Geflüchtete finden neue Heimat in der Kirche

von Elke Saur

Sonntag, 20.02.2022

Mann und Frau sitzen auf einer Kirchenbank
Beitrag anhören

Verfolgte und geflüchtete Christen sehnen sich danach, ihren Glauben endlich offen und frei leben zu können. (Foto: Pixabay)

Jedes Jahr im Januar veröffentlicht die Hilfsorganisation Open Doors ihren „Weltverfolgungsindex“: Eine Rangliste von 50 Staaten, in denen Christen ihres Glaubens wegen bedrängt, unterdrückt oder verfolgt werden. Diesmal auf Platz 1: Afghanistan.

Das Land am Hindukusch verdrängte 2022 damit den langjährigen „Spitzenreiter“ Nordkorea auf den zweiten Platz. Dritter ist Somalia, gefolgt von Libyen und dem Jemen. Unter den traurigen „Top 10“ finden sich außerdem Eritrea, Nigeria, Pakistan, Somalia und Indien. Open Doors beziffert die Zahl der Christen, die wegen ihres Glaubens intensiver Verfolgung und Diskriminierung ausgesetzt sind, auf insgesamt mehr als 360 Millionen weltweit. Auf der Internetseite des Vereins heißt es dazu: „In den 50 Ländern des Weltverfolgungsindex gilt dies sogar in einem sehr hohen bis extremen Maß: davon betroffen sind 312 Millionen der dort lebenden 737 Millionen Christen.“

Das Ausmaß der Gefahren für Christen ist in den Ländern durchaus unterschiedlich. Nach der Machtübernahme der radikal-islamischen Taliban im vergangenen Jahr wird in Afghanistan gezielt nach Christen gesucht, die vom Islam konvertiert sind, mit dem Ziel, sie zu töten. Selbst aus ihren eigenen Familien erhalten diese Menschen Morddrohungen.

In China werden Christen streng überwacht. Es gibt willkürliche Verhaftungen, freie Treffen sind kaum bis gar nicht möglich. In anderen Ländern, z.B. im Jemen, werden Christen immer wieder von Hilfslieferungen ausgeschlossen. In Nordkorea landen sie in Straflagern oder verschwinden ganz. Und auch in Nigeria wurden im letzten Jahr tausende Christen ermordet – dort treibt die islamistische Gruppe Boko Haram seit vielen Jahren ihr Unwesen.

Anahid Younessi floh zusammen mit ihren drei Kindern aus dem Iran, nachdem ihre Mutter in den 1990er Jahren wegen ihres Kampfes gegen die iranische Regierung vom Regime gehenkt worden war. Im Interview sagt sie: „Im Iran darfst du deinen Glauben nicht leben oder äußern. Weil das gegen den Islam ist, und wir Christen haben keine Freiheit, unsere Meinung zu sagen. Im Iran haben wir die geheime Hauskirche besucht. Allein deswegen wir sind schon verfolgt worden, und deswegen sind wir geflüchtet. Wir wussten: Wenn sie uns finden, werden wir aufgehängt.“

In der evangelischen Genezareth-Kirche in Aachen hat Anahid Younessi eine neue Heimat gefunden. Der Kontakt zu anderen Geflüchteten ist wichtig, sagt Pfarrer Mario Meyer: „Man denkt ja, Menschen mit Migrationshintergrund haben vor allen Dingen die Sorge: »Kriegen sie hier ein Bleiberecht?« Aber wenn sie ein Bleiberecht haben, ist noch nicht alles gut. Sondern dann sind ganz viele irgendwie alleine, abgeschnitten von anderen, und man merkt eben, wie einsam viele sind.“ In der Genezareth-Kirche können die Flüchtlinge zusammen mit deutschen Christen ihren Glauben endlich leben. Und: Die Gemeinde hilft ihnen, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Anahid Younessi ist froh, hier zu sein: „Die Deutschen lügen uns nicht an. Die haben Interesse an anderen Menschen, und die helfen uns. Wir sind überglücklich hier.“

Sonntag, 20.02.2022