Franziskus und die "Stigmatisierung"

von Stefan Klinkhammer

Freitag, 29.03.2024

Kathedrale in Assisi, Franziskus von Rubens / Collage KIP
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Kathedrale in Assisi, Franziskus von Rubens / Collage KIP

Ihr Ordensgründer versenkte sich so sehr in sein großes Vorbild, dass er die Wundmale Jesu trug. Seinem Vorbild folgen die Franziskaner, auch eine Reformbewegung innerhalb der Ordensfamilie: Die Kapuziner in Werne und Münster...

Kapuziner: Unter den Männer- und Frauenorden ist traditionell die franziskanische Ordensfamilie besonders stark, die in den Anfängen der Bettelorden-Bewegung vor rund 800 Jahren entstand. Neben den Franziskanern (Ordo Fratrum Minorum, OFM) und den Minoriten (OFMConv) gehören zu ihnen auch die Kapuziner (Ordo Fratrum Minorum Capucinorum, OFMCap), die auf den 1209 gegründeten ersten Orden des hl. Franziskus zurückgehen. Die heutige Kapuzinergemeinschaft ging ab 1528 aus einer franziskanischen Reformbewegung in Italien hervor, die raschen Zulauf gewann und eigene Strukturen ausbaute. Die „Minderbrüder vom eremitischen Leben“ lebten abseits der Städte und Dörfer durften seitdem als Wanderprediger tätig werden, eigene Obere wählen und Brüder in ihre Niederlassung aufnehmen. Sie waren sehr volksverbunden, setzten sich u.a. besonders für die Pflege von Pestkranken ein und hatten schnell großen Rückhalt im Volk. Ihren Namen erhielten sie nach der spitzen Kapuze ihres Habits (italienisch: „il cappuccio“), eine Bezeichnung, die ab 1535 auch offiziell in päpstlichen Dokumenten verwendet wurde. Vor 450 Jahren war der Boom der Ordensgemeinschaft nicht mehr aufzuhalten und Papst Gregor VIII. erlaubte 1574 die Ausbreitung des Kapuziner-Ordens über Italien hinaus. Über Frankreich, Spanien und die Schweiz kamen die 1599 nach Deutschland, 1611 nach Köln, 1659 nach Münster und Werne.
Heute gibt es weltweit etwa 11.000 Kapuziner in 120 Ländern, die nach der Regel des hl. Franziskus leben. Wie zur Gründungszeit legen sie Wert auf Stille und Gebet, aber auch auf aktives Engagement in der Sonder- und Randgruppenseelsorge und in sozial-pastoralen Projekten wie der Obdachlosenarbeit.

Einblicke in das Ordensleben gibt es auf dem Youtube-Kanal von kapuziner-entdecken.de.

Kontakt: Curia Generalizia dei Frati Minori Cappuccini, Via Piemonte, 70, 00187 Roma, ITALIA, Tel. +39 06 42011710, +39 335 1641820, Fax +39 06 4828267, Internet: https://www.ofmcap.org/de/. Die Kapuziner sind auch vertreten auf LinkedIn, Facebook, Instagram, YouTube oder X.

Die Kapuziner ließen sich im heutigen NRW an vielen Orten nieder: Aachen (1614), Benrath (1677), Bocholt (1912), Bonn (1618), Borken St. Remigius (1629), Brakel (1645), Clemenswerth (1741), Coesfeld (1627), Düren (1642), Düsseldorf (1617), Essen (1614), Euskirchen (1639/40), Geldern (1619), Jülich (1622), Kettwig (1615), Kevelaer (1641), Kleve (1627), Köln (1611), Krefeld-Inrath (1892), Marsberg (1744), Mönchengladbach (1655), Münster (1615), Münstereifel (1616), Paderborn Liborianum (1612), Rheinberg (1685), Rindern/Kleve (1866), Rüthen (1654), Sterkrade (1900), Stolberg/Rheinland (1737), Warburg (1628), Werl (1645), Werne an der Lippe (1659), Zülpich (1635).

