Die Klimakrise

von Stefan Klinkhammer

Sonntag, 26.03.2023

Platzhalterbild
Beitrag anhören

Collage: KIP

Die Klimakrise macht arm. Sie macht hungrig. Und ist in vielen Fällen auch tödlich. Darum zählt jedes Zehntelgrad - das hat jetzt der Bericht des Weltklimarates gezeigt. Doch die Folgen sind schon zu spüren, sagt die Klimaexpertin von Misereor in Aachen.

INFO: „Wieder einmal macht der IPCC auf Grundlage der Erkenntnisse von tausenden Wissenschaftler*innen weltweit deutlich, dass sich die Menschheit auf einem zerstörerischen Entwicklungspfad befindet. Die Klimakrise macht arm. Sie macht hungrig. Sie macht krank. Und sie ist in vielen Fällen auch tödlich“, erklärte Misereor-Klimaexpertin Anika Schroeder zur Veröffentlichung des Syntheseberichts des Weltklimarates IPCC am Montag, 20.03.2023: „Wir sehen das gerade wieder nach dem schrecklichen Zyklon ‚Freddy‘, der Madagaskar, Malawi und Mosambik getroffen hat. Er ist Sinnbild dafür, was unsere Partnerorganisationen im Globalen Süden berichten: Auch wenn sich die Menschen vor Ort - aufbauend auf lokalen Erfahrungen – recht gut mit den neuen Umweltbedingungen arrangieren, sind vielerorts doch die Grenzen der Anpassung erreicht.“ Die nun vorliegende Zusammenfassung des IPCC dürfe nicht ohne entschiedene Konsequenzen verhallen, so die Expertin: Technisch-physikalisch sei die Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 Grad Celsius noch möglich, doch steuere man angesichts der aktuellen bislang unzureichenden Klimaschutzziele vieler Staaten, auch Deutschlands, auf etwa drei Grad Celsius bis Ende des Jahrhunderts zu. „Es zählt jedes Zehntel Grad vermiedener Temperaturerhöhung.“

Bei 1,5 Grad Erderhitzung würden etwa auf den Philippinen fünf bis zehn Millionen Einwohner infolge des Meeresspiegelanstiegs ihren angestammten Wohnort verlassen müssen, bei 2 Grad wären es schon 20 Millionen. Jedes Zehntel Grad vermiedene Temperatur-Erhöhung verbessere indes den Handlungsspielraum der Menschen, und insbesondere der verwundbarsten Bevölkerungsgruppen, sich auf die heutigen und kommenden Herausforderungen vorzubereiten und sich anzupassen, so Anika Schroeder: „Die begrüßenswerten Fortschritte für den Klimaschutz auf EU-Ebene drohen in Deutschland dadurch zunichte gemacht zu werden, dass mehr Gas und Kohle aus Ländern des globalen Südens importiert werden, und sogar direkt in die Förderung dieser Rohstoffe investiert wird. Dies ist verheerend für Klima, Mensch und Natur - bei uns und in den Exportländern. Zudem erschweren die vielen Pressebilder des Kanzlers zu neuen Gas-Deals die Arbeit vieler Partnerorganisationen von Misereor, vor allem in Afrika, ihre Regierungen für eine dezentrale, verlässliche und saubere Energieversorgung zu gewinnen.“ Die Synthese der Berichtsreihe mache deutlich: Es gebe zu viel zu verlieren, darunter die Heimat für hunderte Millionen von Menschen, die ohne ambitionierten Klimaschutz neue Wohnorte finden müssten. „Es gibt aber auch viel zu gewinnen, wenn wir endlich die Bekämpfung der Klimakrise und das Abfedern ihrer Folgen priorisieren: bessere Luft, intakte Wälder, den Schutz der Biodiversität und mehr Gerechtigkeit auf einem begrenzten Planeten.“

Auch die Umweltorganisation Germanwatch kritisierte wachsende Investitionen in neue Öl- und Gasfelder. Öl- und Gasunternehmen sowie -staaten hätten Rekordgewinne eingefahren. Schon die jetzt getätigten und geplanten Investitionen führten zu einer Überschreitung der Großgefahrenschwelle, erklärte der politische Geschäftsführer Christoph Bals. Germanwatch und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warnten davor, zu große Hoffnungen in Technologien für sogenannte negative Emissionen zu setzen. Dazu sei immenser Aufwand nötig; die Techniken seien zum Teil noch unbekannt, kaum erprobt und sehr teuer. BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock sagte, die aktuelle Debatte über das Auffangen und Verpressen von CO2 ohne einen klaren Endpunkt für Kohle, Öl und Gas sei ein Irrweg. Fridays for Future erklärte, der Bericht zeige in vollem Umfang die Auswirkungen rücksichtsloser Politik der Staaten des globalen Nordens. Das breite Blockieren effizienter Maßnahmen gefährde die Sicherheit und Freiheit heutiger und zukünftiger Generationen. Der WWF forderte, dass Deutschland international bis 2025 die zugesagte Klimafinanzierung in Höhe von jährlich sechs Milliarden Euro bereitstellen und auf acht Milliarden Euro erhöhen müsse, um Länder des Globalen Südens bei ihren Bemühungen zu unterstützen. In Deutschland müssten insbesondere der Verkehrs- und der Gebäudesektor, in denen Deutschland seine Klimaziele weiterhin nicht erfülle, auf Klimakurs gebracht werden.

