Krankheiten und Schmerzen fesselten sie ans Bett und Visionen ihrer Kindheit setzten sich hier fort: Sie wurde mit den Wundmalen Jesu gezeichnet und an jedem Freitag durchlitt sie die Passion Christi. Das öffentliche Aufsehen nahm zu und Untersuchungen des preußischen Staats suchten die „Mystikerin des Münsterlandes“ als Betrügerin zu entlarven.

Der Schriftsteller Clemens Brentano schrieb ihre Visionen 1819-1824 in Dülmen nieder und veröffentlichte sie als Bücher: Das bittere Leiden unsers Herrn Jesu Christi, das Leben der hl. Jungfrau Maria, das Leben Jesu sowie eine unvollendete Biographie der Anna Katharina Emmerick. Ihre Visionen vom Leiden Christi wurden mit allen Grausamkeiten in Mel Gibsons Film „Die Passion Christi“ (2004) dargestellt, der vollständig in Aramäisch, der Sprache Jesu, gedreht wurde. Ein erster Prozess zur Seligsprechung Anna Katharina Emmericks wurde 1892 eingeleitet, 1928 eingestellt, 1973 neu eröffnet und 2004 abgeschlossen.  

Die Anna-Katharina-Gedenkstätte und ihr Grab befinden sich in der Heilig-Kreuz-Kirche in Dülmen, wo auch ein Anna-Katharina-Weg als Pilgerweg zu den Lebensstationen eingerichtet ist. Er verbindet als Rad- und Wanderweg die Lebensorte in Coesfeld, Flamschen und Dülmen.

Unser Gesprächspartner und Kontakt: Katholische Kirchengemeinde Heilig Kreuz, leitender Pfarrer: Peter Nienhaus, An der Kreuzkirche 10, 48249 Dülmen, Tel. 02594 / 2126, E-Mail: hlkreuz-duelmen@bistum-muenster.de, Internet: https://www.heilig-kreuz-duelmen.de/. Der Emmerick-Bund e.V. gibt zweimal im Jahr die Emmerickblätter heraus. Kontaktadresse: Emmerick-Bund e.V., An der Kreuzkirche 10, 48249 Dülmen, E-Mail: emmerick-bund@t-online.de.

Stigmatisation: Auftreten von sichtbaren und spontan blutenden Wunden am Körper eines lebenden Menschen werden religiös als Wundmale Christi gedeutet. Mit Stigmata gezeichnet waren Schätzungen nach zwischen 100 und 300 Personen. Der erste von der katholischen Kirche anerkannte Fall ist der des Heiligen Franz von Assisi. Er hatte sich 1224 auf den Berg La Verna in der italienischen Toskana zurückgezogen, als Tag des Ereignisses wird in der Dreigefährtenlegende der 14. September 1224 angegeben, der Tag des Festes der Kreuzerhöhung. Franziskaner und Klarissen feiern dieses Ereignis als Eigenfest der Stigmatisierung des hl. Franziskus am 17. September. Seine Stigmatisation wurde aber erst mit seinem Tode bekannt.
Als erste Frau, die Stigmata erhalten haben soll, gilt Christina von Stommeln (1242–1312), deren Reliquien sich heute in Jülich befinden. Zu Stigmatisierten neuerer Zeit zählen Anna Katharina Emmerick, Maria von Mörl, Therese Neumann aus Konnersreuth, Juliana Weiskircher, Pater Pio und Marthe Robin. Verantwortlich für Stigmata scheint eine tiefe mystische Veranlagung, begleitet von Visionen, Askese und Ekstasen. Um selbstzugefügte Wunden auszuschließen, wurden von staatlichen und kirchlichen Behörden vielfach medizinische Untersuchungen angestellt. Die Kirche selbst begegnet dem Phänomen sehr zurückhaltend, auch ist Stigmatisation allein kein Grund für eine Heiligsprechung. Erklärungsversuche reichen über eine Vielzahl psychosomatischer Ursachen bis hin zur Feststellung eines Wunders.

DIE PASSION CHRISTI: Der vor 20 Jahren vielfach als echter Kino-Skandal empfundene Film von Mel Gibson kommt jetzt zu Ostern 2024 wieder zurück auf die große Leinwand. Die Verfilmung der letzten zwölf Stunden im Leben von Jesus von Nazareth wurde zu einem der erfolgreichsten religiösen und umstrittensten Filme aller Zeiten. Der nach dem Guiness-Buch der Rekorde „meistgesehene religiöse Film aller Zeiten“ spielte mit einem Budget von 30 Millionen US-Dollar mehr als 611 Millionen Dollar ein. Er stützt sich auf die von Brentano verfassten Visionen Anna Katharina Emmericks – wird sogar auf weite Strecken eher als Verfilmung von Emmerick/Brentano als eine Umsetzung der Evangelien angesehen. Mehr: Björn Krondorfer: Mel Gibson's alter Ego: A Male Passion for Violence. In: CrossCurrents. Band 54, Nr. 1, 2004; Andreas Fasel: Dülmen goes to Hollywood - WELT. In: welt.de. 28. März 2004, abgerufen am 21. März 2024. Alle Filme von capelight pictures auf http://www.capelight.de/; mehr: #trailer #diepassionchristi #melgibson.

