Jeder sollte mal darüber nachgedacht haben

von Jana Schruff

Donnerstag, 30.05.2019

ein Stapel Organspendeausweise
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Am 1. Juni 2019 ist "Tag der Organspende" - ein guter Anlass, um sich mit dem Thema zu beschäftigen und eine persönliche Entscheidung zu fällen.

Obwohl die große Mehrheit der Bundesbürger einer Organspende positiv gegenübersteht, sind 2018 bundesweit nur 955 Spendern Organe entnommen und transplantiert worden. Dabei warten deutschlandweit fast 10.000 Menschen auf eine neue Leber, Niere oder Herz.

Laut einer repräsentativen Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2018 haben von den 4.000 Befragten 84% eine positive Einstellung zum Thema Organ- und Gewebespende. Zwei Jahre zuvor waren es 81%, 2013 lag ihre Zahl bei 78%. Die Zunahme der Befürworter schlägt sich auch ganz praktisch nieder, so die BZgA: " Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) haben eine persönliche Entscheidung zur Organ- und Gewebespende getroffen. 39 Prozent haben ihre Entscheidung zudem schriftlich dokumentiert, zum Beispiel auf einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung. Immer mehr Menschen besitzen einen Organspendeausweis. Waren es 2012 noch 22 Prozent, sind es im Jahr 2018 bereits 36 Prozent.

Trotz des positiven Trends bleibt die Zahl der Organspenden aber weiterhin deutlich hinter dem tatsächlichen Bedarf zurück. Im europäischen Vergleich ist Deutschland das Land mit den meisten Patientinnen und Patienten auf der Warteliste für eine Organtransplantation. Nach Angaben der BZgA lag die Zahl der Organspender 2018 hierzulande bei 955. Ihnen konnten 3.113 Organe postmortal entnommen und durch Eurotransplant vermittelt werden. Hinzu kamen weitere 3.264 Organe von verstorbenen Spenderinnen und Spendern aus dem gesamten Eurotransplantraum, die in deutschen Kliniken transplantiert wurden. Das klingt zunächst recht viel, doch andererseits wurden im gleichen Jahr 5.000 Personen neu in die Warteliste für ein Spenderorgan aufgenommen.

Seit Jahren schon ist die Politik bemüht, die Zahl der Organspender und –spenden zu steigern. Zuletzt hatte der Deutsche Bundestag Ende Mai 2012 eine Neuregelung des Transplantationsgesetzes beschlossen. Danach sollten die Krankenkassen noch im Laufe desselben Jahres alle Versicherten ab 16 Jahren anschreiben und sie zu ihrer Bereitschaft für eine Organspende befragen. Als Antwortmöglichkeiten standen "ja", "nein" oder "ich weiß nicht" zur Auswahl. Außerdem konnte jeder angeben, ob nur ganz bestimmte Organe entnommen werden dürfen. Auch konnte man grundsätzlich zustimmen und gleichzeitig einzelne Organe von der Spende ausdrücklich ausnehmen. Eine Pflicht zur Beantwortung gab es allerdings nicht.

Vor kurzem hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn das Thema Organspende wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Durch eine Änderung des Transplantationsgesetzes sollen Krankenhäuser im Kern mehr Zeit und Geld für Organtransplantationen und für die Suche nach geeigneten Spendern bekommen. Das entsprechende Gesetz wurde am 14.2.2019 abschließend im Bundestag beraten und ist zum 1.4.2019 in Kraft getreten.

Umstritten bleibt aktuell aber, wie man mehr Menschen davon überzeugen kann, sich als Organspender zur Verfügung zu stellen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn setzt hier auf die sogenannte "Widerspruchslösung". Sie sieht laut einem Bericht der "ZEIT" vor, "dass alle deutschen Staatsbürger ab 16 Jahren über den Zeitraum von einem Jahr ausführlich informiert und schließlich als Spender registriert werden – außer sie widersprechen. Die Entscheidung soll jederzeit revidiert werden können. Liegt kein Widerspruch vor, sollen Angehörige nach dem Versterben eines möglichen Spenders zudem gefragt werden, ob der Tote einer Organentnahme zugestimmt hat."

Eine Gruppe von Abgeordneten unterschiedlicher Parteien hat sich gegen diese Widerspruchslösung ausgesprochen. Wie der "Tagesspiegel" schreibt, plädieren sie dafür, dass "Organspenden nur bei ausdrücklicher Zustimmung möglich sind. Eine Widerspruchsregelung wecke Ängste und senke das Vertrauen in die Organspende (…). Stattdessen sollte die Spendenbereitschaft der Bürger in regelmäßigen Abständen abgefragt werden – etwa bei der Beantragung des Personalausweises. Festlegen müssten sie sich dabei aber nicht."

In die Debatte haben sich inzwischen auch die beiden großen Kirchen eingeschaltet. Wie der Evangelische Pressedient (epd) berichtet, will die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) "auch weiterhin die Bereitschaft zur Organspende wecken und stärken. Eine christliche Verpflichtung zur Organspende gebe es jedoch nicht. Auch die Ablehnung einer Spende sei zu respektieren." In dem epd-Bericht heißt es weiter: "Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Peter Dabrock, lehnt die Widerspruchslösung ab. Mit einer solchen Regelung müsste man von »Organabgabepflicht« statt von »Organspende« sprechen, sagte der evangelische Sozialethiker dem Evangelischen Pressedienst. Das würde einen »fundamentalen Paradigmenwechsel« darstellen." Auch bei der Deutschen Bischofskonferenz und beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) stieß Spahns Vorschlag auf Kritik.

Donnerstag, 30.05.2019