Bereits Anfang Februar machte eine Konferenz der Pazifikbischöfe in Suva, der Hauptstadt der Fidschi-Inseln, darauf aufmerksam, dass tiefliegenden Inselstaaten wie Kiribati im Pazifischen Ozean zwischen 2060 und 2070 das vollständige Versinken droht. Schon heute verlassen Bewohner deshalb ihr bisheriges Zuhause und dringend werden alternative Wohnstandorte für sie gesucht – etwa in Fidschi oder Neuseeland. Die Konferenz der katholischen Bischofskonferenzen Ozeaniens (FCBCO) tagte zum Abschluss der Ozeanien-Etappe der katholischen Weltsynode und trug den Titel „Rettet das Meer, um Mutter Erde zu retten“. Sie warben auf ihrer Konferenz für einen Blick auf die Verletzlichkeit, aber auch die Leistungen der Weltmeere und erinnerten daran, dass die Pflanzen und Bakterien in den Meeren 70 Prozent des gesamten Sauerstoffs der Erde erzeugen, zudem Kohlenstoff binden und fast die Hälfte der bekannten Lebewesen dieser Welt in marinen Ökosystemen zu Hause ist. Sie wollen sicherstellen, dass in dem Prozess „weiterhin eine unverwechselbare ozeanische Stimme erklingt“, so die Australischen Bischofskonferenz. Es gehe darum, eine „Theologie des Pazifiks“ zu entwerfen.

Misereor - weltgrößtes katholisches Entwicklungshilfswerk: Misereor mit Sitz in Aachen wurde 1958 von den deutschen katholischen Bischöfen auf Vorschlag des damaligen Kölner Kardinals Josef Frings als Aktion gegen Hunger und Krankheit in der Welt gegründet, um „den Mächtigen der Erde, den Reichen und Regierenden vom Evangelium her ins Gewissen zu reden“. Der Name bezieht sich auf das im Markus-Evangelium überlieferte Jesuswort „Misereor super turbam / Ich erbarme mich des Volkes“. Erste Anregungen für eine regelmäßige Kollekte für Entwicklungsprojekte kamen zuvor von katholischen Laienorganisationen und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Ziel der mit Partnern in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika geleisteten Arbeit ist die Hilfe zur Selbsthilfe, für Gerechtigkeit und Bildung, gegen Hunger, Krankheit, Ausgrenzung und Menschenrechtsverletzungen sowie deren Ursachen. Gemeinsam mit einheimischen Partnern unterstützt das Hilfswerk Menschen unabhängig von ihrem Glauben, ihrer Kultur und ihrer Hautfarbe. Seit seiner Gründung wurden so laut eigenen Angaben über 113.000 Projekte mit weit mehr als 7 Milliarden Euro unterstützt, jedes Jahr steht ein anderes Thema und ein anders Land im Fokus der Fastenaktion. Derzeit arbeitet Misereor mit 1.900 Partnerorganisationen in 3.000 laufenden Projekten in gut 90 Ländern zusammen. MISEREOR ist Mitglied im Bündnis Entwicklung Hilft: www.entwicklung-hilft.de.

MISEREOR-Spendenkonto: Spendenkonto 10 10 10, Pax Bank Aachen, BLZ 370 601 93, IBAN DE75 3706 0193 0000 1010 10, BIC GENODED1PAX. MISEREOR im Netz: www.misereor.de, MISEREOR-Blog: https://blog.misereor.de/, Twitter: www.twitter.com/misereor, Facebook: www.facebook.com/misereor, Instagram: www.instagram.com/misereor. Hilft: www.entwicklung-hilft.de. Themendossier Welthandel, Themendossier Unternehmensverantwortung, Dossier Klimawandel.

Kontakt: Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR e. V., Mozartstraße 9, 52064 Aachen. Tel. 0241 / 442-0, Fax: 0241 / 442-188, E-Mail: info(at)misereor.de, Internet: www.misereor.de

Sonntag, 26.03.2023