Kapuziner in Westfalen: Sie kamen um 1612/13 aus Flandern nach Münster und erhielten 1615 die Erlaubnis des Bischofs sich niederzulassen, zu betteln und zu predigen. 1619 bauten sie an der Krummenstiege ein Kloster, dessen Kirche 1626 geweiht wurde. Die Kapuziner wirkten vor allem in der Verkündigung, Spendung der Sakramente und als Beichtväter, waren darüber hinaus aber auch stark karitativ engagiert. 1725-27 entstand eine größere Kirche, die durch Johann Conrad Schlaun errichtet wurde und 1728 von Bischof Clemens August konsekriert wurde. Nach der Vertreibung der Kapuziner als Folge der Säkularisation wurde sie 1812 als Ägidii-Kirche zur Pfarrkirche, das leerstehende Kloster wurde 1828 abgerissen. 1857 kehrte der Orden zurück und errichtete vor dem Neutor einen Konvent mit Kirche, wurde 1875 durch das „Klostergesetz“ abermals vertrieben, kamen wieder zurück und konnten ab 1887 das Kloster erweitern. Es wurde 1941 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und 1944 durch einen Bombenangriff zerstört, 1946-1954 wiederaufgebaut und 1993-1995 umfassend renoviert. Seit über 150 Jahren sind sie in der Kapuzinerstraße in der Nähe des Schlossgartens beheimatet. Mitten im Wohnviertel ist das Kloster eine Oase der Stille: Einige Mitbrüder sind als Professoren und Dozenten an der ordenseigenen Philosophisch-Theologischen Hochschule mit ihren Institut IUNCTUS tätig. Im Kloster befindet sich eine große wissenschaftliche Bibliothek. Nicht zuletzt wurde das Kloster durch ihren Klostergarten bekannt. Kontakt: Kapuzinerkloster Münster, Kapuzinerstraße 27/29, 48149 Münster, Tel. +49 (0) 251/9276–0, Fax +49 (0) 251/9276–210, E-Mail: muenster@kapuziner.org, Internet: https://www.kapuziner.org/muenster/page/2/
Werne ist heute eines der ältesten noch bestehenden Klöster der Deutschen Kapuzinerprovinz. Im Dezember 2023 feierten die Kapuziner den 350. Jahrtag des Einzugs. Die Menschen der Stadt haben eine enge Beziehung zum Kloster, die über Jahrhunderte gewachsen ist. Aktuell leben sieben Kapuziner im Kloster Werne, weitere Brüder leben im Pflegeheim, das dem Konvent zugeordnet ist. Br. Norbert Schlenker (Jahrgang 1954) ist seit knapp zwei Jahren der Leiter der Gemeinschaft. Kapuzinerkloster Werne, Südmauer 5, 59368 Werne, Tel. +49 (0) 23 89/9 89 66 0, werne@kapuziner.org, https://www.kapuziner.org/werne/

Deutsche Kapuzinerprovinz: In der „Deutschen Kapuzinerprovinz“ mit Hauptsitz in München sind seit 2023 Klöster des franziskanischen Ordens aus vier Ländern in Europa vereint. Sie entstand vor einigen Jahren aus der Vereinigung zweier deutscher Provinzen. Die niederländischen Brüder gehören seit 2020 dazu, die belgischen Kapuziner seit 2023. Niederlande und Belgien sind in der „Delegation Belgien/Niederlande“ der Deutschen Kapuzinerprovinz organisiert. Auch vier österreichische Klöster sind seit 2022 als „Delegation Tirol“ wichtiger Teil der Gesamt-Provinz. Die übrigen Klöster in Österreich gehören zur Provinz Krakau. In Deutschland gibt es sieben, in Belgien drei, in den Niederlanden zwei und in Österreich vier Klöster, die in der Deutschen Kapuzinerprovinz organisiert sind (Stand 2023). Gewählter Provinzial der Provinz ist Br. Helmut Rakowski, Delegat der Delegation Tirol ist Br. Erich Geir, Delegat der Delegation „Belgien/Niederlande“ ist Br. Christophorus Goedereis. Alles über das Profil der Standorte und Nachrichten rund um die Klöster auf den Unterseiten der Niederlassungen auf www.kapuziner.org. Das  Magazin „cap!“ erscheint drei Mal im Jahr. 

