70 Jahre NRW: Die Gründung und die Kirchen

von Stefan Klinkhammer

Sonntag, 14.08.2016

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Mit einem großen Fest feiert NRW vom 26.-28. August seinen 70. Geburtstag in Düsseldorf. Mit dabei sind auch die beiden Kirchen. Ihr Einsatz bei der Gründung des Landes und auch heute erklärt der Leiter des katholischen Büros, Dr. Antonius Hamers…

INFO: Mittwoch, 17. Juli 1946 - hochsommerliche Temperaturen über dem kriegszerstörten Land. Da gibt der britische Militärgouverneur Sholto Douglas auf einer Pressekonferenz beim Alliierten Kontrollrat in Berlin bekannt: Das nördliche Rheinland und Westfalen sollen in einem Land zusammengelegt werden. Offizielle Begründung: Dies erleichtere die Regierungs-, Wirtschafts- und Verwaltungsmöglichkeiten in der britischen Zone. Doch dies ist nicht die ganze Wahrheit.

Bereits am 21. Juni 1946 hatte das Britischen Kabinett in Whitehall/London nach monatelangen Diskussionen die Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen beschlossen: Die britische Regierung ist nach dem Scheitern der Pariser Außenministerkonferenz und der Veränderung der internationalen politischen Lage zur territorialen Neugliederung ihres Besatzungsgebiets entschlossen, will die wichtigen Regionen dem Zugriff von Frankreich entziehen, das die Schaffung eines Ruhrstaats forderte, aber auch eine Einflussnahme von Sowjetrussland zu einer Internationalisierung des Reviers zurückweisen. Jetzt werden in der zwischen den Alliierten umstrittenen Ruhrfrage vollendete Tatsachen geschaffen um jede Einwirkung auf die politische und wirtschaftliche Gestaltung des britisch besetzten Teils Deutschlands auszuschließen.

Schlüsselregion ist das Ruhrgebiet: Bereits am 22. Dezember 1945 hatten die Briten den Kohlenbergbau an der Ruhr beschlagnahmt und zu seiner Leitung mit der „Coal Control Group“ eine britische Treuhandverwaltung eingesetzt. Ihr sollte parallel zur Gründung des neuen Landes am 20. August 1946 zudem die Beschlagnahmung der Eisen- und Stahlindustrie in der britischen Zone folgen, die in der „North German Iron and Steel Control“, einer Treuhandverwaltung der Briten unterstellt wurde.

Grundlage für den Aufbau neuer politischer Strukturen in der britischen Besatzungszone ist die im Sommer 1945 erlassene Direktive „On Administrative, Local and Regional Government and the Public Services“ mit der erklärten Absicht, eine demokratische Ordnung nach britischem Vorbild zu errichten. Sie vollzog sich in ihren politischer Strukturen in den Provinzen Rheinland und Westfalen in verschiedenen Stufen: Den Anfang machte die Gemeindeebene, es folgten die Provinz- und schließlich mit der Gründung von Nordrhein-Westfalen die Landesebene. Erste überlokale Strukturen entstanden bereits im Juni 1945 mit der Ernennung von Provinzialregierungen unter den Oberpräsidenten Robert Lehr für das Rheinland und dem parteilosen Rudolf Amelunxen für Westfalen: Ernannte Provinzialräte („Nichtexekutive Provinzialräte“) aus Vertreter der nichtfaschistischen Parteien der Weimarer Republik, sowie Persönlichkeiten aus verschiedenen Lebensbereichen, standen den Regierungen beratend zur Seite.

Zum 15. Juli 1946 werden die führenden westdeutschen Politiker Konrad Adenauer (CDU), Jakob Kaiser (CDU) und Kurt Schumacher (SPD) ins britische Hauptquartier nach Berlin beordert. Sir Brian Robertson, stellvertretender Militärgouverneur der britischen Besatzungszone, unterrichtet sie über die geplante Landesgründung. Kaiser und Schumacher zeigen sich von der Ankündigung völlig überrascht: Während Adenauer mit der Landesgründung durchaus einverstanden ist, erklärt Schumacher, er und seine Partei seien gegen die geplante Landesgründung. Er fürchtet eine zu starke Mehrheit der CDU im größtenteils katholisch geprägten Land.