Video: THE PASSION OF THE CHRIST 2: Resurrection (2024) With Mel Gibson & Monica Bellucci

Die bereits vor Jahren angekündigte Fortsetzung des Films „The Passion of the Christ“ soll den Titel „The Passion Of The Christ: Resurrection I“ tragen und die biblische Wiederauferstehung des Messias zeigen. Randall Wallace, der mit Mel Gibson für „Braveheart“ (1995) zusammenarbeitete, übernahm das Drehbuch, Jim Caviezel, Hauptdarsteller des ersten Teils, soll wieder in der Rolle von Jesus zu sehen sein. An seiner Seite spielen u.a. Maia Morgenstern (Maria), Christo Jivkov (Johannes), Francesco De Vito (Petrus). Caviezel versprach nicht weniger als „den größten Film aller Zeiten“: „Es gibt Dinge, die ich nicht verraten kann, die das Publikum schocken werden, es ist großartig“, schwärmte er USA Today vor: „Der Film, den Mel Gibson macht, wird der größte Film der Geschichte.“ Für das Mammutprojekt sollten die Aufnahmen im Frühjahr 2019 beginnen, für den Frühling 2020 war die Premiere geplant. Inzwischen scheint offensichtlich, dass die Fortsetzung mindestens 2 Teile umfassen wird. 2024 starteten die Dreharbeiten für Teil II in Rom und Mexiko. Er soll 2025 in die Kinos kommen.

„Die Emmerick“ und der Film „The Passion of the Christ“: MelGibson, der bei der Passion die Regie selbst übernahm, erklärte, dass in der Fortsetzung unter anderem auch die drei Tage inszeniert werden, die nach den Evangelien des Neuen Testament zwischen dem Tod und der Auferstehung Jesu vergingen. Damit dürften hier die von Clemens Brentano herausgegebenen Betrachtungen der Anna Katharina Emmerick (1774-1824) erneut eine wichtige Rolle spielen. Der Schriftsteller Brentano, geboren am 9. September 1778 in Ehrenbreitstein und einer der Hauptvertreter der sogenannten Heidelberger Romantik, zeichnete im westfälischen Dülmen ab 1818 sechs Jahre lang die Visionen der stigmatisierten Augustiner-Nonne an ihrem Krankenlager auf. Die Notizen in vierzig Foliobänden vermischten allerdings ihre Aussagen mit eigenen Anmerkungen und dichterischen Passagen – eine Erkenntnis, die zum Abbruch des ersten Seligsprechungsprozesses führten. Nach dem Tod der Emmerick (1824) lebte Brentano an wechselnden Orten, ab 1829 in Frankfurt, ab 1832 in Regensburg und ab 1833 in München. Er starb am 28. Juli 1842 in Aschaffenburg.

Der aus den Aufzeichnungen entstandene rund 400-seitige Band „Das bittere Leiden unseres Herrn Jesus Christus“ wurde zum Bestseller und ist in vielen Ausgaben in aller Welt verbreitet. Vielen christlichen grupopen gilt er als authentische Beschreibung des Leidens Jeu – auch unter evangelikalen Christen ind en USA, wo darauf basierende Bücher nach wie vor aufgelegt werden. Nach den Aufzeichnungen Brentanos schilderte Anna Katharina Emmerick detailreich die Vorbereitung und Durchführung des Begräbnisses, die Rückkehr vom Grab in die Stadt, die Gefangennahme von Joseph von Arimatäa, die Lage der Jünger und Marias, aber auch die sogenannte „Höllenfahrt“ Jesu, der als Lichtgestalt in die Vorhölle fährt. Sie wird von Emmerick als grüner Raum beschrieben, der von einer grauen, nebligen Sphäre umgeben und in verschiedene Kreise geteilt ist. Hier trifft Jesus, von Engeln geführt, auf die Seelen von Adam und Eva, Abraham und Moses über die der Patriarchen bis zu Johannes den Täufer, die von ihm erlöst werden. Die Hölle wird als graue, finstere Welt einem großen schwarzen und metallglänzenden Felsenbau geschildert. Die bösen Geister werden gefesselt, Luzifer ebenso - er soll „50 oder 60 Jahre vor dem Jahr 2000 nach Christus auf eine Zeitlang freigelassen werden“, schreibt Brentano: „Die Erzählende sprach in ekstatischem Zustande so viel als das: das erste Absteigen Jesu zur Vorhölle ist die Erfüllung früherer Vorbilder, und selbst wieder ein Vorbild, dessen Erfüllen das heutige Erlösen ist.“ Das Buch beschreibt weiterhin den Vorabend von der Auferstehung, die Befreiung des Joseph von Arimatäa, die Nacht vor der Auferstehung, die Auferstehung selbst, die Frauen am Grab und das Erscheinen Jesu und die Berichte der Grabwache. Schon jetzt dürfte klar sein: Die filmische Umsetzung wird zweifellos erneut für heftige Reaktionen sorgen.

Karfreitag: Am Gedächtnistag der Kreuzigung und des Todes Jesu finden in vielen Gemeinden am Morgen Kreuzwegandachten und Karfreitagsprozessionen statt. Er wird als Fasttag und als Zeichen der Trauer in Stille begangen. Am Nachmittag – meist zur „6. Stunde“, der überlieferten Todesstunde Jesu um 15 Uhr - versammeln sich die Christen zum Wortgottesdienst mit Verlesung der Passionsgeschichte und zur Kreuzverehrung: Das mit einem violetten Fastentuch bedeckte Kreuz wird nach und nach enthüllt und durch Kniebeugen verehrt. Statt Glocken werden Klappern benutzt. Anschließend folgt eine Kommunionfeier. Der Karfreitag, strenger Fastentag, wird als stiller Feiertag begangen.

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