Franz von Assisi, eigentlich Giovanni Bernardone (* um 1181/1182 in Assisi, Italien, † 3. Oktober 1226 in Portiuncula bei Assisi, war der Gründer des Franziskanerordens (Ordo Fratro Minorum, OFM). Geboren als Sohn des reichen Tuchhändlers Pietro di Bernardone und seiner Frau Pica, führte er das sorgenfreie Leben eines jungen, reichen Mannes. 1202 wurde er im Krieg der Stadt Assisi gegen Perugia gefangen genommen. Nach schwerer Krankheit und langer Genesung während der Gefangenschaft bekehrte er sich bei der Pflege von Aussätzigen. Immer wieder zog er sich in die Einsamkeit zurück, um den Willen Gottes zu erspüren. Er beschloss, das Evangelium buchstäblich zu verwirklichen und ein Leben in völliger Armut zu führen. Er wählte das Leben als Einsiedler, dem sich im Laufe der Zeit immer mehr junge Männer anschlossen. 1210 bat Franziskus mit seinen Gefährten in Rom beim Papst um die Bestätigung der Regel ihrer „Armutsbewegung“.
1219 schickte Franziskus Brüder nach Frankreich, nach Deutschland, nach Ungarn, nach Spanien und in die übrigen Provinzen Italiens. Nach dem ersten gescheiterten Versuch wagten sie sich 1221 erneut nach Deutschland und gründeten in Würzburg die erste Niederlassung nördlich der Alpen. Die Bruderschaft wurde nach der Anerkennung durch Papst Innozenz III.(1209/10) und der Bestätigung der endgültigen Regel (1223) zum Orden der Minderen Brüder (Ordo Fratrum Minorum, OFM).
Franziskus starb am Abend auf den 4. Oktober 1226 und wurde bereits 1228 von Papst Gregor IX. heiliggesprochen. Seit 1230 liegen seine Gebeine in einem Sarkophag in der Unterkirche von San Francesco in Assisi. Franz von Assisi gilt aufgrund seines Wirkens als erster Tierschützer. Daher wird am 4. Oktober, dem Tag des Heiligen Franziskus, weltweit von Tierschützern der Welttierschutztag begangen. Franz von Assisi wurde von der katholischen Kirche zum Patron der Umweltschützer und Ökologen „erhoben“. In dieser Tradition steht die 1995 gegründete Franz von Assisi-Akademie zum Schutz der Erde (http://www.faape.org/). Weltweit gibt es rund 15.000 Minderbrüder in 103 Provinzen. 1221 - noch zu Lebzeiten des Heiligen Franziskus - kamen die ersten Brüder über die Alpen nach Deutschland. Mehr: http://www.franziskaner.de/

Jubiläumsfeierlichkeiten der Franziskanischen Familie: Im vergangenen Jahr begannen für die Franziskanische Familie vier aufeinanderfolgende 800-jährige Jubiläen, die von 2023 bis 2026 stattfinden. Den Auftakt machte ein Gottesdienst Ende November 2023 in der Liebfrauenkirche der Kapuziner in Frankfurt am Main. Unter dem Leitwort „Pace e bene - Frieden und Gutes für alle“ versammelten sich zahlreiche Mitglieder franziskanischer Gemeinschaften aus ganz Deutschland gemeinsam mit dem Limburger Bischof und Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Dr. Georg Bätzing. Die kommenden Jubiläen beinhalten unter anderem die 800-jährige Wiederkehr der Stigmatisierung des Heiligen Franziskus im Jahr 2024 und die Komposition des Sonnengesangs vor 800 Jahren im Jahr 2025. Dieser Hymnus, von Franziskus als Lobpreis der Schöpfung verfasst, wurde in viele Sprachen übersetzt und ist heute Teil der Weltliteratur. Die Feierlichkeiten gipfeln 2026 in der Erinnerung an den 800. Todestag des Heiligen.

Stigmatisation: Auftreten von sichtbaren und spontan blutenden Wunden am Körper eines lebenden Menschen werden religiös als Wundmale Christi gedeutet. Mit Stigmata gezeichnet waren Schätzungen nach zwischen 100 und 300 Personen. Der erste von der katholischen Kirche anerkannte Fall ist der des Heiligen Franz von Assisi. Er hatte sich 1224 auf den Berg La Verna in der italienischen Toskana zurückgezogen, als Tag des Ereignisses wird in der Dreigefährtenlegende der 14. September 1224 angegeben, der Tag des Festes der Kreuzerhöhung. Franziskaner und Klarissen feiern dieses Ereignis als Eigenfest der Stigmatisierung des hl. Franziskus am 17. September. Seine Stigmatisation wurde aber erst mit seinem Tode bekannt.
Als erste Frau, die Stigmata erhalten haben soll, gilt Christina von Stommeln (1242–1312), deren Reliquien sich heute in Jülich befinden. Zu Stigmatisierten neuerer Zeit zählen Anna Katharina Emmerick, Maria von Mörl, Therese Neumann aus Konnersreuth, Juliana Weiskircher, Pater Pio und Marthe Robin. Verantwortlich für Stigmata scheint eine tiefe mystische Veranlagung, begleitet von Visionen, Askese und Ekstasen. Um selbstzugefügte Wunden auszuschließen, wurden von staatlichen und kirchlichen Behörden vielfach medizinische Untersuchungen angestellt. Die Kirche selbst begegnet dem Phänomen sehr zurückhaltend, auch ist Stigmatisation allein kein Grund für eine Heiligsprechung. Erklärungsversuche reichen über eine Vielzahl psychosomatischer Ursachen bis hin zur Feststellung eines Wunders.

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