Am 20. Juli 1946 wird dem Düsseldorfer Oberstadtdirektor Walter Kolb mitgeteilt, dass seine Stadt zur Landeshauptstadt bestimmt worden ist. Die britische Besatzungsbehörde ernennen am 1. August Rudolf Amelunxen – rückwirkend zum 24. Juli 1946 - zum Ministerpräsidenten. Der bisherige rheinische Zivilkommissar William Asbury, jetzt für das ganze neue Land zuständig, bestellt Amelunxen in den Stahlhof in Düsseldorf und stellt klar: Die Briten geben auch weiterhin den politischen Ton an. In der „Ernennungsurkunde“ Amelunxens heißt es lapidar: „Das neue Land wird die bestehenden Provinzen NORDRHEIN und WESTFALEN umfassen. Die Hauptstadt wird DÜSSELDORF sein. (…) Sie und Ihr Kabinett, sobald gebildet, werden unter meiner Leitung arbeiten. (…) Alle Regierungsmacht in Hinblick auf das neue Land wird durch mich ausgeübt, und daraus folgt, dass die deutsche Landesregierung keine anderen Befugnisse haben wird, als die von mir übertragenen.“

Für die Bildung der Landesregierung geben die Militärs Empfehlungen ab, wie die Ministerien auf die Parteien verteilt werden sollen: Je drei Ministerien erhalten CDU und SPD, Zentrum und KPD je zwei und die FDP eins. Da sich die Parteien aber um die Besetzung der wichtigsten Ämter streiten, verzichten die Briten auf ein Kabinett – stattdessen soll Amelunxen nur eine Handvoll Abteilungsleiter für die wichtigsten Verwaltungsaufgaben benennen. Schließlich kommt doch noch ein Kompromiss zustande und es wird, wie von Konrad Adenauer gewünscht, ein Kabinett ohne CDU-Beteiligung, das am 30. August 1946 erstmals zusammentritt. Er möchte aus taktischen Gründen lieber in der Opposition bleiben.

Am 23. August 1946 macht die britische Militärregierung die unter dem Codenamen „operation marriage“ laufende Gründung des Bundeslands Nordrhein-Westfalen im Zusammenschluss des nördlichen Teils der preußischen Rheinprovinz und der preußischen Provinz Westfalen mit der Verordnung Nr. 46 der britischen Militärregierung rechtskräftig. Die Forderung der Alliierten, das als besonders militaristisch und nationalistisch geltende Land Preußen aufzulösen, ist erfüllt, die seit Ende 1945 bestehenden Provinzialräte in beiden Provinzen werden abgeschafft. Verbunden mit Landesgründung und Einsetzung einer Landesregierung ist auch die Einberufung eines „Repräsentativen Rates“. Seine Mitglieder sollen die verschiedenen Teile von Rheinland und Westfalen repräsentieren und sich aus Vertretern der gerade entstehenden politischen Parteien zusammensetzen. Hinzu kommen die Mitglieder des Landeskabinetts. Ministerpräsident Amelunxen wird verpflichtet, die Mitglieder des Rates über alle politischen Anordnungen der britischen Militärbehörden in vollem Umfang zu unterrichten. Auf die genaue Zusammensetzung des am 26. September 1946 ernannten Rates nimmt die britische Militärregierung unter Leitung des im Düsseldorfer Stahlhof residierenden Land Commissioners William Asbury in der Folge massiven Einfluss.

Am 2. Oktober 1946 tagt die Konstituierende Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen im Düsseldorfer Opernhaus. Anschließend weicht das Parlament ab November 1946 in den Theatersaal der Henkelwerke auf dem Werksgelände in Düsseldorf-Holthausen aus. Erst mit der Eingliederung des Landes Lippe am 21. Januar 1947 entsteht Nordrhein-Westfalen in seiner heutigen Form. Der Landtag – zum ersten Mal am 20. April 1947 gewählt, zieht 1949 ins jetzt bezugsfertig gewordene Ständehaus am Schwanenspiegel - erst 39 Jahre später, ab 1988, tagen die Abgeordneten im neu erbauten Landtag am Rhein.

Erste Hauptaufgabe des Landtages ist die Ausarbeitung einer Landesverfassung. Schon im Winter 1946/47 wird der erste Entwurf vorgelegt. Er bestimmt: „Nordrhein-Westfalen ist ein Bestandteil der Deutschen Demokratischen Republik“ – aber auch ohne diese bemerkenswerte Feststellung ist dem ersten Entwurf und auch weiteren Fassungen kein Erfolg vergönnt, die dem 14-köpfigen Verfassungsausschuss des Landtages vorgelegt werden. Schließlich sind die im Landtag vertretenen Parteien über den Inhalt der Verfassung so zerstritten, dass sie die Verabschiedung auf die Zeit nach Inkrafttreten des Grundgesetzes verschieben. Damit trat die „verspätete Verfassung“ erst 1950 und nach der Gründung der Bundesrepublik in Kraft. Und sie fiel nur knapp zugunsten des vorgelegten Entwurfes aus - sowohl bei Abstimmung am 6. Juni 1950 im Landtag mit 110 zu 97 Stimmen, als auch bei der Volksabstimmung am 18. Juni 1950 mit 3,6 gegen 2,2 Millionen Stimmen bei einer halben Million ungültiger Stimmen. Durchgesetzt hatte sich der Verfassungsentwurf des seit Juni 1947 amtierenden Ministerpräsidenten Karl Arnold (CDU), der stark durch die „Grundsätzlichen Darlegungen und Forderungen zur Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen“ der Erzbischöfe von Köln und Paderborn beeinflusst war. Darin hieß es: „Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat am 6. Juni 1950 folgendes Gesetz beschlossen, das gemäß Artikel 90 am 18. Juni 1950 durch Volksentscheid von der Mehrheit der Abstimmenden bejaht worden ist:

Präambel: In Verantwortung vor Gott und den Menschen, verbunden mit allen Deutschen, erfüllt von dem Willen, die Not der Gegenwart in gemeinschaftlicher Arbeit zu überwinden, dem inneren und äußeren Frieden zu dienen, Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand für alle zu schaffen, haben sich die Männer und Frauen des Landes Nordrhein-Westfalen diese Verfassung gegeben ...“

NRW wird 70 – Bürgerfest in Düsseldorf

Das 70. Doppeljubiläum von Nordrhein-Westfalen und der Landeshauptstadt Düsseldorf wird nun mit einem dreitägigen Bürgerfest zum NRW-Tag 2016 gefeiert: Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und Oberbürgermeister Thomas Geisel eröffnen es am Freitagabend, 26. August. Eine große Show auf der Hauptbühne am Burgplatz, arrangiert von Dieter Falk, macht sich auf eine musikalische Zeitreise durch die letzten 70 Jahre.

Am Samstag, 27. August, beginnt dort um 10 Uhr ein ökumenischer Gottesdienst, dem Kardinal Woelki und Präses Rekowski vorstehen werden. Von 11-22 Uhr, und am Sonntag, 28. August, von 11-21 Uhr, erwartet die Gäste dann eine abwechslungsreiche Festmeile rechts- und linksrheinisch der City: In der Altstadt/der Innenstadt wird auf acht Groß-Bühnen und acht kleineren Bühnen ein buntes Programm geboten. Von der Rheinwiese über die Rheinuferpromenade und die Königsallee bis zum Schadowplatz präsentieren sich Stadt und Land in ihrer ganzen Vielfalt – vom Landtag und Landesministerien, über Rathaus, Düsseldorfer Institutionen und Stadtverwaltung sowie Verbände, Vereine und ehrenamtliches Engagement. Weitere Städte, Gemeinden und Bildungseinrichtungen haben sich für eigene Stände und Aktionen bereits angemeldet. Eine Kulturmeile reicht vom NRW-Forum über den Grabbeplatz mit K20, Kunsthalle über die Carlstadt mit ihren Museen, Instituten und Galerien bis zum K21, dem alten Ständehaus. Alle Institute, Museen, aber auch Galerien und Ateliers sind aufgerufen, ihre Türen zu öffnen. Für die freie Kunstszene soll es eine eigene Bühne geben.

Eine kulinarische Reise – nicht nur durch NRW – bietet das Gourmetfestival auf der Königsallee mit rheinischen und westfälischen Spezialitäten. Auf dem linksrheinischen Rheinufer wird zwischen Oberkassler- und Rheinkniebrücke eine Aktionsfläche mit Blaulichtmeile, Sport und Spiel unter Mithilfe des Technischen Hilfswerkes (THW), Feuerwehr, Sanitätsdiensten, Polizei, Bundeswehr, dem Landesund Stadtsportbund sowie dem vorgezogenen Fest zum Weltkindertag entstehen. Der traditionelle Festumzug des NRW-Tages zieht am Samstag durch die Stadt. Ein Höhepunkt des NRW-Geburtstagsfestes wird der Schiffskorso am Sonntag sein.

Rund 4.000 Akteure werden mithelfen, das große Programm mit über 700 Aktionen über die Bühne(n) zu bringen und auch für Abwechslung in den 317 Zelten auf der Festmeile sorgen. Landtag und Staatskanzlei bieten Tage der offenen Tür mit Sonderprogrammen an. Das Düsseldorfer Rathaus öffnet ebenso seine Pforten und dient als Ausstellungsfläche.

Auch die Kirchen sind präsent: In der Stadt stehen verschieden Bühnen zu unterschiedlichen Themen, eine Kirchenbühne an der Rheinuferpromenade auf der Höhe des Mannesmannhochhauses (Wirtschaftsministerium) präsentiert Schulen, Einrichtungen und Verbände sowie verschiedene Gesprächspartner. An der Bühne informieren verschiedene Stände auch über die NRW-Bistümer.

Am eigentlichen Landesgeburtstag, den 23. August 2016, wird Ministerpräsidentin Hannelore Kraft die Wanderausstellung des Landesarchivs „70 Jahre NRW“ im Stadttor eröffnen. Zudem wird sie das Fahnenband des Landes NRW an die Britische 20. Panzergrenadier-Brigade (20th Armoured Infantry Brigade) verleihen. Höhepunkt des Geburtstages ist ein gemeinsamer Festakt am Abend des 23. August 2016 von Landtag und Landesregierung in der Tonhalle in Düsseldorf.

Weitere Informationen zum NRW-Tag 2016 im in den sozialen Medien unter: www.land.nrw, www.duesseldorf.de, www.facebook.com/NRWTag, twitter.com/NRWTag2016 

Sonntag, 14.08.2016